Interview: Petunienkrise - Gen over?

Am Rande der diesjährigen Flower Trials 2017 führte die GABOT-Redaktion ein Gespräch mit Thomas Bousart, Managing Director bei Dümmen Orange in Rheinberg, über die Auswirkungen der Petunienkrise.

GABOT führte auf den Flower Trials 2017 ein Gespräch mit Thomas Bousart, Managing Director bei Dümmen Orange in Rheinberg. Bild: GABOT.

Das Gespräch fand vor dem Hintergrund der Krise statt, die in dieser Beet- und Balkonpflanzensaison weltweit verschiedene Züchter zu Beteiligten und Betroffenen gemacht hat. Die GABOT-Redaktion wollte hinter die Kulissen blicken und genauer erfahren, zu welchen Erkenntnissen der Züchter Dümmen Orange gelangt ist.

Herr Bousart, stehen Sie unter Innovationsdruck oder Wettbewerbsdruck?

Dümmen Orange ist ein innovatives Züchtungsunternehmen und Marktführer in vielen Produktkategorien. Sicherlich stehen wir im globalen Wettbewerb, aber ich würde es nicht als Innovationsdruck bezeichnen. Innovationen im Bereich Züchtung sind ein wichtiger, aber nicht der alleinige Faktor um sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Produktqualität und diverse Serviceleistungen für den Kunden werden immer wichtiger.

Wie zeichnen sich Qualitätsprodukte des Beet- und Balkonpflanzensortiments in Zukunft aus? Welche Entwicklungen schaden dem Beet- und Balkonpflanzensortiment eher?

Ich denke, dass der Verbraucher weiterhin die Nachfrage bestimmen wird. Vielleicht werden in Zukunft verstärkt Pflanzen gekauft, die etwas robuster und widerstandsfähiger gegenüber dem sich ändernden Klima sind. Diesen Trend kann man schon seit einiger Zeit beobachten. Die Züchtung von vegetativ vermehrten Beetpflanzen hat hier in den letzten 15 Jahren große Schritte gemacht und sich exzellent am Markt positioniert.

Kritisch sehe ich die teils zu schnelle Markteinführung von neuen Sorten, die häufig sehr schnell wieder vom Markt verschwinden. Jeder Züchter sollte das Verhältnis von guten, etablierten Sorten mit innovativen Neuheiten im Auge behalten. Am Ende des Tages müssen die Sorten in der gesamten Wertschöpfungskette gut funktionieren und den Endverbraucher begeistern.

... Sie meinen, es wird jedem Trend zu schnell hinterhergelaufen?

Ich bin der Meinung, dass man nie gut beraten ist, wenn man einem Trend hinterherläuft. Bei Dümmen Orange gehen wir lieber den umgekehrten Weg und versuchen selber Trends zu gestalten. Wir etablieren z.B. sehr viele Marketing-Konzepte, die häufig gemeinsam mit unseren Kunden und Handelspartnern entwickelt werden.

Wer plant denn bei Dümmen Orange das Sortiment, wie z.B. eine Produktlinie Potunia und eine Linie Potunia Plus?

Die Sortimentsentscheidungen bei Dümmen Orange werden von einem Produktmanager getroffen. Der Produktmanager plant gemeinsam mit dem Züchter die Sortimentsstrategie und Markteinführung von neuen Sorten.

Passt die Sortimentsentwicklung der Jungpflanzenanbieter zur Sortimentsstrategie kleinerer und mittlerer Einzelhandelsgärtnereien? Wäre eine Konsolidierung nicht sinnvoller?

Ich sehe hier keine große Gefahr für die kleinen und mittleren Einzelhandelsgärtnereien. Die Sortimente im Bereich Beetpflanzen sind immer noch riesengroß und die große Anzahl an lokalen und international tätigen Jungpflanzenbetriebe in Deutschland und Europa sorgt dafür, dass ein sehr abwechslungsreiches und großes Sortiment zur Verfügung steht.

Ein gesundes Maß an Sortiments-Konsolidierung wird sogar viele Vorteile bringen. Auch die Breite der Sortimente unterliegt bestimmten Schwankungen. Nachdem jahrelang die Sortimente stark ausgebaut wurden, kann man heute eine gewisse Beruhigung erkennen und teilweise sogar Sortimentsreduzierung. Eine hohe Anzahl von Beetpflanzensorten sorgt für viel Komplexität in den innerbetrieblichen Abläufen und auch der Vertrieb muss in der Lage sein, zu jeder Sorte eine gute Beratung zu geben. Es gibt zum Beispiel immer noch weit über 1.000 Petuniensorten am Markt. Wer soll da noch den Überblick behalten?

Und wie sehen Ihrer Ansicht nach Beet- und Balkonpflanzensortimente und die Angebotslandschaft in 5 Jahren (2022) aus?

Ich gehe davon aus, dass sich das Beet- und Balkonpflanzensortimente weiterhin in einer Konsolidierungsphase befinden. Daher wird es wahrscheinlich weniger Sorten geben, dafür wird aber die Qualität und Zuverlässigkeit der angebotenen Sorten besser sein.

Eine Funktion von Marken ist unter anderem die Herkunfts- oder Unterscheidungsfunktion. Inwieweit können Züchter heute überhaupt noch sicherstellen, dass sich Marken noch unterscheiden?

Dümmen Orange verfügt über viele etablierte B2B Marken in vielen Produktbereichen. So gibt es im Bereich Rosen die Marke „Avalanche“, die sie bei jedem Floristen finden oder die Marke „Confetti Garden“, die für zuverlässige Dreiermischungen bei Beetpflanzen steht.

Wer über Marken spricht, die bis zum Konsumenten eine durchgängige Bekanntheit aufweisen, wird nicht viele finden. Das zeigt auch deutlich die Grenzen für uns als Züchter auf.

Welchen Anteil machen Petunien in Ihrem Sortiment aus und wie stark berührt die Petunienkrise das Sortiment von Dümmen Orange?

Im Bereich Beetpflanzen ist die Petunie sicherlich unter den TOP3 zu finden. Die Marke Potunia ist sicherlich eine der bekanntesten Marken im Bereich Petunien weltweit. Der Anteil am Gesamtsortiment von Dümmen ist natürlich kleiner, denn wir sind sehr breit aufgestellt mit den Bereichen Schnittblumen, Topfpflanzen, Stauden, Zwiebeln und Sukkulenten.

Dümmen Orange verfügt weltweit über ca. 150 kommerzielle Sorten Petunien, in Europa sind dies ca. 70. Von den 70 Sorten konnte bei exakt sieben eine gentechnische Veränderung nachgewiesen werden.

Herr Bousart, wie konkret hat die Petunien-Krise Ihrem Unternehmen geschadet?

Die Petunienkrise hat in erster Linie der gesamten Branche geschadet. Natürlich waren auch wir davon betroffen, aber das war wirklich nicht unsere größte Sorge. Rückblickend kann man festhalten, dass wir relativ glimpflich davon gekommen sind. Ich hatte gerade zu Beginn große Sorge, dass unsere Branche nachhaltig Schaden nehmen wird und der Verbraucher einen großen Vertrauensverlust gegenüber dem Gartenbau zum Ausdruck bringt.

In welcher Höhe hat Dümmen Orange Rückstellungen für die Folgerisiken aus der Petunienkrise gebildet?

Es wurden keine Rückstellungen gebildet.

Was machen Sie künftig anders? Was haben Sie aus der Krise gelernt?

Dümmen Orange wird den gesamten Züchtungs- und Introduktionsprozess für neue Sorten neu definieren und dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Dazu werden wir zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Testen durch zertifizierte und unabhängige Labore von neuen Sorten einführen bevor der Markteintritt erfolgen kann.

Mit "testen" meinen Sie die GVO Testung? Darf von den Züchtern erwartet werden, dass externe Sorten, die ins eigene Züchtungsprogramm eingekreuzt werden, sicherheitshalber auf GVO getestet werden?

Ja, das muss ein elementarer Bestandteil der neuen Prozesse werden. Da bei der Sortenanmeldung beim Bundessortenamt diese Frage bereits im Antragsverfahren existiert, wird das sicherlich auch zukünftig von den Behörden überprüft werden.

Wenn Sie "alles in allem" betrachten, war es sinnvoll von den Züchtungsunternehmen, ein solches Risiko einzugehen?

Wenn man sich in der grünen Branche des Risikos bewusst gewesen wäre, hätte kein einziges Züchtungsunternehmen so gehandelt. Das Einkreuzen von Mitbewerbersorten war die Standardmethode und hat dem Gartenbau viele, schöne und innovative Sorte gebracht. Daß gentechnisch verändertes Material vor vielen Jahren in den globalen Genpool zugeführt wurde, hat jeden überrascht und war eine harte Lektion für alle Beteiligten.

Erkennen die Züchter ihre Schuld/Mitschuld an und stellen sich ihrer Verantwortung?

Ich kann nicht für andere Züchter sprechen, aber Dümmen Orange stellt sich seiner Verantwortung. Das haben wir seit Bekanntwerden der Krise getan und werden das auch weiter tun. Die Krise scheint überwunden, aber die wirkliche Arbeit beginnt jetzt erst. Wir kooperieren weiter sehr eng mit den Behörden in Deutschland, Europa und Nordamerika und werden alles dafür tun, dass das Vertrauen in unsere Produkte vollständig wiederhergestellt wird.

Inwieweit passen die aktuellen Erkenntnisse Ihres Unternehmens zu Ihren vermittelten Werten wie Nachhaltigkeit und Transparenz?

Ob die eigenen Werte im Unternehmen wirklich gelebt werden zeigt sich doch eigentlich erst in einer Krise. Es ist richtig, dass wir uns sehr große Ziele gesetzt haben, was das Thema Nachhaltigkeit angeht.

Nach der Petunienkrise kann ich sehr selbstbewusst sagen, dass wir unseren Ansprüchen absolut gerecht geworden sind. Wir haben schnell gehandelt, eng mit den Behörden auf der ganzen Welt kooperiert und tun alles dafür, dass wir gestärkt aus der Krise heraustreten. Das Feedback unserer Kunden und vom Handel bestätigt das in eindrucksvoller Weise.

Die technologischen Veränderungen sind gravierend. Wie müssen sich vor diesem Hintergrund die Anbieter verändern oder anpassen?

Das sollte jedes Züchtungsunternehmen selbst entscheiden. Aus meiner Sicht wird es für den europäischen Markt keine so großen Veränderungen geben, denn wenn man zum Beispiel die Gentechnologie betrachtet, wird sie von den Verbrauchern in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern nicht angenommen.

Was halten Sie von grüner Gentechnik? Ist sie gut oder schlecht? Warum?

Die grüne Gentechnik ist sicherlich sehr interessant und wird in vielen landwirtschaftlichen Sparten und im Gemüsebau seit Jahren erfolgreich angewendet. Wir stehen dem sehr aufgeschlossen gegenüber, beobachten aber auch die andauernde Debatte in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit.

Die größten Anwendungsbereiche sehe ich in der Resistenzzüchtung, damit wir den wirtschaftlichen Schaden bei diversen Pflanzenkrankheiten für alle Marktteilnehmer deutlich reduzieren können. Für beispielsweise neue Blütenfarben sehe ich dagegen wenig Zusatznutzen.

Welche internationalen Regelungen fehlen für die Züchtung im Zierpflanzenbau?

Wie in so vielen Bereichen hat der Zierpflanzenbau ca. 10 Jahre Rückstand auf den Gemüsebau. Die Professionalisierung im Zierpflanzenbau hat aber stark an Fahrt aufgenommen und wird in den nächsten fünf Jahren große Schritte machen. Ich bin sehr froh dass es weltweit diverse Initiativen gibt, um die Prozesse und Abläufe im Bereich Züchtung auf den Prüfstand zu stellen und neue gemeinsame Standards zu schaffen. Dümmen Orange beteiligt sich auf internationaler Ebene und unterstützt diese Initiativen ausdrücklich.

Was ist Ihre persönliche Einschätzung zur Petunienkrise im Gartenbau?

Ich bin der Meinung, dass wir die Petunienkrise als Weckruf verstehen sollten. Zum Einen müssen eingefahrene Prozesse und Abläufe regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden. Der Markt entwickelt sich schnell weiter, neue Züchtungstechnologien stehen zur Verfügung und jeder Züchter sollte sich mit diesem komplexen Thema sorgfältig auseinandersetzen. Zum Anderen zeigt es aber sehr deutlich, welche Verantwortung die Züchter für das Entwickeln und Inverkehrbringen von neuen Sorten haben. Züchter stehen bekanntlich ganz am Anfang der Wertschöpfungskette, die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Verbraucher sind allerdings riesengroß.

Daher bin ich mir sicher, dass sich alle Züchter intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzen und die richtigen Schlüsse ziehen werden. Es wäre auch sinnvoll, wenn Züchtungsunternehmen bei einigen dieser Themen kooperieren würden.

Herr Bousart, vielen Dank für das Gespräch!

(Das Interview führte Stefan Oberschelp, Redaktion GABOT)

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