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Schweiz: Wer essen will, muss züchten
Der Bund will die Pflanzenzüchtung stärken und will ein Plant Breeding Center schaffen. Im Interview sagt die stellvertretende BLW-Direktorin Eva Reinhard wie die Bio-Züchtung einbezogen wird, wieso die Nachhaltigkeit im Zentrum steht und weshalb sie die Angstkultur gegenüber Gentechnik in Frage stellt.
LID: Die großen Saatgutkonzerne stehen oft in der Kritik, die Züchtungen auf sich zu konzentrieren. Wie geht der Bund bei seiner Pflanzenzüchtungsstrategie damit um?
Eva Reinhard: Das ist ja keine böse Absicht der großen Firmen. Vielmehr ist es eine Konsequenz aus der Entwicklung, dass es immer aufwändiger und teurer wird zu züchten. Das ist insbesondere für kleine und mittlere Züchtungs-Unternehmen eine große Herausforderung. Da wollen wir mit unserer Strategie Gegensteuer geben. Wir wollen, dass die Vielfalt an Züchtungs-Programmen erhalten bleibt. Die großen Firmen versorgen die Landwirtschaft mit guten Sorten. Aber je weniger Firmen züchten, umso eingeschränkter ist der genetische Pool, den wir verwenden, um Sorten auf unseren Äckern zu diversifizieren. International ist die Züchtungsaktivität bei Kulturen mit großen Anbauflächen relativ hoch. Bei Nebenkulturarten ist sie gering. Dies führt dazu, dass sich die Konkurrenzfähigkeit von Nebenkulturarten gegenüber den Hauptkulturarten laufend verschlechtert.
Die Strategie soll einen Gegenpol zu den großen Konzernen erlauben?
Gegenpol tönt nach Abgrenzung. Wir profitieren auch von den Großen und haben absolut nichts gegen diese. Aber wir stellen fest, dass Lücken entstehen, wenn es nur noch wenige Große gibt. Und diese wollen wir füllen.
"Wir wollen mit der Strategie Gegensteuer geben"
Wie soll das gehen?
Einerseits durch die Erhaltung vieler Zuchtprogramme für verschiedene Kulturarten mit unterschiedlichen genetischen Pools. Andererseits haben wir auch andere oder ergänzende Ideen hinsichtlich der Zuchtziele. Hier wollen wir Schweiz-spezifische Anforderungen einbringen. Wie soll eine Sorte sein, damit sie in unser Land passt.
Welche Eigenschaften muss eine solche Sorte mitbringen?
Wir haben in der Züchtungsstrategie mit Kriterien festgelegt, was für Schweizer Sorten wichtig ist. Es wird immer wieder diskutiert, was in der Schweiz produziert werden soll. Konzentrieren wir uns auf Nischenprodukte oder mischen wir bei den großen ertragsreichen Sorten mit? Dieses Dilemma werden wir nie ganz lösen können. Zudem ist es so, dass einige der großen Sorten nicht so richtig in die Schweizer Landwirtschaft passen. Die Schweiz will gute Erträge mit höchster Qualität und mit wenig Umweltbelastung erzeugen. Deshalb sind die Anforderungen an die Sorten sehr hoch.
Braucht es sowohl Nische als auch Menge?
Es sollte nicht sein, dass wir einzig Spezialitäten produzieren und der Selbstversorgungsgrad kontinuierlich sinkt. Ich denke, man geht schon etwas sehr locker mit den Fragen zur Menge um. Aber während die Großen vorwiegend auf Ertrag züchten, müssen wir auch andere Komponenten ins Zentrum rücken. Ich denke an Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Hier können wir uns unterscheiden und positionieren.
"Die Schweiz macht zu wenig"
Könnten solche Sorten auch fürs Ausland interessant sein?
Diese Sorten werden wohl nicht im Mittleren Westen der USA auf tausenden von Hektaren angebaut werden. Aber es gibt durchaus Länder wie z.B. Österreich, die ähnliche Standortbedingungen wie die Schweiz aufweisen und somit ein Interesse haben können. Und die Schweizer Biogetreidezüchtung zeigt, dass Qualitätssorten, welche mit weniger Dünger gute Erträge hervorbringen, auch nach Deutschland exportiert werden können.
Suchen Sie auch für die Züchtung Partner aus dem Ausland mit ähnlichen Bedingungen?
Wir wollen Partner finden, die ähnliche Zuchtziele haben. Es ist unrealistisch zu meinen, dass die Schweiz für alle wichtigen Kulturarten eigene Zuchtprogramme etablieren kann. Dafür wäre das Geld nicht vorhanden und es wäre auch nicht sinnvoll. Also suchen wir jetzt nach geeigneten Partnern, um bestehende Lücken zu füllen.
Sie sprechen das Geld an. Kann die Züchtungsstrategie angesichts der Sparmassnahmen überhaupt realisiert werden?
Sicher stellt die Finanzierung eine Herausforderung dar. Im Moment werden in der Schweiz rund 10 Millionen Franken pro Jahr in die Pflanzenzüchtung investiert. Davon kommen 4 Millionen vom Bund, der Rest von privater Seite. Das ist relativ wenig. Deutschland zum Beispiel investiert pro Kopf rund doppelt so viel in die Züchtung. Wir sind in der Schweiz nicht führend, was die Pflanzenzüchtung angeht. Da sind einige der umliegenden Länder weiter. Einige können auch bereits auf Züchtungszentren zurückgreifen.
Die Schweiz macht also zu wenig?
Ja. Aber das ist nicht ungewöhnlich wenn es um Probleme geht, deren Auswirkungen nicht sofort spürbar sind. Vergleichen wir zum Beispiel mit dem Klimawandel. Auch da ist es schwierig, die zur Bewältigung nötigen Mittel zu erhalten. Man tendiert dazu, Problemlösungen zu verschieben, wenn keine akuten Schwierigkeiten vorliegen.
Experten verschiedener Organisationen haben 79 Kulturarten analysiert und eine Rangfolge erstellt. Die Experten kamen aus verschiedenen Organisationen entlang der Wertschöpfungskette wie Agroscope, dem FiBL, dem SBV oder dem Detailhandel und Verarbeitern. Ist es überhaupt möglich bei solch diversen Zielen zu einem Resultat zu gelangen?
Die Experten haben zuerst die für die Schweiz wichtigsten Kulturarten definiert und danach deren Züchtungsbedarf für die Schweiz festgelegt. Jede Sorte wurde an neun identischen Kriterien gemessen, welche zuvor von den Experten und der Projektoberleitung festgelegt wurden, z.B. Versorgungssicherheit, Ökosystemleistung, Wertschöpfung, aber auch das in der Schweiz noch vorhandene Know-how. Wir waren alle etwas überrascht, dass die Expertenbewertungen so einheitlich ausgefallen sind. Sicher legte der Eine mal mehr Wert auf ein einzelnes Kriterium als der Andere. Aber in der Schlussbewertung hat sich dies ausgeglichen.
Wurde auch etwas in Frage gestellt, was bisher gemacht wird?
Interessanterweise finden sich praktisch alle in der Schweiz noch gezüchteten Arten weit vorne in der Rangliste. Wir haben aber noch nicht entschieden, was wo gezüchtet werden soll. Doppelspurigkeiten müssen in jedem Fall vermieden werden. Für solche haben wir wirklich keine Ressourcen. Es geht derzeit darum zu schauen, wie groß die Zuchtprogramme sein sollen und wer sie schließlich durchführt. Es gilt zu betonen, dass sich dieser Züchtungsbedarf auf die Aufgaben des Bundes beschränkt. Es geht darum festzulegen, wo der Bund die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für die Züchtung einsetzt.
Das Zentrum für Pflanzenzüchtung soll ein großes Netzwerk sein, in dem alle Akteure integriert sind und das vom Bund koordiniert wird?
Genau. Wir haben festgestellt, dass es für kleine Züchter schwierig ist, an die Technologien und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse heranzukommen. Kleine Betriebe haben keine großen Forschungsabteilungen und auch kaum Zeit, sich um die neuesten Entwicklungen zu kümmern. Und genau da liegt das Problem. Wir können solchen Betrieben helfen, effizienter zu arbeiten.
"Züchtung ist einer der wichtigsten Hebel für das Meistern der künftigen Herausforderungen"
Wieso ist Ihnen die Pflanzenzüchtung ein Anliegen? Ich bin überzeugt, dass die Züchtung einer der wichtigsten Hebel für das Meistern künftiger Herausforderungen ist. Denken wir nur an die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung oder ganz allgemein an den Erhalt der Ökosystemleistungen.
Inwiefern ist die Züchtung für die Ernährungssicherheit so wichtig?
Ich spüre fast täglich den Druck und die Abneigung gegen den Einsatz von Hilfsmitteln in der Landwirtschaft, z.B. Pflanzenschutzmittel. Schaut man sich aber ein Feld an, auf welchem keine Pflanzenschutzmittel ausgebracht wurden, bleibt nicht sehr viel übrig. Wir sind überzeugt, dass die Züchtung noch enorm viel Potenzal aufweist im Bereich von resistenteren oder genügsameren Sorten. Auch können Pflanzen mittels Züchtung robuster gegen Hitze, Trockenheit oder starke Belastung durch ungünstige Witterungsbedingungen gemacht werden. Es gibt unzählige Herausforderungen, auf die die Pflanzenzucht eine Antwort geben kann.
Wie sieht es im Bio-Bereich aus. Wird die Bio-Züchtung auch gestärkt?
Auf jeden Fall. Wenn Bio-Züchter schneller und effizienter zum Punkt kommen, wo sie nachfolgend ihre eigenen Label-spezifischen Anforderungen ansetzen können, haben wir schon einen Mehrwert generiert. Kürzlich habe ich mit Hans Oppliger (Anm. d. R.: Geschäftsführer Verein Rheintaler Ribelmais) gesprochen. Er muss für die Verbesserungszucht die Eigenschaften aller seiner vielfältigen Ribelmais-Herkünfte und -Zuchtlinien besser kennen. Zu diesem Zweck kann man heute von jeder Zuchtlinie eine "Genkarte" erstellen lassen. Dies nennt man "sequenzieren". Kennt man das Genom können Kreuzungen gezielter getätigt und Resistenzen schneller ausgelesen werden. Dazu musste Oppliger aber zur Universität Hohenheim in Deutschland. Sehen sie, ein Hans Oppliger und der Ribelmais sind meilenweit von GVO entfernt und dennoch benötigt er solche Technologien. Das zeigt doch, dass wir ein Züchtungszentrum auch in der Schweiz brauchen und sogar Akteure, an welche wir zu Beginn nicht gedacht haben, auf ein solches warten.
"Bei den Grundlagen müssen wir keinen Unterschied zwischen Bio und konventionell machen"
Konventionell und Bio ist kein Gegensatz?
Bei den Grundlagen muss man keinen Unterschied machen. Erst danach differenziert man sich mit zusätzlichen Kriterien. Es kann durchaus sein, dass danach die konventionelle Züchtung sagt, wir wollen den Ertrag stärker gewichten. Dafür setzt Bio bereits in der Züchtung mehr auf die Symbiose zwischen Pflanzenwurzel und Bodenmikroorganismen oder züchtet für den Mischanbau. Auch dem Biolandbau nützt eine exakte Kenntnis des Genoms, aber man möchte es nicht mit Gentechnik verändern. Wir haben hier eine große Überlappung der Interessen und können die Effizienz steigern. Es wäre dumm, uns hier auseinanderdividieren zu lassen und die Herausforderungen nicht gemeinsam anzugehen.
Ist es legitim, mehr Gelder für die Bio-Forschung zu fordern?
Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeits-Forschung ist legitim. Diese Forschung müssen wir pushen. Ich glaube aber nicht, dass es richtig ist, ethisch-moralische Ziele, die nicht in der ganzen Gesellschaft verankert sind, mit öffentlichen Geldern breit zu unterstützen. Weshalb soll man zum Beispiel öffentliche Gelder investieren, um explizit nicht für den Hors-Sol Anbau zu züchten, obwohl man damit heute sehr nachhaltig und mit hoher Qualität produzieren kann? Eine solche Einschränkung wollen wir bewusst nicht machen.
"Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeits-Forschung ist legitim"
Wir würden Chancen verpassen, wenn wir solche Entwicklungen ausschließen würden. Dazu zwingen darf und soll man aber ebenso wenig. Jeder soll von der zur Verfügung gestellten Unterstützung so viel nehmen wie er will - und den Rest lässt er bleiben. Aber noch einmal, bei der Züchtung auf Nachhaltigkeit haben wir sehr viele gemeinsame Interessen. Agroscope, die ETH und das FiBL waren in allen Arbeitsgruppen gemeinsam vertreten und haben sich sehr aktiv und konstruktiv eingebracht.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem FiBL?
Je länger wir zusammenarbeiten, desto weniger Diskrepanzen gibt es. Urs Niggli leistet eine sehr gute Arbeit und hat die wissenschaftliche Realität nie aus den Augen verloren. Das FiBL hat seine Züchtungsgruppe gestärkt und wir sind da sehr schnell übereingekommen, dass es keine Doppelspurigkeiten geben darf. Die private Biozüchtung, welche sich in der Schweiz in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, ist doch eine Erfolgsgeschichte. Zusammen mit dem FiBL wollen wir diese durch Forschung weiter stärken. Dank einem größeren Forschungsprojekt des BLW konnte sich das FiBL zusammen mit verschiedenen praktischen Züchtern an großen Biozüchtungsprojekten der EU erfolgreich beteiligen. Gerade weil die Zusammenarbeit zwischen Forschern, Züchtern und Saatgutproduzenten im Biobereich so eng ist, entstehen neue Modelle der Partizipation. Davon können alle lernen.
Zur neuen Strategie gehört auch das Zentrum für Pflanzenzüchtung. Was stellen Sie sich darunter vor?
Wir haben dafür einen Business Plan erstellt. Es ist ein kleines Zentrum, das mit 6 Leuten starten soll. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass wir die Mittel für ein großes, eigenes Zentrum erhalten werden. Wir brauchen im ersten Jahr 1,9 Millionen, danach liegen die Betriebskosten bei rund 1,5 Mio. pro Jahr. Das Zentrum soll an eine bestehende, in der Züchtung tätige Infrastruktur, angegliedert werden. Derzeit sind wir ganz konkret auf Geldsuche und am Analysieren der besten Angliederung.
"Wir leben in einer technologie-feindlichen Gesellschaft"
Das Zentrum ist das operative Herz der Strategie?
Ja. Und dafür hätten wir gerne die Finanzierung sichergestellt.
Wann wird das Zentrum eröffnet?
Wenn das Finanzielle geklärt ist. Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Form der Stiftung sehr wahrscheinlich die klügste Variante wäre.
Pflanzenschutzmittel sind immer umstrittener, der Klimawandel sorgt für Trockenheit und Hitze. Wäre Gentechnik keine Option für die Schweizer Landwirtschaft?
Wir haben GVO in unserer Züchtungsstrategie nicht angesprochen, weil sie Label- und technologieunabhängig sein soll. Abgesehen von der Strategie sieht aber das BLW seit langem auch Chancen in der Nutzung gentechnologischer Methoden.
"Gentechnik ist kein Tabu"
Sie ist also kein Tabu? Nein, wobei wir uns des Moratoriums natürlich bewusst sind. Das BLW hat eine Kosten-/Nutzenanalyse bezüglich GVO publiziert. Wir kommen zum Schluss, dass besonders im ökologischen Bereich Gewinne erzielt werden könnten, jedoch nicht im ökonomischen Bereich. Ein positives Kosten/Nutzen-Verhältnis ist heute nicht gegeben. Das wird sich ändern, wenn die Konsumenten umdenken.
Wenn der Konsument also nicht negativ eingestellt wäre, würde es sich lohnen?
Wenn die Konsumentinnen und Konsumenten die Produkte kaufen würden, würde es auch ökonomisch stimmen. Bisher werden die Chancen und der Nutzen der Technologie noch wenig wahrgenommen.
Wieso werden in der Land- und Ernährungswirtschaft gewisse Technologien wie Gentechnik so kritisiert, während sie z.B. in der Pharmazie gang und gäbe sind?
Eine schwierige Frage. Ich verstehe und akzeptiere, dass man der Gentechnik mit einem gewissen Respekt begegnet. Dass man damit aber eine Angstkultur zelebriert, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist eine Tatsache, dass die große Mehrheit von wissenschaftlichen Publikationen der Gentechnologie und ihren Produkten kein größeres Risiko beimisst als herkömmlichen Züchtungsmethoden und deren Produkten. Trotzdem wird in der Öffentlichkeit fast immer nur von der verschwindend kleinen Anzahl von Veröffentlichungen gesprochen, die GVO mit nicht vertretbaren Risiken verbinden. Erfreulicherweise wird heute aber doch etwas weniger mit Argumenten zu einer möglichen Gefährdung debattiert. Verstärkt werden ökonomische Gründe gegen die Gentechnologie verwendet. Diese gründen wie oben erwähnt auf einem Konsumverhalten, das sich sehr schnell ändern kann.
"Ich kann nicht nachvollziehen, dass man eine Angstkultur zelebriert"
Diese Ängste werden also bewirtschaftet?
Es ist richtig vorsichtig zu sein, insbesondere wenn es um das Erbgut geht. Auch Kritiker sind wichtig, sie zwingen nochmals ganz genau hinzuschauen. Aber wenn über Jahrzehnte nur blockiert wird, vergeben wir Chancen. Die Schweiz ist nicht bekannt für ihre Rohstoffe, sondern für ihr Innovationspotential, das sie in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle spielen lässt. Die Schweiz könnte auch in der Landwirtschaft, in der Entwicklung von Produktionssystemen, in der Förderung der Nachhaltigkeit Vorreiter werden. Schade, wenn diese Entwicklungen erschwert oder verunmöglicht werden.
Und wieso diese Abneigung? Wir leben in einer technologie-feindlichen Gesellschaft. Aber wenn ich mich in der Stadt umsehe, haben alle Smartphones. Wo sehen Sie da die Technologie-Feindlichkeit?
Ja, das stimmt. Bei elektronischen Geräten wie Handys stellen wir uns ja fast freiwillig als Versuchskaninchen zur Verfügung. Beim Essen aber scheinen wir sehr traditionell zu denken. Weil es durch den Magen geht? Wir scheinen zu verkennen, dass die Bereitstellung von genügend und gesunden Lebensmitteln eine große Leistung und Herausforderung darstellt und vermehrt auf neuste Technologien angewiesen sein wird. Das bemerke ich oft in den Pflanzenschutzmittel-Diskussionen. Der für die Produktion von sicheren Lebensmitteln notwendige Schutz der Kulturen wird kaum diskutiert. Ganz ohne Hilfsmittel ist dies heute nicht möglich. Noch werden sie gebraucht um neun Milliarden Menschen zu ernähren.
"Ich frage mich, welchen Wert unsere Gesellschaft den Lebensmitteln noch beimisst?"
Ich frage mich manchmal, welchen Wert unsere Gesellschaft den Lebensmitteln und ihrer Produktion noch beimisst. Sogar toxikologisch unbedenkliche Verunreinigungen aus der Landwirtschaft werden stark kritisiert und nicht akzeptiert. Ich habe den Eindruck, dass die Spuren, welche die Landwirtschaft mit ihrer Produktion von Lebensmitteln in der Umwelt hinterlässt stärker im Fokus stehen als die Spuren, die andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche hinterlassen. Ich frage mich warum?
Was müsste geschehen, damit sich das ändert? Eine Verknappung?
Zwei Ereignisse haben mich in den letzten 10 Jahren stark beeindruckt. Erstens die Finanzkrise 2008. Man sah da Bilder, die zeigten, dass sich sogar in Europa gewisse Menschen kaum mehr genügend Lebensmittel leisten konnten. Und dann 2011 die EHEC-Epidemie. Es starben in Europa Menschen an vermeintlich gesunden Lebensmitteln. Beides ist beinahe in Vergessenheit geraten. Die Ereignisse scheinen nicht wirklich zu einer größeren Wertschätzung geführt zu haben. Ich wünsche mir, dass wir die Fähigkeit zurückgewinnen, mit einer Gesamtsicht an die vorhersehbaren Herausforderungen der Zukunft heranzugehen und uns von der Fixierung auf visionäre Einzelziele zu lösen. Die Pflanzenzüchtung kann auf viele dieser wichtigen Fragen Antworten liefern, aber sicher nicht auf alle. (lid.ch)
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