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Schweiz: Agrarbericht 2025 vorgestellt
Der diese Woche veröffentlichte Agrarbericht 2025 zeigt, wo die Landwirtschaft 2024 besonders gefordert war – und wo sie aber auch robuster dasteht, als es die Erntestatistiken vermuten lassen.
Ein Ausnahmejahr im Pflanzenbau – und warum die Risiken strukturell wachsen
2024 war für den Pflanzenbau eines der schwierigsten Jahre seit Langem. Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), spricht von einem "nassen, kühlen Jahr", das vielerorts Erntearbeiten erschwerte, die Böden längere Zeit unbefahrbar machte und den Krankheitsdruck massiv erhöht hatte.
Besonders betroffen war das Verarbeitungsgemüse, dessen Produktionsmenge rund 17% unter dem Durchschnitt der vorangegangenen vier Jahre lag. Auch die Kartoffelernte fiel schwach aus: Mit 370.000 Tonnen wurde der Referenzwert von 400’000 Tonnen klar verfehlt. Und auch im Saatkartoffelsegment tat sich ein Engpass auf: Hier waren die Volumen im Jahr 2024 stark zurückgegangen, weshalb der Bundesrat die Beiträge für Pflanzkartoffeln erhöht hat – aus Sicht von Christian Hofer ein «wichtiger Entscheid für die Ernährungssicherheit».
Noch deutlicher wurden die Folgen der Witterung im Rebbau. 2024 brachte die zweitgeringste Weinernte seit 50 Jahren. Frost, Mehltau und wiederholte Regenperioden reduzierten die Erträge drastisch. Gleichzeitig kämpft die Branche aber auch mit einem strukturellen Problem: Der Weinkonsum in der Schweiz sinkt und hat Schweizer Wein innert weniger Jahre 10% Marktanteil gekostet. Derzeit liegt er bei nur noch 35,5%.
Engpass Pflanzenschutz wird zur strategischen Gefahr
Christian Hofer weist zudem auf einen Aspekt hin, der im Agrarbericht nur indirekt anklingt: Der Schutz der Kulturen werde zunehmend schwieriger, weil wichtige Wirkstoffe fehlen. Die Anzahl Fälle, in denen ohne Notfallzulassungen überhaupt kein wirksamer Schutz mehr möglich ist, habe "deutlich zugenommen". 2024 war dies bei mehreren Kulturen sichtbar. Eine neue Strategie für den nachhaltigen Schutz der Kulturen soll deshalb Anfang 2026 vorliegen.
Erschwerend kamen und kommen immer neue Schädlinge hinzu oder in der Ostschweiz auch Probleme durch PFAS-Kontaminationen, die durch eine Verkettung von Einsatzgebieten außerhalb der Landwirtschaft mit zu Düngezwecken eingesetztem Klärschlamm schließlich auf unsere Felder gelangten und lokal die Böden vergiftet haben. Da sie in der Umwelt praktisch nicht abbaubar sind, werden sie auch als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet. "Wenn der Boden einmal kontaminiert ist, ist es wie mit Milch im Kaffee", so Christian Hofer – "kaum mehr zu entfernen". Das BLW arbeite mit Kantonen an Lösungen, um soziale Härtefälle für Bauernfamilien zu verhindern.
Strukturwandel: Gesund oder zu schnell?
2024 lag der Strukturwandel bei –1,3% im Jahr. Laut Christian Hofer sei entscheidend, das Veränderungen "über Generationen" passieren und Betriebe nicht durch politischen oder ökonomischen Druck gezwungen seien, aufzugeben. "Mein Grundsatz ist, das ein Strukturwandel, wenn er stattfindet, sozialverträglich stattfinden muss", sagt Christian Hofer. Es zeige sich, das Flächen von Betrieben, die nicht weitergeführt würden, meist von Nachbarbetrieben übernommen würden oder das Betriebe, die aufgeteilt würden, einem anderen Betrieb in der Nähe eine Perspektive gäben, um zu wachsen, was grundsätzlich eine positive Entwicklung sei.
Die Strukturentwicklung solle so geschehen, das sich erfolgreiche Betriebe am Markt etablieren können. "Es sind nicht ausschließlich kleine Betriebe, die aufgeben, sondern es ist etwas durchzogen – das zeigt auch, das kleinere Betriebe erfolgreich sein können", erläutert Christian Hofer.
Mehr Frauen in der Betriebsleitung: Echte Entwicklung oder Statistikproblem?
Der Anteil an weiblichen Betriebsleitenden lag 2024 erstmals bei 7,7%. Auf Fragen nach möglichen "Statistikeffekten» wie beispielsweise der Übertragung des Betriebs auf die Ehefrau, wenn der Mann pensionsreif wird, sich an der Betriebsleitung vor Ort per se aber nichts ändert, reagiert Christian Hofer mit Klarheit: Das könne durchaus vorkommen, erkläre den Trend aber nicht. Viel relevanter sei, das "in landwirtschaftlichen Schulen heute markant mehr Frauen ausgebildet werden als noch vor 20 Jahren".
Der Agrarbericht zeigt zudem auch, das parallel zum zunehmenden Anteil von Frauen an der Betriebsleitung auch die Vollzeitbeschäftigung von Frauen zunahm, während jene der Männer leicht abnahm. Die soziale Struktur der Landwirtschaft verändert sich damit spürbar.
Lebensqualität: Ein positiver Trend trotz schwieriger Rahmenbedingungen
Eine der überraschendsten Botschaften des Agrarberichts ist die deutlich gestiegene Lebenszufriedenheit in Bauernfamilien: Die befragten Bauernfamilien schätzten ihre Lebensqualität 2024 höher ein als noch vier Jahre zuvor. Bei der Frage, warum dies so ist, bleibt Christian Hofer vorsichtig: Die Befragung zeige zwar klare Verbesserungen in fast allen Bereichen – insbesondere bei Wertschätzung, Selbstständigkeit und Naturverbundenheit. Aber das BLW könne "den exakten Grund nicht benennen". Gleichzeitig stellten aber Vorschriften und politische Unsicherheit weiterhin Belastungen für die Bauernfamilien dar.
Interessant ist der Kontrast zur öffentlichen Kommunikation mancher landwirtschaftlichen Organisationen, die stark auf Belastungen fokussiert. Christian Hofer interpretiert den Trend darum so: "Die positiven Aspekte des Berufs scheinen heute wieder stärker zu tragen."
Handelsbilanz auf historischem Tiefstand – aber nach wie vor stabile Unterstützung durch den Bund
Beim Agraraußenhandel zeigt der Bericht ein ambivalentes Bild. Die Schweiz exportierte 2024 so viele landwirtschaftliche Produkte wie noch nie, gleichzeitig stiegen die Importe noch stärker. Dadurch rutschte die Agrarhandelsbilanz auf ein historisches Tief: –4,8 Mrd. Franken. Besonders unter Druck steht die pflanzliche Produktion, die im Inland wetterbedingt schwächer ausfiel und somit Importbedarf verursachte.
Derweil investierte der Bund letztes Jahr 3,67 Mrd. Franken in Landwirtschaft und Ernährung, davon rund 2,8 Mrd. in Direktzahlungen. Die Beiträge für Produktionssysteme und Landschaftsleistungen wurden am stärksten beansprucht, während die übrigen Ausgaben im Rahmen blieben.
Biodiversität: Qualität statt Fläche
Das Biodiversitätsmonitoring zeigt laut Christian Hofer erfreuliche Entwicklungen: Besonders in der Talzone stieg der Anteil an hochwertigen Biodiversitätsflächen der Kategorie QII. Im Berggebiet blieb die Biodiversität insgesamt aber höher, bedingt auch durch die topografisch begründete weniger intensive Bewirtschaftung. Der Fokus verschiebt sich damit immer stärker von der Quantität zur Qualität der Flächen.
Insgesamt zeigt sich, das die Schweiz per 2024 zwar deutlich mehr ökologisch bewirtschaftete Flächen aufweist und weniger Mineraldünger einsetzt, die Umweltbelastung durch Stickstoff und Bodenbeanspruchung aber weiterhin hoch bleibt. Außerdem werden mit Resultaten des Monitorings des Agrarumweltsystems Schweiz (MAUS) auch der Konkurrenzdruck zwischen Futter- und Lebensmittelproduktion sichtbar: In vielen Regionen wird ein großer Teil der Ackerflächen für Futtermittel genutzt.
Gesellschaft und Wahrnehmung: Die Realität zeigen
Der Agrarbericht zeigt auch eine Diskrepanz bei der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Schweiz: Die Bevölkerung hat oft ein romantisiertes Bild der Landwirtschaft, das mit der Realität moderner Betriebe kollidiert – unter anderem auch unterstützt durch entsprechende Werbekampagnen des Detailhandels, wie Christian Hofer anmerkt.
Außerdem wurden pflanzenbauliche Betriebe bei den Befragten positiver wahrgenommen als Betriebe mit Tierhaltung. Christian Hofer sieht die Verantwortung, ein realitätsnäheres Bild der Landwirtschaft zu zeigen, hier aber primär bei der Branche: Aktionen wie "Schule auf dem Bauernhof" oder offene Stalltüren seien wichtige Instrumente, um Erwartungen und Realität näherzubringen.

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