Trockenstress: SOS-Signal von Pflanzen entschlüsselt

Ein Peptidhormon steuert den vorzeitigen Abwurf von Blüten und Früchten: Das Team der Universität Hohenheim entdeckt einen neuartigen Signalweg.

Wenn die Pflanze unter Stress steht, insbesondere bei Trockenheit, kann es sinnvoll sein, Blüten und Blätter vorzeitig abzuwerfen. Bild: GABOT.

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Lange Trockenphasen und Dürren werden im Zuge des Klimawandels weiter zunehmen und können zu erheblichen Ernteeinbußen führen. Viele Kulturpflanzen, darunter Obstbäume, Baumwolle oder Sojabohne, reagieren bei Anzeichen von Trockenstress mit einem vorzeitigen Abwurf von Blüten und unreifen Früchten, um keine Energie für die Ausbildung von Früchten zu vergeuden, die später nicht mehr ernährt werden können. Welcher molekulare Steuerungsmechanismus dafür verantwortlich ist, haben Biologen der Universität Hohenheim in Stuttgart nun aufklärt. Ihre Ergebnisse präsentieren die beteiligten Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Science.

Früchte oder Blätter abzuwerfen, ist für Pflanzen ein lebenswichtiger Vorgang, der hilft Samen zu verbreiten oder im Winter vor dem Austrocknen schützt. Wie der Abwurf von Pflanzenorganen unter normalen Bedingungen ausgelöst wird, ist bereits gut untersucht. Gesteuert wird der Prozess in der sogenannten Abszissionszone, einem Trenngewebe am Stielansatz, dessen Aktivität von Pflanzenhormonen reguliert wird. Während der normalen Fruchtentwicklung sorgt das wachstumsfördernde Auxin dafür, dass die Abszissionszone inaktiv bleibt, bei Fruchtreife oder wenn es im Herbst zum Laubfall kommt, wird sie durch das Hormon Ethylen aktiviert.

Doch wenn die Pflanze unter Stress steht, insbesondere bei Trockenheit, kann es sinnvoll sein, Blüten und Blätter vorzeitig abzuwerfen: „Die Pflanze ist bestrebt, nur so viele Früchte auszubilden wie sie auch ernähren kann. Wer einen Apfelbaum hat, kennt das Phänomen aus dem eigenen Garten: Im Juni fallen oft viele kleine Äpfel herunter. Nur die Verbleibenden reifen zu vollen, schönen Früchte heran“, so Prof. Dr. Andreas Schaller, Leiter des Fachgebiets Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Hohenheim.

Wie genau der vorzeitige Abwurf auf molekularer Ebene gesteuert wird, stellte für Wissenschaftler bislang jedoch ein Rätsel dar. Am Beispiel der Tomatenpflanze ist es dem Biologen-Team um Prof. Dr. Andreas Schaller, Dr. Annick Stintzi und Dr. Sven Reichardt nun mit Hilfe des Biostatistikers Prof. Dr. Hans-Peter Piepho gelungen, dem zugrundeliegenden Mechanismus auf die Spur zu kommen: Verantwortlich ist das Peptidhormon Phytosulfokin (PSK), das bislang nur für seine wachstumsfördernden und immunmodulierenden Aktivitäten bekannt war.

Peptidhormone unterscheiden sich grundlegend von den klassischen Pflanzenhormonen, wie Auxin oder Ethylen, die bereits gut erforscht sind. Peptidhormone werden zunächst als inaktive Vorstufen gebildet und müssen erst durch Enzyme aktiviert werden, bevor sie ihre steuernde Wirkung ausüben können. Die Enzyme schneiden das Peptid sozusagen passend zurecht, damit es auf den zugehörigen Rezeptor passt.

„Unsere Versuche haben gezeigt, dass die Aktivierung durch das Enzym Phytaspase 2 erfolgt, das die Vorstufe von Phytosulfokin ganz spezifisch spaltet und damit das Peptidhormon freisetzt. Das so aktivierte Peptid bewirkt im Ansatz des Blütenstiels dann eine Auflösung der Zellwände und damit den Abwurf der Blüten“, erklärt Prof. Dr. Schaller.

Stressfaktoren wie Trockenheit haben einen Einfluss auf die Expression des Gens, welches für die Bildung des Enzyms Phytaspase 2 verantwortlich ist: „In unseren Versuchen konnten wir zeigen, dass eine Aktivierung dieses Gens den Prozess in Gang setzt. Das Peptidhormon wird gebildet und das führt zu einem verstärkten Abwurf der Blüten, wohingegen ein Ausschalten des Gens den Abwurf verhinderte“, fasst der Pflanzenbiologe zusammen. (Uni-Hohenheim)

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