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Schweiz: Pilze wollen mehr Sichtbarkeit
Denn die Produzenten stehen unter Druck: Hohe Importmengen, steigende Kosten und fehlende agrarpolitische Unterstützung erschweren den Alltag.
Pilze zählen zur landwirtschaftlichen Urproduktion, doch in der Agrarpolitik spielen sie kaum eine Rolle. "Wir haben keinen Grenzschutz, keine Direktzahlungen und nur sehr bescheidene Beiträge für die Absatzförderung", erklärt Nicole Badertscher, Geschäftsführerin des Verbands Schweizer Pilzproduzenten.
Ein vergessenes Standbein der Landwirtschaft
Dabei tragen die Pilzbetriebe sehr wohl zu den Zielen der Schweizer Landwirtschaft bei: Sie produzieren ressourcenschonend, setzen auf Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien und liefern ganzjährig ein pflanzliches, proteinreiches Lebensmittel – ganz ohne Pflanzenschutzmittel. Trotzdem werde die Branche "politisch immer wieder vergessen", wie Nicole Badertscher betont.
Politik erkennt Potential – doch Unterstützung bleibt schwierig
Mitte-Ständerat Erich Ettlin aus dem Kanton Obwalden bestätigt diesen Widerspruch: "Die Pilzproduktion passt perfekt zu den agrarpolitischen Zielen: Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Ernährungssicherheit und eine pflanzenbasierte Ernährung." Dennoch sei es schwierig, für Pilze direkte Beiträge oder gar einen Grenzschutz einzuführen, da diese Instrumente im politischen Umfeld wenig Rückhalt hätten. Erich Ettlin will sich im Rahmen der Agrarpolitik 2030+ aber dafür einsetzen, das zumindest mehr Mittel für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellt werden – um die Sichtbarkeit der Pilze zu erhöhen und ihre Vorteile im Ernährungsalltag bekannter zu machen.
Wie wachsen Schweizer Pilze?
Jährlich werden in der Schweiz rund 7.000 Tonnen Champignons produziert. Sie wachsen auf Substraten aus Stroh, Pferde- und Hühnerdung, durchzogen vom Myzel. In klimatisierten Räumen reifen die Pilze in 15 bis 17 Tagen und werden von Hand geerntet.
Rund 300 Tonnen Kräuterseitlinge, Austernseitlinge oder Shiitake werden in der Schweiz produziert. Das Substrat der Edelpilze besteht aus Holz, Getreidespelzen und weiteren Biokomponenten. Nach einer Durchwachsphase von bis zu 20 Wochen fruktifizieren die Pilze unter gesteuertem Klima. Auch sie werden sorgfältig von Hand geerntet.
Chancen durch Qualität und Innovation
Für André Windlin, Leiter des Landwirtschaftsamts des Kantons Obwalden, liegt die Stärke der Schweizer Produzenten klar in der Differenzierung: "Die Schweizer Pilzproduktion hat gute Chancen – vor allem mit Qualität, Regionalität, Spezialsorten und Nachhaltigkeit."
Gerade Edelpilze wie Kräuterseitling oder Shiitake zeigen, das Inlandware bei Konsumentinnen und Konsumenten ankommt: Während Importe zurückgingen, stieg die einheimische Produktion zuletzt deutlich. Die Branche will diese positive Entwicklung nutzen und neue Zielgruppen erschließen – von gesundheitsbewussten Konsumentinnen und Konsumenten bis hin zu Kindern, die über Aktionen in Schulen angesprochen werden sollen.
Innovation als Motor
Neben Frischware für den Markt entstehen aus Pilzen und Pilzmyzel neue Geschäftsfelder. Ein Beispiel ist die Kernser Edelpilze GmbH, die seit 30 Jahren Edelpilze produziert. Geschäftsführer Christian Fanger sieht die Zukunft in der Kreislaufwirtschaft: "Der Pilz zeigt uns, was alles möglich ist – bei der Funktionalität haben wir noch lange nicht alles erfasst, was der Pilz eigentlich alles kann."
Der Betrieb entwickelt neben Pilzen für den Frischmarkt auch Substrat und Substrattechnologien für den Export und Baumaterialien auf Basis von Myzel. Damit wird die Pilzproduktion zu einem Innovationsfeld, das weit über die Lebensmittelproduktion hinausgeht – von nachhaltigen Pflanzgefäßen bis hin zu Dämmstoffen für den Bau oder Anwendungen im Snowfarming.
Sichtbarkeit steigern – Konsum ankurbeln
Noch konsumiert die Schweizer Bevölkerung pro Kopf lediglich rund 2,3 kg Pilze pro Jahr – verglichen mit 80 kg Gemüse oder 50 kg Fleisch eine kleine Zahl. Zum Vergleich: In China liegt der Konsum bei fast 30 kg .
Mit dem Tag der Pilze, verstärkter Kommunikation und neuen Marketingstrategien will die Branche das ändern. "Unser Ziel ist es, die positiven Eigenschaften und den Wert unserer Produkte deutlicher zu vermitteln und sie langfristig im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern", sagt Nicole Badertscher. Damit sollen Pilze nicht nur öfter auf den Tellern landen, sondern auch den Platz in der Politik erhalten, den sie aufgrund ihrer ökologischen und ernährungsphysiologischen Vorteile verdienen.
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