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Schweiz: Gentechnik nicht mit Biolandbau zu vereinbaren
Die Thematik Gentechnik wird aktuell von Politik und Industrie stark angeschoben – insbesondere im Hinblick auf die neuen gentechnischen Züchtungsverfahren wie beispielsweise Crispr-Cas. Produktion, Handel, Industrie sowie auch Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich mit dem Thema befassen, weil es spätestens nächstes Jahr dann auf der Agenda stehen wird. Auch die Bioszene will sich nun mit dem Thema auseinandersetzen und so diskutierten verschiedene Fachleute im Rahmen der Bio-Suisse-Delegiertenversammlung über die Vor- und Nachteile der neuen Gentechniken.
Sowohl bei den Podiumsteilnehmerinnen und Podiumsteilnehmern wie auch beim Bio-Suisse-Verband war man sich einig, dass man sich in gut drei Jahren auf eine neue Realität einstellen muss und das Gentech-Moratorium Ende 2025 fallen dürfte. Zur Debatte stehe eigentlich nur noch, wie man zwischen den alten und neuen Gentechniken unterscheide: Nimmt man diese neuen gentechnischen Züchtungsverfahren vom Gesetz aus und verbleiben nur die alten Gentechnikverfahren im eigentlichen Gentechnikgesetz?
Anlässlich der Herbst-Delegiertenversammlung in Olten lancierte Bio Suisse im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Debatte zu den neuen gentechnischen Züchtungsverfahren. Die Podiumsteilnehmerinnen und Podiumsteilnehmer:
• Eva Gelinsky, Agrarwissenschaftlerin und Ethikerin
• Olga Hänni, Biobäuerin
• Angelika Hilbeck, Umweltsystemwissenschaftlerin ETH
• Jürg Niklaus, Rechtsanwalt und Präsident von «Sorten für morgen»
• Amadeus Zschunke, Geschäftsführer Bio-Saatgutzucht Sativa
Versprechen noch nicht erfüllt
Die Idee sei ja, dass man die Risikoabschätzungen und die Zulassungsrichtlinien dahingehend auflockere, dass bestimmte Anwendungsformen herausgenommen würden, erklärte Angelika Hilbeck von der ETH Zürich. Das sei allerdings bedenklich, da diese neuen Methoden mehr versprechen würden, als sie tatsächlich liefern könnten: "Auch nach zehn Jahren seit der Entdeckung von Crispr-Cas ist von den neuen gentechnischen Züchtungsverfahren kaum etwas auf dem Markt – das müsste uns doch aufhorchen lassen", meinte die Umweltsystemwissenschaftlerin und ergänzt: "Wir können nur aus der Erfahrung mit den transgenen Organismen schöpfen und da müssen wir den Blick nur über den Atlantik werfen und dort zeigt sich: Die amerikanischen Bauern sind nicht glücklicher und haben keine bahnbrechenden Ziele erreicht, die in anderen Ländern mit anderen Methoden ohne Gentechnik nicht auch erreicht worden wären."
Portemonnaie zählt
Den Versprechungen dieser neuen Züchtungsverfahren blauäugig zu glauben, sei sowieso naiv, meinte auch Biobäuerin Olga Hänni – vor allem, wenn man bedenke aus welcher Ecke diese Versprechungen kommen würden. Die globalen Saatgutfirmen seien stark mit den größten Chemiemultis wie ChemChina, Syngenta oder Bayer verbandelt und entweder in Voll- oder Teilbesitz dieser Chemiefirmen, führte die Jungbäuerin aus und ergänzte: "Und genau diese Saatgutfirmen wollen mir nun erzählen, dass sie mithilfe von neuen Züchtungsmethoden Sorten für die Zukunft produzieren wollen, die keine Pestizide mehr nötig hätten – das ist ja lächerlich, die wollen sich ja nicht selbst abschaffen."
Grand Prix Bio Suisse
Im Rahmen der Delegiertenversammlung wurden Pascale und Jürg Strauss von "Strauss Bioagrikultur" aus Rickenbach ZH für ihr "Getreideabo" mit dem diesjährigen Grand Prix Bio Suisse geehrt. Beim Getriedeabo handle es sich um eine innovative Idee der Direktvermarktung, die mit einem Hofspaziergang durch die vielfältige Ackerkultur auf dem Betrieb verbunden werde. Die Konsumentinnen und Konsumenten würden so einen Einblick in neue Anbauformen wie Agroforst und Permakultur bekommen.
Die Jury lobte die regionale Wertschöpfung, den kleineren CO2-Abdruck und den Modellcharakter des Projekts. Das Getreideabo zeige exemplarisch, dass sich Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität erfolgreich kombinieren ließen.
Trotzdem Teil der Lösung?
Die neuen Züchtungsverfahren einfach abzutun, sei aber sicher nicht die Lösung, meinte Jürg Niklaus, Präsident des Vereins "Sorten für morgen". Die globale Landwirtschaft sehe sich Herausforderungen von fast biblischem Ausmaß gegenüber und für diese Herausforderungen brauche es eine Lösung, plädierte er als einzige Befürworterstimme des Podiums für die neue Gentechnik. Die Kriege, die Bodenverknappung, das Bevölkerungswachstum, die Wasserknappheit oder der Klimawandel seien riesige Herausforderungen, für die es einen sinnvollen Weg brauche. "Es braucht einen Weg, der mit den Risiken vernünftig umgeht, aber auch mit der Realisation, dass das Leben nicht risikofrei ist – nichts tun ist auch risikobehaftet und das gilt es in dieser Debatte zu berücksichtigen", erklärte Jürg Niklaus.
Biobranche bleibt skeptisch
Im Rahmen Podiums erklärte Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli außerdem, dass jede Diskussion, den Wissensstand erweitere und helfe, zu verstehen, worum es gehe – erst dann könne man sich eine fundierte Meinung bilden. Angesichts der Zusammenstellung der Podiumsteilnehmerinnen und Podiumsteilnehmer lagen die Ansichten zu Ende der Diskussion aber klar verteilt: Die große Mehrheit auf dem Podium sieht die neuen Techniken nicht mit den Prinzipien des Biolandbaus vereinbar und fordert, dass auch Crispr-Cas und andere neue Methoden unbedingt unter das Gentechnikgesetz fallen müssen. Angesprochen auf die etwas begrenzt geführte Diskussion erklärt Urs Brändli, dass Bio Suisse die Debatte zur Gentechnik in der Schweiz an der Delegiertenversammlung aus Sicht Bio lanciert habe: "Dabei wurde bewusst ein informativer und kein diskursiver Ansatz gewählt." Die Diskussion solle nun bis in den Frühling in den Mitgliedorganisationen und Gremien auch weiter fortgesetzt werden.
Herbst-DV von Bio Suisse
In den statuarischen Geschäften beschlossen die Bio-Suisse-Delegierten, die Rückverdünnung von Apfelsaftkonzentrat zur Essigproduktion zuzulassen und verabschiedete das Budget 2023.
Rückverdünnung von Apfelsaftkonzentrat erlaubt
Angesichts der zunehmenden Bio-Mostobstproduktion stellten verschiedene Mitgliedorganisationen den Antrag, die Rückverdünnung von Apfelsaftkonzentrat für die Essigproduktion zuzulassen. Mit diesem Schritt ließen sich Ernteschwankungen leichter ausgleichen, da Mostobstkonzentrat leichter lagerbar sei. Daneben ließen sich damit außerdem Apfelweinimporte zur Essigherstellung vermeiden und ökologisch wertvolle Hochstammbäume erhalten. Die Delegierten folgten den Argumenten der Befürworter und dem Antrag des Vorstands und nahmen ihn mit großer Mehrheit an.
Lebendige Budget-Debatte
Zuvor hatten die Delegierten schon das Budget für 2023 angenommen. Trotz stabiler Nachfrage für Bio-Lebensmittel blickt der Verband einem finanziell schwierigen Jahr entgegen: Hauptgrund dafür ist der verzögerte Markteintritt von Migros mit der Bio-Suisse-Knospe. "Die operative Umsetzung hat sich als herausfordernd entpuppt", erklärt Urs Brändli auf Nachfrage. Die erwarteten Lizenzeinnahmen würden darum auch später fließen. Weil gleichzeitig für die Lizenzierung der Produkte auf der Geschäftsstelle schon Aufwand entstehe, würden die Ausgaben steigen.
Das ein Sparbudget nötig wurde, rief bei den Delegierten entsprechende Reaktionen hervor: Man solle doch Lizenznehmern nicht immer den roten Teppich ausrollen, war zu hören oder dass sich Bio Suisse auf Verbandsebene um mehr Effizienz bemühen soll. Die Lizenzeinnahmen seien zwar ein wesentlicher Teil der Einnahmen, daneben führten aber auch der Krieg, die steigenden Energiekosten und die zunehmende Inflation zu einem Rückgang im Konsumverhalten, was sich ebenfalls im Budget niederschlage, meint Urs Brändli. Und auf Verbandsebene sei Bio Suisse effizient aufgestellt. "Der Personalbestand wird konstant gehalten, weil die Arbeitsauslastung weiterhin hoch ist – Sparmaßnahmen wurden aber in allen Abteilungen eingeleitet", erklärt der Bio-Suisse-Präsident. Ein großer Anteil davon entfalle auf Marketing und Kommunikation, wo beispielsweise Ausgaben für TV-Spots eingespart würden. (lid)
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