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Schweiz: Corona und die Landwirtschaft
Jahr für Jahr arbeiten in der europäischen Landwirtschaft zahlreiche Erntehelferinnen und -helfer. Viele von ihnen kommen aus Osteuropa. Die Bäuerinnen und Bauern fürchten, dass sie dieses Jahr nicht genügend Hilfe haben werden. Sei es wegen geschlossener Grenzen oder der Furcht vor dem Virus. Besonders betroffen wären stark saisonale Produkte wie Spargeln oder Erdbeeren.
„Wir schätzen es aktuell als unsere größte Herausforderung ein, die Arbeitskräfteversorgung zu sichern“, sagt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV). Für den Verband stehen derzeit zwei Handlungsachsen im Vordergrund. Einerseits wolle der SBV sicherstellen, dass ausländische Arbeitskräfte, die kommen wollen und ausreisen dürfen, überhaupt in die Schweiz gelassen werden, sagt Helfenstein. „Andererseits prüfen wir Alternativen über die inländische Bevölkerung, die zum Teil ihrer eigentlichen Arbeit aktuell nicht mehr nachgehen kann.“
Während acht Tagen (ab 19. März 2020) herrscht eine Spezialregelung für die Landwirtschaft: Ausländische Arbeitskräfte dürfen während dieser Zeitdauer auch dann einreisen, wenn sie nur einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der SBV ruft Betriebe, die in den nächsten Tagen und Wochen Arbeitnehmende erwarten, dazu auf, sofort eine Bewilligung im Meldeverfahren zu erfassen. Nur so können auch nach Ablauf der Spezialregel die Arbeiterinnen und Arbeiter einreisen.
"Müssen mit großer Wein-Krise rechnen"
"Die Corona-Krise bereitet uns derzeit große Sorgen", sagt Robin Haug vom Branchenverband Deutschschweizer Wein (BDW). Der bereits vor der Krise angespannte Weinmarkt werde sich extrem zuspitzen. Kurzarbeit helfe den Produzenten wenig, denn schließlich müsse die Arbeit im Rebberg und im Keller verrichtet werden, sagt er. Lediglich Angestellte im Außendienst und der Zulieferungskette könnten von der Kurzarbeit profitieren. „Mit der Schließung der Restaurants und Bars sowie der Streichung der Tage der Offenen Weinkeller müssen wir mit einer großen Weinkrise rechnen“, so Haug. Die Tage der Offenen Weinkeller generieren für die rund 230 teilnehmenden Deutschschweizer Betriebe jeweils Anteile am Jahresumsatz von bis zu 15%. Weinbauern müssten mit kreativen Maßnahmen wie z.B. Gratislieferungen versuchen der Krise entgegenzuwirken, rät Haug.
Hohe Nachfrage in Hofläden
Gut läuft es derzeit für die Hofläden der Schweizer Bäuerinnen und Bauern. Ihre Produkte sind gefragt. „Wir verkaufen derzeit deutlich mehr Eier, Karotten und Äpfel“, sagt Aline Gerber vom Hof am Stutz im bernischen Kaufdorf. Sie hat festgestellt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten vor allem auf Produkte zurückgreifen, die länger haltbar sind. Das zeigt sich auch im Gemeinschaftsladen Gmüesgarage in Wabern, wo unter anderem Tiefkühlfleisch aktuell begehrt ist.
Gerber geht davon aus, dass die Kundinnen und Kunden derzeit lieber kleine Läden und Selbstbedienungsläden aufsuchen, um die Ansteckungsgefahr gering zu halten.
Für den Hof am Stutz ist die höhere Nachfrage nach Eiern derzeit sehr willkommen, denn die Verkäufe in die Gastronomie fallen wegen der Maßnahmen des Bundes weg. „Es wird sich nächste Woche zeigen, ob das jetzt zu Beginn der Restriktionen ein Peak war und sich alle mit Waren eingedeckt haben oder ob sich das Hoch fortsetzt“, sagt Aline Gerber.
Marktstände leiden
Lilian Baumann führt mit ihrem Mann den Gemüsebaubetrieb Bio-Baumann in Kirchdorf BE. Sie bieten das Gemüse auf dem Wochenmarkt auf dem Berner Bundesplatz an, der nun wegfällt. „Wir sind zum Glück nicht nur auf den Wochenmarkt angewiesen, sondern haben einen Hofladen, der weiterhin geöffnet ist“, sagt Lilian Baumann. Zusätzlich zu Montag- und Freitagnachmittag ist der Hofladen neu auch am Samstagmorgen geöffnet.
„Die Einnahmen vom Markt können wir damit zwar nicht voll kompensieren, aber wir sind weniger schlimm dran als einige Kollegen“, sagt Baumann. Für einen Lieferdienst wäre der Aufwand zu groß. Die Kundinnen oder Kunden können Ware jedoch bestellen und dann abholen. „Schwierig ist die Situation derzeit, weil wir keinen Anhaltspunkt haben, wie viele Kunden zu uns kommen und wie viel wir entsprechend rüsten müssen. Es ist für uns ungewohnt und es zeigt sich laufend, ob wir die Strategie ändern müssen und wie wir weiterfahren werden“, so die Bio-Bäuerin. (LID)
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