Bonn: BHB-Baumarktkongress gestartet

Zeit für das "Familientreffen": Zum 26. Mal hat der Handelsverband zum BHB-Baumarktkongress eingeladen. Und die Lieblingslocation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Bonner World Conference Center im ehemaligen Bundestag, ist in diesem Jahr mehr als gut gefüllt: Insgesamt 509 Führungskräfte aus der DIY-Branche kommen derzeit unter der Silhouette des Bundesadlers zusammen.

Tag 1 des BHB-Kongresses 2025. Bild: BHB/Th. Götz.

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Der Bedarf nach Austausch ist groß: Im dritten Jahr bereits wird die dringend benötigte Trendwende wohl nicht erreicht, und die Vertreter von Handel, Industrie und Dienstleistern suchen nach gemeinsamen Synergien und Konzepten, um der Konsumvorsicht etc. wirkungsvoll zu begegnen.

Premiere für den neuen BHB-Vorstandssprecher Peter Abraham: Er schlug in seiner Rede vor den Kongressteilnehmer nachdenkliche, aber auch optimistische Töne an. In herausfordernden Zeiten benötige die Branche Werte, die er in seinem Hobby, dem Tauchen, immer vor Augen habe – Fokussierung, Konzentration auf das Ziel, unbedingte Verlässlichkeit - selbst und auf Partnerseite, keine unnötigen Risiken und ein Miteinander auf Augenhöhe. Dies griffen dann auch Finanzvorständin Susanne Jäger und BHB-Hauptgeschäftsführer und Kongressmoderator Dr. Peter Wüst auf, die in gemeinsamer Runde die versammelte Branche begrüßten: Sie appellierten, den BHB als Verband und Branchenfamilie gemeinsam zu nutzen, stark zu machen und an den unterschiedlichen Positionen mitzuarbeiten. Die Basis der Branche sei sehr gesund – und im gemeinsamen Schulterschluss könne man auch gegen Belastungen wie unnötige Regulatorik viel besser bestehen.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst grüßte per Videobotschaft: Auch er appellierte an eine für die Bürger so wichtige Branche, gegen die Standortnachteile in Deutschland entschlossen anzukämpfen.

„Radikale Zuversicht“ – ist es das, was wir gerade dringend benötigen? Tristan Horx, bekannter Zukunfts-Forscher von Future Project, ist davon überzeugt. Und obwohl es Optimisten im gerade stattfindenden Epochenwechsel der Menschheit gerade schwer haben und eine Krisen-Übermacht durchaus lähmend wirken kann, gibt es Rezepte, dies zu überwinden. Man dürfe allerdings kein naiver Optimist sein – Zukunft verlaufe nicht geradlinig. Irgendwo zwischen Utopie und Weltuntergang müsse die Gesellschaft wieder lernen, Weisheit und Rebellion zu verbinden – und nach der Turbo-Individualisierung folge der Wunsch nach dem neuen „Wir“, auf den sich in der Gesellschaft aufbauen lasse: „Zukunft entsteht, wenn Beziehungen gelingen“.

Für ein „ewiges“ Zukunftsprojekt warben dann Peter Wüst und Alain Paul von HolzConCert: Die BHB-Baumpflanzaktion, bei der viele Händler und Fördermitglieder mitmachen und Setzlinge spenden, erreicht gerade die magische Zahl von über 200.000 gepflanzten Bäumen, deren Wert als Klimasicherung kaum hoch genug einzuschätzen sei. Und es mache unheimlich Spaß – denn die BHB-Aktionen werden sehr individuell auf die Spender zugeschnitten.

Keine Lösung ohne KI

Kein Kongress ohne KI – der künstliche und machtvolle Prozess-Beschleuniger ist mittlerweile in vielen Unternehmen veritabler Bestandteil der alltäglichen Arbeit – doch jetzt stehen gewachsene KI-Landschaften vor neuen Herausforderungen. Agnes Bührmann und Jana Kasper vom Beratungsspezialisten Publicis Sapient zeigten in ihrem Vortrag eine Roadmap für die nachhaltige Digitalisierung der Branche auf, die einen geordneten „Modernisierungsturbo“ ermöglichen soll.

Hier schloss dann Prof. Dr. Arnold Weissmann nahtlos an. Er legte den Teilnehmern seine Agenda 2035 ans Herz und definierte, was erfolgreiche Unternehmen morgen können müssen. Unter anderem die Felder digitaler Transformation gilt es zu beherrschen – denn was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Hier sei es wichtig, den Menschen ein Grundvertrauen in die Technologien mitzugeben, gleichzeitig aber Werte wie Menschlichkeit hochzuhalten. Denn nur die intelligente Verbindung von Mensch, Technologie und IT sei das zentrale Werkzeug, um die zunehmend komplexeren Strukturen zu beherrschen.

Mit Innovation zu Resilienz und Differenzierung – wie Wettbewerbsvorteile im DIY-Handel neu gestaltet werden: Große Ziele für die Händler der Branche hatte auch Dr. Tim Wirtz von der Kompetenzplattform KI NRW im Gepäck. Kundennähe muss auch digital funktionieren – mit KI, Robotik und datenbasierten Programmen lasse sich dies erzeugen. Beispiele wie lokalisierte Bandenwerbung in Stadien oder ein KI-basiertes Auswahltool zur Neuwagenbestellung – mit solchen Spezifikationen ließen sich Emotionen quasi quantifizieren.

DIY 2025 – Aktuelle Trends, Wettbewerbsdynamik und Bewertung der Anbieter aus Kundensicht. Das hatten Lars Luck und Rolf Pensky von den OC&C Strategy Consultants auf der Agenda. Sie stellten den neuen Einzelhandels-Index – auch bezüglich der Online- Performance vor und identifizierten die schärfsten neuen Wettbewerber für die klassischen Anbieter. Händler müssten in Zeiten multipler Disruptionen doppelt relevant sein – als Marke und im Kaufmoment „Präferiert wird im Kopf, gekauft im Moment“. KI Agenten als Guideline sind deshalb für die DIY-Märkte im Branchenvergleich enorm relevant. Die großen Baumarktketten hätten aber besonders im stationären Einkauf noch viel Potenzial, was den Einsatz neuer Technologien angeht.

Mit Technologie Emotionen auslösen

Grundsätzlicher wurde es dann nach der Mittagspause beim Vortrag von Dr. Andreas Schobert, CTO der Hornbach Baumarkt AG. Seine „Gedankenspiel für einen Beziehungsaufbau zwischen Mensch, Prozess und Technologie“ erzählte er beginnend mit der Entwicklungsgeschichte von Hornbach nach der Grenzöffnung 1989 – von Anfang an habe man die Kunden emotional mitgenommen, z.B. die ikonische Werbung eingesetzt – aber auch schon angefangen, im Webshop die neuen Technologien zu nutzen – auf sehr unterhaltsame Weise berichtete Schobert dann über die ‚wilde Fahrt‘ der Technologieentwicklung bis hin zu den neuesten KI-Tools. An sich trockene Themen wie Robotik, autonome Fahrzeuge etc. ebenso spannend- informativ wie humorig verpackt – das Publikum nahm’s mit Begeisterung…

„Vom Regal in Herz“ – hatte der bekannte Handelsexperte Prof. Dr. Carsten Kortum seinen Vortrag betitelt. Diese emotionale Bindung soll u.a. durch eine neue Form von Loyalty- Programmen gelingen – diese müssen aber weit mehr können als Bonuspunkte sammeln – vielmehr geht es hier um passende Personalisierung , und die ist laut Kortum die Währung der Zukunft. Die Apps der großen Baumarktbetreiber sind bei den Kunden bekannt – sie nutzen oft die Coupons, sammeln Punkte – fühlen sich aber oftmals zu wenig abgeholt, sondern verwaltet. Im Trend augenblicklich auch Retail Media, das sich ebenso zum Umsatzmotor entwickeln werde – wenn es die Handelsunternehmen verstehen, mit dieser „Markenbühne“ relevante Kundenerlebnisse zu schaffen, beispielsweise mit SmartKarts, den intelligenten Einkaufswagen.

Rententhema könnte Regierung sprengen

Tag 1 auf der Zielgerade: Zunächst analysierte RTL-Politikchef Nikolaus Blome in seiner Rolle als einer der prominentesten politischen Beobachter die Performance der Regierung Merz auf den Punkt. Der Kanzler, der aktuell die Komplexität von Regierungsarbeit beschwört, bleibt weit hinter den hochgesteckten Erwartungen nach dem Ampel-Chaos zurück. Schwierige Migrationslage, Roll-Back beim Klimaschutz zugunsten der Wirtschaft, der dies allerdings nicht zum Wachstum gereicht, keine effektive Jobförderung bei drei Mio. Arbeitsplätzen vs. 1,2 Mio. offenen Stellen. Das Thema Rente habe aktuell die größte Sprengkraft – „sie könnte diese Regierung sogar zum Scheitern gebracht haben, wenn wir uns nächstes Jahr hier wiedersehen,“ orakelte Blome und spielte die Szenarien durch, die ein solches Scheitern auslösen würde...

It‘s all about Innovation – da war sich dann auch die abschließende Gesprächsrunde des Tages einig. Und die war hochkarätig besetzt: Moderiert von Dr. Peter Wüst diskutierten RTL-Politikchef Nikolaus Blome, Felix Muxel (Vorstand der Gruppe Nymphenburg Consult AG), Björn Watzlawik (VP Sales Bosch Powertools) und Toom-Baumarkt-CEO Jochen Vogel. Vor allem braucht es Veränderungsbereitschaft auf allen Seiten – allein das sei schon schwierig. Björn Watzlawik beschrieb den Blick von außen auf die deutsche Wirtschaft – zuviel Angst vor dem Scheitern einzelner Projekte, zu wenig Geschwindigkeit.

Jochen Vogel, Manager mit viel Erfahrung aus dem LEH, vermisst oftmals echte Kundenbindung: „Die Lebensmittler sind derzeit viel näher am Kunden als die DIY-Branche“. Der Druck, aber auch die Lust zur Innovation sei dort weitaus größer – und die Überlegung, die Herausforderungen der aktuellen Phase mit den Bedürfnissen der Kunden zu verknüpfen. „Würden wir denn in zehn Jahren in der jetzigen Aufstellung noch gebraucht?“, fragte er. Die Branche müsse ihre Stärken klar definieren und mit den Kundenbedürfnissen verknüpfen – und natürlich alle Daten nutzen, die man über Kunden bekommen kann.

Aber es geht auch um Prozesse. Beispiel Bosch: Der Konzern verändere sich mehr und mehr vom klassischen Hardware- zum Software-Hersteller. Dies erfordere ständige Anpassungen der Produktion wie der Standortpolitik.

Interessante Publikumsfrage an die Runde: Welchen Anteil haben die Medien an der Katastrophenstimmung? Das sah der langjährige Medienprofi Blome sehr differenziert – denn Medien haben nicht vorrangig Unterhaltungs- , sondern Kontrollfunktion über die staatlichen Organe – aber es komme sehr deutlich auf die richtige Mischung an.

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