Schweiz: Jäten aus Lohnarbeit

Mechanisches Jäten dürfte in Zukunft wieder wichtiger werden, weil immer mehr chemische Pflanzenschutzmittel vom Markt genommen werden.

Die Jät-Equipe kommt vor allem in der Bio-Landwirtschaft zum Einsatz. Bild: David Eppenberger.

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Biobauber Stefan Brunner hat einen Betriebszweig gegründet, in dem er das Jäten als Lohnarbeit anbietet.

Es war eine verzwickte Situation damals vor zwei Jahren, als die Heidelbeersträucher auf dem Eichhof in Aarberg BE wegen Staunässe plötzlich zu welken begannen. Zu ernten gab es praktisch nichts und doch waren die Erntehelfer aus dem Osten bereits vor Ort und warteten auf Arbeit. Einfach so heimschicken wollte Biobauer Stefan Brunner die Leute nicht, schließlich waren sie von weit her in die Schweiz gefahren in der Erwartung auf ein Einkommen. "Wir begannen bei anderen Bauern herumzutelefonieren, und suchten kurzfristig Arbeit für unsere Leute", sagt Brunner. Und tatsächlich, schon bald schwärmten seine Erntehelfer auf Gemüsefelder aus, um diese vom unerwünschten Unkraut zu säubern. Aus der Not ergab sich so die Geschäftsidee des Jätens im Lohn. In diesem Jahr jäten für ihn bereits 25 Leute vor allem aus Rumänien im Auftrag von anderen Bauern auf deren Gemüseäckern.

Vollgummipneus ideal für Acker

Nach der einstündigen Fahrt erreicht die neunköpfige Jät-Truppe an diesem Frühlingsmorgen das Biozwiebelfeld in Madiswil BE. Mit dabei "im Gepäck" sind neben dem "Znüni" auch die sogenannten Jät-Ferraris, die ein besonders effektives Arbeiten auf dem Acker ermöglichen. Aber keine Angst: Es werden in den nächsten Tagen keine Motoren auf diesem Acker aufheulen. Denn die Geräte werden nur von reiner Muskelkraft angetrieben. "Mit ihnen jäten die Erntehelfer viel schneller als normal, deshalb der Name", erklärt Lukas Camenzind. Er machte seine Lehre zum Landwirten auf dem Eichhof und ist dort nun für den neuen Betriebszweig "Lohnjäten" verantwortlich. Die ersten Jät-Ferraris wurden vor ein paar Jahren aus alten Fahrradteilen vom Seniorchef persönlich zusammengeschweißt und mit alten Bürostuhl-Lehnen ausgestattet. Allerdings seien die Fahrradreifen oft platt gewesen, sagt Camenzind. "Heute benutzen wir deshalb Rollstuhlreifen mit Vollgummipneus." Die neuste Generation besteht aus Alu und wird auch nicht mehr in der eigenen Werkstatt in Aarberg zusammengebaut. Die benötigten Mengen wurden schlicht zu groß, denn mittlerweile werden die Jät-Ferraris auch an Dritte verkauft. Und das Interesse an den Geräten ist groß.

Biobetriebe als Hauptkunden

Die Jät-Ferraris auf dem Acker in Madiswil sind mit wenigen Handgriffen zusammengesteckt und stehen nun bereit für den Einsatz. Auf dem Bauch liegend und angetrieben von den Füßen geht es jetzt Reihe um Reihe durch das Zwiebelfeld. Geschickt arbeiten sich die geübten Hände durch das Unkraut. Drei bis vier Tage werden sie hier brauchen, um den noch winzigen Zwiebelpflänzchen zum nötigen Platz und Licht für ein optimales Wachstum zu verhelfen. Das würde ihnen sonst durch das Unkraut verwehrt. Es ist klar, dass vor allem Biobetriebe zu den Auftraggebern der Lohnjäterei gehören, weil sie keine Herbizide einsetzen dürfen. Ein Tag jäten mit den neun Leuten kostet den Auftraggeber Simon Schenk in Madiswil pro Tag über 2.000 Franken. Die Pflanzenspritze im konventionellen Anbau erledigt das viel schneller und vor allem deutlich günstiger. Trotzdem lohnt sich der deutliche Mehraufwand für den Biobauern: "Die Qualität der Zwiebeln ist schlussendlich besser und sollte deshalb mit dem höheren Abnahmepreis für Bioprodukte bezahlt sein."

Renaissance von Mechanischer Unkrautbekämpfung

Erst vereinzelt verpflichten auch konventionelle Bauernbetriebe die Jät-Equipe aus Aarberg. "Sie lassen vor allem Kräuterfelder von uns jäten, bei denen der Abnehmer die Verwendung von Herbiziden verbietet", erklärt Camenzind. Doch die mechanische Unkrautbekämpfung beispielsweise mit Hackgeräten dürfte in den nächsten Jahren auch im nichtbiologischen Anbau eine Renaissance erleben. Noch in diesem Jahr sollte der Bundesrat den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel verabschieden, der eine deutliche Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln verlangt. Bereits in den letzten Jahren wurden die Zulassungen von vielen Wirkstoffen gestrichen. In einzelnen Kulturen funktioniert der chemische Pflanzenschutz bereits heute nur noch eingeschränkt, weil es an wirksamen Mitteln fehlt. Grundsätzlich geht man von Ernteverlusten von zwischen 30% und 40% aus, wenn gar kein Pflanzenschutz betrieben wird. Diese Entwicklung bereitet den Landwirten große Sorgen, vor allem die Bekämpfung von Pilzkrankheiten und Schädlingen wird in naher Zukunft zur großen Herausforderung. Beim Unkraut lässt sich das Problem mit mechanischem Aufwand lösen, wie beispielsweise eben mit dem Jäten von Hand oder maschinell mit Hackgeräten. Doch niemand weiß, wer diese Mehrkosten einmal tragen soll. Denn der Konsument hat sich längst an günstige, innerlich und äußerlich perfekte Gemüse und Äpfel in den Verkaufsregalen gewöhnt. Viele sind sich aber nicht bewusst, dass dies auch der Hilfe des chemischen Pflanzenschutzes zu verdanken ist.

Gut gefüllte Auftragsbücher

Die Arbeit auf den Jät-Ferraris ist streng und trotz Polster auch nicht immer angenehm. Camenzind erinnert sich hier beispielsweise nur ungern an ein zu jätendes Feld mit Brennnesseln für die Biodüngerproduktion zurück. Doch seine Leute seien schließlich froh, diese geregelte Arbeit zu haben. Bei Ihnen zu Hause erlaubt der für Schweizer Verhältnisse zwar bescheidene Lohn ein anständiges Leben. Ob das Konzept in zehn Jahren auch noch funktionieren wird? Camenzind schmunzelt: "Vielleicht werden hier dann neun Roboter unterwegs sein, und ich werde diese nur noch vom Büro aus überwachen."

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