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IPM ESSEN 2018: Individualisierung und Digitalisierung im Fokus
Die Digitalisierung stellt den grünen Wirtschaftszweig vor neue Herausforderungen. Der Einzelhandel muss sich in Zeiten von Individualisierung und E-Commerce auf das veränderte Kaufverhalten der Kunden einstellen. Wie sich die Branche für die Zukunft wappnen kann und welche Produkte besonders angesagt sind, erfahren Fachbesucher auf der IPM ESSEN. Insbesondere zeigt die Trendschau hortivation neue POS-Konzepte für ein erfolgreiches Geschäft. Wo geht die Reise also hin? Was sind die Trends?
Erfolge von Produkten und Unternehmen unterliegen stets aktuellen aber auch langfristigen Trends, denn diese beeinflussen die Bedürfnisse und das Verhalten der Kunden. Aktuell gibt es laut den Zukunftsforschern des Zukunftsinstituts zwölf Megatrends: Individualisierung, Gesundheit, Wissenskultur, Sicherheit, Urbanisierung, Konnektivität, Neo-Ökologie, Silver Society, New Work, Gender Shift, Mobilität, und Globalisierung. Dabei stellen die Trends der Individualisierung, Gesundheit und Urbanisierung die treibenden Kräfte für den Gartenbau dar.
Unter diesen Megatrends lassen sich Produkte und Konzepte für die bewusst gesunde Ernährung, den „Outdoor-Grillgenuss“, den „Do-it-Yourself-Gedanken“, das „Eigene Ernte-Feeling“, „Family Garden“, „Garden Living“, „Urban Gardening“ oder schlicht und einfach für die „Bienenfütterung“ erfolgreich konzipieren und ausloben. So entstehen mit Kräutern oder Naschgartenprodukten gerade Segmente, die es in der Größenordnung vor ein paar Jahren noch gar nicht gab. Gerade Kräuter erfahren seit einiger Zeit einen regelrechten Boom. Gemeinsam mit Stauden werden sie vom Handel als das Wachstumssegment beschrieben, von dem noch lange und positive Effekte ausgehen werden.
Während sich der Gesamtmarkt für Blumen und Pflanzen in Deutschland positiv auf Einzelhandelsebene um ca. 2,4% im Vergleich zum Vorjahr 2016 veränderte, wuchs das Segment der Kräuter überdurchschnittlich um 5,4%. Dieses Wachstum ist beachtlich, gleichwohl angemerkt werden muss, dass das Segment der Kräuter aktuell nur 3% des gesamten Marktes für Blumen und Pflanzen in Deutschland ausmacht.
Obst- und Ziergehölze treffen vor allem in kleineren Formen auf die Bedürfnisse der Verbraucher nach platzsparendem Grün mit Mehrwert für den Balkon oder die Terrasse. Das Wachstum lag mit 3,6% ebenfalls über dem Durchschnitt. Hier geht der Handel ähnlich wie bei den Kräutern von einer positiven Entwicklung der nächsten Jahre aus.
Auch wenn das Segment der Schnittblumen mit ca. 1% nicht so stark wächst wie der Gesamtmarkt, so ist laut Gärtnern, Händlern und Floristen eine neue „Lust auf Schnittblumen“ wahrzunehmen. Die Nachfrage und das Verbraucherinteresse nach Schnittblumen - gerne aus regionaler und nachhaltiger Produktion - habe 2017 zugenommen.
Erklärungsansätze sind neben dem allgemeinen Wunsch nach Grün unter anderem auch einer sich ändernden Wohnkultur zu sehen. Wohnzeitschriften propagieren nicht mehr reduzierte Einrichtungsstile, sondern kräftige Farben, hochwertige Stoffe und Accessoires sowie romantische und verspielte Ambiente, in die Schnittblumen sehr gut hineinpassen. Auffällig ist, dass gerade bei Schnittblumen die traditionellen Formen des rund gebundenen Straußes in der neuen Wohnkultur scheinbar keinen Platz mehr finden. Der klassische, runde Strauß ist out; der Do-it-Yourself-Look ist in.
Das Blumenbüro Holland hat in Kooperation mit Zeitgeistforschern den allgemeinen Lifestyle analysiert und die Erkenntnisse als Impulsgeber der Branche zur Verfügung gestellt. In Deutschland wurden die Erkenntnisse durch den Fachverband deutscher Floristen e.V. (FDF) auf die Blumen- und Pflanzenwelt übersetzt und interpretiert. Trends, die längst in Vergessenheit gerieten, sind plötzlich wieder in. So wird 2018 die Wiederverwertung von Produkten und ungewöhnliche Kombinationen ein Thema werden.
Produkte, mit denen man ein Statement setzen kann, gewinnen an Bedeutung, so wie Marken an Bedeutung verlieren, wenn der Konsument dabei nicht im Rampenlicht steht. 2018 darf sich der Verbraucher laut Blumenbüro Holland und dem FDF auf drei unterschiedliche Stilrichtungen freuen, zu denen Blumen und Pflanzen hervorragend passen. Unter den Namen „Punk Rebooted“, „Re-Assemble“ und „Romance 3.0“ wird der aktuelle Zeitgeist interpretiert. Je nach Stilrichtung gehen die Trendfarben von kontrastreich, bei dem viel mit Schwarz gearbeitet wird, bis hin zu Pastellfarben in Kombination mit diversen Grüntönen. Die Formen werden von gedrungen rund bis hin verspielt dekorativ reichen. Das Kreativ-Team des FDF hat diese Strömungen in florale Motive übertragen und stellt die Ergebnisse erstmals in der FDF-World auf der IPM ESSEN 2018 vor.
Individualisierung ist wichtig
Individualisierte Produkte sind bei Konsumenten stark gefragt. Laut Institut für Handelsforschung IFH haben bereits 30% schon mal ein individualisiertes Produkt erworben. 60% von ihnen erwarten zukünftig öfter die Möglichkeit der Individualisierung von Produkten. 47% haben ebenfalls diesen Wunsch, auch wenn sie dies noch nicht ausprobiert haben. Interessant ist, dass circa die Hälfte aller Personen bereit ist, für diesen „Service“ der Individualisierung einen Aufpreis zu bezahlen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Händler individualisierte Produkte entwickeln.
Mit allen Sinnen erleben
Die Stärke des stationären Handels für den Absatz von Gartenbauprodukten liegt im Vergleich zum immer stärker werdenden E-Commerce im Erleben der Produkte mit allen Sinnen. 80% des einkaufenden Publikums entscheidet sich in Gartencentern auf Basis von Gefühlen.
Duft und Haptik spielten 2017 entsprechend eine große Rolle für den Absatz der Gartenbauprodukte. Rosen oder auch Beet- und Balkonpflanzen mit Duft wurden laut Aussagen von Einzelhändlern im Verkauf stark nachgefragt.
Auch der Trend zur Natürlichkeit wäre 2018 weiter auszubauen. Holz als Gestaltungselement liegt stark im Trend und erhöht den Wohlfühlcharakter und die Verweildauer im Geschäft, sofern der Kunde überhaupt noch ins Geschäft kommt.
Wandel im Einzelhandel durch Digitalisierung ist in vollem Gange
Laut der Studie „Total Retail 2017“ von PwC geben 34% der deutschen Konsumenten an, dass sie durch den Einkauf bei Amazon seltener im stationären Einzelhandel einkaufen. Ihr Kaufverhalten habe sich nachhaltig geändert.
So recherchieren fast 60% der deutschen Konsumenten heute online vor ihrem Kauf im Laden. 2020 geht man davon aus, dass sich mindestens 75% im Vorfeldüber das Internet informieren werden. Das Internet dient jedoch nicht nur zur Informationsrecherche, sondern vermehrt auch zum Kauf.
Schon heute kaufen 85 % der 18 bis 34-Jährigen mindestens einmal im Monat online ein, 15% sogar täglich. Im Durchschnitt shoppen 14% aller Deutschen mindestens einmal die Woche im Internet - Tendenz steigend. Dabei spielt das Smartphone eine wichtige Rolle: 57% der Smartphone-Nutzer verwenden ihr Gerät zum Einkaufen.
Das durchschnittliche Wachstum des Online-Handels in den letzten zehn Jahren betrug über 12%, während der stationäre Handel in der gleichen Zeit nur ein Wachstum von 0,2% ausweist. Der Online-Handel wächst somit entschieden schneller als der stationäre Handel und nimmt ihm immer mehr Marktanteile ab. 2016 wurden in Deutschland insgesamt 48,7 Mrd. Euro über E-Commerce umgesetzt. Davon entfielen rund 760 Mio. Euro auf den deutschen Gartenmarkt. Das ist ein Plus von 15% im Vorjahresvergleich. Die Warengruppe „Lebend Grün“ steckt dabei allerdings noch in den Kinderschuhen, konnte aber einen prozentualen Zuwachs in 2016 von 3,9% und in den ersten beiden Quartalen 2017 von 6,1% ausweisen. Für 2017 werden rund 55 Mrd. Euro Umsatz über E-Commerce prognostiziert, was eine Steigerung von über 12% bedeuten würde.
Stationärer Handel lebt
Dennoch ist der stationäre Handel bei weitem nicht tot. Gerade, wenn man sich die Zahlen für den Gartenmarkt genauer anschaut, ist das Gegenteil der Fall. So kommen die Online-Vermarktungskanäle der Internet-Pure-Player zusammen mit den Online-Vermarktungskanälen der Hersteller, des stationären Handels und der Katalogversender auf „gerade einmal“ etwas mehr als 4% Marktanteil des Gartenmarktes.
Die Kunden wollen nach wie vor auch in 2017 die Produkte erleben, fühlen, sehen oder vor Ort ausprobieren. Sie wünschen sich vor allem ein nahtloses Einkaufserlebnis, sowohl im Geschäft als auch im Internet.
Wie Einkaufen zum Erlebnis wird, zeigt die Trendschau hortivation in Halle 13 auf der IPM ESSEN. In Kooperation mit Grünstylist Romeo Sommers werden unter dem Thema „Family Garden“ verkaufsstarke POS-Konzepte für Gartencenter vorgestellt - sortimentübergreifend und an gesellschaftlichen Trends wie Nachhaltigkeit und Transparenz orientiert.
Viele Online-Pure-Player haben den stationären Handel für sich erkannt und eröffneten 2017 eigene Läden oder Showrooms. Beispiele sind hier neben „Amazon go“ auch das Hamburger Mode-Startup About You mit den Geschäften seiner Marke Edited oder große Internethändler, die sich plötzlich mit Popup-Läden temporär in den Innenstädten zeigen.
Mit ihren Omni-Channel-Lösungen setzten sie den traditionellen Einzelhandel nun noch stärker unter Druck; gerade weil die Akteure ihre online gewonnenen Kundendaten sehr effizient für ihren stationären Handel nutzen und ihr Produktsortiment mit Hilfe von Data Analytics gestalten können. Der stationäre Handel muss seine Geschäftsmodelle daher neu definieren. So prognostizieren die Handelsexperten des ECC Köln, dass sich bis 2020 rund 70% der traditionellen Händler neu erfinden müssen oder vom Markt verschwinden werden.
Interessant ist, dass letztes Jahr im Gartenmarkt bereits über 60% der Online-Umsätze auf stationäre Handelsbetriebsformen entfielen, allen voran hier die Fachgartencenter, Gärtnereien und Blumenfachgeschäfte. Im Gartenbau dominieren demnach beim Internethandel Mischformen zwischen Online- und stationärem Handel. 40% Marktanteil am Online-Volumen entfielen auf den reinen Distanzhandel wie Internet-Pure-Player, Versandhandel-Online oder Online-TV-Shops.
Dies könnte sich aber stark ändern, sobald Amazon sich als Internet-Pure-Player dem Gartenmarkt zukünftig stärker zuwenden sollte als bisher. 2016 erfuhr der Online-Gigant bereits einen Umsatzzuwachs von 45% im Bereich DIY.
Den typischen Internetkunden gibt es nicht
Verkaufsschlager des Online-Handels bei Gartenbauprodukten sind laut Experten Saatgut, Stauden, Zimmerpflanzen, Rosen, kleine Bäume und Sträucher.
Einen bestimmten Konsumententypen gibt es jedoch nicht. Auffällig ist, dass im Bereich DIY & Blumen Männer allgemein mehr online einkaufen als Frauen. Entsprechend haben gerade Männer in diesem Bereich das Online-Shopping für sich entdeckt. Ihre Umsätze im Internet stiegen von 2015 auf 2016 um 23%. Die Umsätze der Frauen im gleichen Zeitraum dagegen nur um 3%.
Internet als Informationsquelle
Viele nutzen das Internet oft als primäre Informationsquelle über Produkte und primäre Inspiration für den Garten oder „special needs“. In diesem Zusammenhang finden es 81% der Nutzer attraktiv, wenn sie die Verfügbarkeit von Produkten bei lokalen Händlern online einsehen können. Weitere 64% finden es attraktiv, wenn sie ihr Produkt online bestellen können und im Geschäft abholen können.
Durch die große Vielzahl der digitalen Angebote haben die Verbraucher heute eine sehr differenzierte Erwartungshaltung an die Einkaufsstätte, egal ob online oder stationär.
So wünschen sie neben einem attraktiven Produktsortiment eine individuelle Ansprache, Technologien und Dienstleistungen, die ihren Einkauf einfach, bequem und schnell gestalten. Dabei sind beim E-Commerce Themen wie „Benutzerführung & Benutzerfreundlichkeit“, sowie „Informationswert“, „Bestell- & Zahlungsbedingungen“ und „Versand / Rücksendung“ von zentraler Bedeutung.
Die Erwartungshaltung steigt zunehmend, nicht nur an das Produkt, sondern vor allem an die Schnelligkeit des Besitzens. Mit zunehmender Verbesserung in der Logistik, wird auch der E-Commerce zunehmen. Ein Anstieg des Online-Anteils bei Blumen und Pflanzen wird mit zunehmend besser werdender Logistik erwartet. Wie hoch der Anteil vom Gesamtmarkt sein werden könnte, wagt jedoch keiner der Experten zu sagen. Die Aussagen reichen von 15% bis 50% vom Gesamtmarkt.
Wichtig für den E-Commerce ist es, dass Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen. In Zukunft wird es daher immer wichtiger sein, Aufmerksamkeit zu erlangen und Vertrauen zu schaffen. Schon heute folgen 34% der Konsumenten ihren Lieblingsmarken oder –händlern auf Social Media Kanälen. Diese Medien müssen auch 2018 stärker bespielt werden, da unter anderem über Blogs Altersgruppen von 20 bis hin zu 60 Jahren als interessante Zielgruppe erreicht werden.
2017 hat gezeigt, dass digitale Änderungen sich schneller umsetzten als viele in der Branche denken. Bespiele wie der Blumenversand Bloomon oder Logistikplattformen für den weltweiten Handel Floriday sind hier nur zwei Beispiele. Digitalisierung verändert das Verhalten und geändertes Verhalten zieht Strukturänderungen nach sich.
Fazit
In den meisten europäischen Ländern steigt das Vertrauen in die Wirtschaft. Gepaart mit dem Trend und der Affinität der Gesellschaft für Grün ist dies eine förderliche Grundstimmung für den Absatz von Blumen und Pflanzen.
Die bisherigen Resultate lassen trotz politischer Unsicherheiten ein gutes Jahr 2017 erwarten.
Erfolgsfaktoren hierfür sind neben der Digitalisierung und effizienten Logistiksystemen, vor allem aber das Finden neuer Absatzwege und der Aufbau neuer Handelsbeziehungen.
In Teilen gelingt es bereits - nicht zuletzt, weil sich andere Länder positiv entwickeln und auch dort die Lust nach Pflanzen und die Kaufkraft dazu steigen. (Quelle: IPM)
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