Energiepark Wiesmoor: Biomasse-Heizkraftwerk liefert preiswerte Abwärme für 13 Gewächshausbetriebe

Wiesmoor steht für blühende Topfpflanzen. Größter Betrieb mit 7,5 ha Glasfläche ist die Dehne Topfpflanzen GmbH & Co. KG. Lars Dehne und Robert Kleinschnitker führen das Unternehmen mit drei Betriebsstandorten gemeinsam. Die etwa 90 Mitarbeiter produzieren im Jahr über 6,5 Mio. Topfpflanzen für Kunden in Deutschland und dem benachbarten Ausland.

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Wiesmoor steht für blühende Topfpflanzen. Größter Betrieb mit 7,5 ha Glasfläche ist die Dehne Topfpflanzen GmbH & Co. KG. Lars Dehne und Robert Kleinschnitker führen das Unternehmen mit drei Betriebsstandorten gemeinsam. Die etwa 90 Mitarbeiter produzieren im Jahr über 6,5 Mio. Topfpflanzen für Kunden in Deutschland und dem benachbarten Ausland. Vermarktet wird hauptsächlich über die Nordwest-Blumen Wiesmoor GmbH, Tochtergesellschaft der Landgard Blumen & Pflanzen GmbH, per Telefon im Tagesgeschäft an Gartencenter, Fachgroßhändler, Filialisten und andere Großabnehmer.

Neben Warmhauskulturen produzierte das Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt Beet- und Balkonpflanzen, um bei steigenden Energiepreisen die wirtschaftliche Basis zu erhalten. Bisher wurde die Wärmeversorgung mit zehn ergasbetriebenen Heizungskesseln und sechs erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKWs) mit 1,6 MW elektrischer und 1,8 MW thermischer Leistung in Verbindung mit einem 120.000 l Puffertank, plus zwei über eine eigene Biogasanlage gespeiste BHKWs mit 530 elektrischer und 500 kW thermischer Leistung in Verbindung mit einem 250.000 l Puffertank betrieben.

Preissteigerungen bei fossilen Brennstoffen erforderten ein Umdenken. Im Dezember 2010 beteiligten sich Lars Dehne, Robert Kleinschnitker und Senior Siegfried Dehne an der Energiepark Wiesmoor GmbH (EPW), die im Februar 2012 eine Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK) mit rund 2 MW elektrischer und 7,5 MW thermischer Leistung in Betrieb nahm. Diese speist ökologisch erzeugten Strom in das öffentliche Netz ein und versorgt seit Februar 2012 Gartenbaubetriebe an 13 Standorten sowie drei Wohnhäuser über eine 6 km lange Fernwärmeleitung mit preiswerter Wärme.

Baubeginn für das Biomasse-Heizkraftwerk an der Ilexstraße in Wiesmoor-Hinrichsfehn war im Mai 2011. Gleichzeitig fand der Rohrleitungsbau für die 6 km Fernwärmeleitungen entlang der Azaleen-, Rhododendron- und Ilexstraße zu den einzelnen Gartenbaubetrieben statt, deren Wirtschaftlichkeit mit der Abwärme aus dem Kraftwerk gestärkt wird. Letztendlich ging es auch um den Erhalt von über 200 Arbeitsplätzen im Gartenbau.

Den Kontakt zu dem Architekten und der ICS Energietechnik, Kumberg/A, hat der Bürgermeister der Stadt Wiesmoor hergestellt. Ursprünglich war die Abwärmenutzung aus der KWK-Anlage für die Trocknung von Klärschlamm vorgesehen.

Aufwändige Finanzierung
Von der gut 12 Mio. Euro Investitionssumme sind 2 Mio. Euro Eigenkapital. Rund 10 Mio. Euro stammen aus KfW-Mitteln, aus dem Standardprogramm für die Errichtung des Kraftwerks und aus dem Premium-Programm mit Tilgungszuschuss für das Fernwärmenetz. Voraussetzung für die Finanzierung war ein über die Laufzeit festgeschriebener Abwärmepreis, der Steigerungsraten enthält. Die Finanzierung war eine große Hürde, da die örtlichen Banken aus Unkenntnis gegenüber Biomasse-Heizkraftwerken nicht mitgespielt haben, „die finanzieren nur Biogasanlagen“, erläutert Kleinschnitker als Geschäftsführender Gesellschafter der EPW.

Die Finanzierung übernahm schließlich die Unikredit Hypovereinsbank, „aber es war sehr aufwändig, die Bedingungen zu erfüllen, alle Verträge mit den einzelnen Gärtnern und Rohstofflieferanten mussten vor Kreditfreigabe abgeschlossen sein“, erinnert sich Kleinschnitker. 

Brennstoff nachwachsende Rohstoffe
Als Brennstoffe dienen ausschließlich zerkleinerte, naturbelassene Hölzer und holzartige Stoffe aus der Landschaftspflege, welche gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als nachwachsende Rohstoffe deklariert sind.

Mit dem Entsorgungsfachunternehmen NIBA GmbH, Saterland-Sedelsberg, wurde ein langfristiger Liefervertrag für Brennstoffe abgeschlossen. Danach werden jährlich rund 50.000 t kleingehäckseltes Holz mit einem Wassergehalt von 35 bis 40 % geliefert. Das Material stammt überwiegend aus der Region Weser-Ems.

Pro Tag liefern fünf bis sechs LKWs den Holzbrennstoff direkt in den Tagesbunker an, pro Woche etwa 700 t. Jeder LKW fährt über die LKW-Waage, gleichzeitig wird eine Brennstoff-Probe entnommen, um den Wassergehalt zu bestimmen. Das ist ausschlaggebend für die spätere Vergütung der Brennstoffe. Ein überdachtes Zwischenlager sorgt für eine sichere Brennstoffversorgung, beispielsweise an Wochenenden.

Voll automatisiert und sauber
Die vollautomatische Beschickung der Biomassefeuerung erfolgt aus dem Holzbrennstoff-Tagesbunker mit Schubboden. Die Holzbrennstoffe trocknen, entgasen und verbrennen auf einem mehrstufigen und hydraulisch angetriebenen Treppen-Vorschubrost.

Eine Dampfturbine erzeugt rund 2 MW umweltfreundlichen Strom mit maximaler Heißdampftemperatur von 500°C und 35 bar Überdruck. Der entstehende Dampf gibt die Energie direkt an das Wasser der Fernwärmeleitung ab, was eine optimale Energienutzung und vollwertige Kraft-Wärme-Kopplung darstellt. Die in das Fernwärmenetz abgegebene Heizungswasser-Vorlauftemperatur beträgt 75°C, die Rücklauftemperatur 55 °C. Eine Abkühlung des Turbinenwassers und damit Vernichtung der Energie findet nicht statt. Die Dampfturbine stammt, wie die gesamte Kraftwerkstechnik, von der österreichischen Firma ICS Energietechnik.

Der dem Dampfkessel nachgeschaltete radiale Saugzugventilator leitet das durch Multizyklonabscheider und nachgeschalteter Elektrofilteranlage gereinigte Rauchgas aus den Feuerungsanlagen durch den 23 m hohen Schornstein ab. Die Abgaswerte liegen weit unterhalb den Vorgaben. „So eine moderne Anlage emittiert ohnehin weniger Abgase als die Summe der Anlagen, die bisher in den Gärtnereien betrieben wurden“, erläutert Kleinschnitker den Vorteil. Die anfallende Asche wird vollautomatisch über die Aschenschleuse dem Asche-Container zugeführt und kann im Sinne einer Kreislaufwirtschaft als Sekundärrohstoff in der Land- und Forstwirtschaft genutzt werden.

Laut EEG müssen 60% der Wärme sinnvoll genutzt werden, „diese Quote werden wir bereits im ersten Jahr locker erreichen“, meint Kleinschnitker. Nehmen die Gartenbaubetriebe nicht genügend Wärme ab, kühlt eine vor dem Kraftwerk aufgestellte mobile Kühlanlage.

Die gesamte Anlage läuft voll automatisiert, die Bedienung erfolgt über spezielle Softwareprogramme. Die gesamte Kraftwerkstechnik lässt sich mit Maus und Tastatur in der Steuerungszentrale, per Internet von zuhause oder auch per iPhone von unterwegs steuern. Im Heizkraftwerk sind drei aus-gebildete Kraftwerker mit dem Betrieb der Anlage, der Wartung von Maschinen und dem Brennstoffmanagement beschäftigt. Die wesentlichen Anlagenbereiche sind videoüberwacht. Die Abgas-werte werden permanent erfasst und ins Internet gestellt, so dass sowohl der Betreiber wie auch die Gewerbeaufsicht die Abgaswerte beobachten können.

Übrigens sorgen der produzierte Strom für 70% und die Wärme für 30% des Erlöses aus dem Heizkraftwerk.

Langfristig gesicherte Verträge
Bauherr und Betreiber der Kraftwerksanlage ist die EPW. Gesellschafter sind die ICS Energietechnik Ges. mbH, der Brennstofflieferant NIBA GmbH, die Gesellschafter der Dehne Topfpflanzen GmbH & Co. KG Lars Dehne und Robert Kleinschnitker sowie Siegfried Dehne. Somit sind die Interessen der Wärmeabnehmer sowie der Technik- und Brennstofflieferanten auch gesellschaftsrechtlich mit in der Verantwortung, was auch von der finanzierenden Bank als Pluspunkt bewertet wurde.

Die Einspeisevergütung ist durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) auf 20 Jahre festgelegt. Mit den Gärtnereien wurden langfristige Wärmelieferverträge abgeschlossen. Ebenso ist auch die Brennstoffversorgung langfristig über einen Liefervertrag abgesichert.

Die Gesellschafter der Dehne Topfpflanzen GmbH & Co. KG wollen bereits im ersten Jahr 95% des gesamten Wärmebedarfs durch regenerativ erzeugte Wärme aus dem neuen Biomasse-Heizkraftwerk decken. Die Bedarfsspitzen im Winter sollen über die Abwärme der vorhandenen BHKWs abgedeckt werden, die im Winterhalbjahr weiterhin Strom für die Belichtung produzieren.

Wärmetauscher nehmen die Wärme ab
Die Wärme aus der Fernleitung wird über Wärmetauscher der Größen 200 kW bis 3,5 MW an den einzelnen Abnahmestellen der Betriebe übernommen. Der größte Wärmetauscher steht in dem zweiten Betriebsteil von Dehne und versorgt 40.000 m² Gewächshäuser mit Wärme. Das Gerät verursacht kaum Geräusche, die Pumpe ist im 2 km entfernten Kraftwerk untergebracht. Lediglich leichte Strömungsgeräusche vom Wasser sind zu hören. Die vorhandene Ober- und Untertischheizung ist geblieben, es musste lediglich eine neue Pumpe in den Heizkreislauf eingebaut werden. (EP) 
 

 

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