DFG und Leopoldina: Stellungnahme zu genomischen Pflanzenzucht-Techniken

Anlässlich der anstehenden Beratungen von Bundesrat und Bundestag zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mit neuen genomischen Verfahren gezüchtet worden sind, haben die Leopoldina und DFG eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht.

DFG und Leopoldina äußern sich zur Genom-Debatte. Bild: DFG.

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Darin bekräftigen sie ihre Unterstützung für den von der Europäischen Kommission am 5. Juli 2023 vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.

DFG und Leopoldina greifen dabei drei Themenbereiche auf, zu denen es in der bisherigen politischen Debatte den größten Informationsbedarf gab und fassen hierzu den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen: 1. Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, 2. Mögliche wirtschaftliche Konsequenzen für Züchterbetriebe, 3. Vereinbarkeit mit ökologischer Landwirtschaft.

Laut dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission sollen Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken (NGT) vom sogenannten Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, konventionell gezüchteten Pflanzen praktisch gleichgestellt werden. Sie wären damit vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen. Begründet wird die Gleichstellung damit, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) wie konventionell gezüchtete Sorten und damit ein vergleichbar niedriges Risikoprofil aufweisen. Kritiker des Entwurfs sehen hier das Vorsorgeprinzip nicht beachtet, befürchten wirtschaftliche Nachteile für Pflanzenzüchter und sehen den ökologischen Landbau beeinträchtigt. Hierzu führen DFG und Leopoldina Folgendes aus:

Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

Nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Kommission kann das Vorsorgeprinzip nur angewendet werden, wenn es einen wissenschaftlich begründeten Besorgnisanlass gibt. Dieser fehlt im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten. Zahlreiche in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien enthalten keinerlei Hinweise darauf, dass die NGT oder deren Produkte ein höheres Risiko für Mensch und Umwelt bergen als Pflanzensorten und deren Produkte, die durch natürliche Mutationen, klassische Kreuzungszüchtung oder die Mutagenesezüchtung (mittels Bestrahlung oder Chemikalien) erzeugt wurden.

Mögliche wirtschaftliche Konsequenzen für Züchterbetriebe

Das europäische Gentechnikrecht steht mit dem Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Der Patentschutz für eine durch NGT veränderte Pflanze schließt nicht aus, dass ein Saatgutentwickler diese Pflanze für Zwecke eigener Sortenzüchtung verwendet. Allerdings setzt die Vermarktung der neu gezüchteten Sorte eine Lizenz des Patentinhabers voraus, sofern die Sorte die patentgeschützte genetische Sequenz enthält und das darauf beruhende Merkmal ausprägt (sogenanntes eingeschränktes Züchterprivileg). Ob Sortenzüchter bereit sind, diese Transaktionskosten (in Gestalt von Lizenzgebühren) zu tragen, ist zunächst eine unternehmerische Entscheidung. Noch lässt sich nicht vorhersagen, ob Patente auf Sequenzen in NGT-1-Sorten für die Pflanzenzüchter ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem sein werden und innovative Sortenzüchtung behindern werden. Ungeachtet dessen sind die geäußerten Bedenken über zukünftige Entwicklungen ernst zu nehmen. Deshalb muss dieser Aspekt in den kommenden Jahren sehr genau beobachtet und bei Bedarf im Patentrecht nachgebessert werden, wie es bereits von der Kommission vorgesehen ist.

Vereinbarkeit mit ökologischer Landwirtschaft

DFG und Leopoldina würden es begrüßen, wenn die zukünftige EU-Verordnung NGT-1-Pflanzen auch für Zwecke des Ökolandbaus zulässt, das heißt nicht unter das GVO-Verwendungsverbot der EU-Öko-Verordnung fallen lässt. Der Ökolandbau kann aufgrund des weitgehenden Verzichts auf chemischen Pflanzenschutz in ganz besonderer Weise von NGT-1-Pflanzen profitieren. Da NGT-1-Veränderungen nicht von spontanen Mutationen in der Natur und von Produkten konventioneller Züchtungstechniken zu unterscheiden sind, erübrigt sich aus wissenschaftlicher Sicht die Frage der Kennzeichnung oder Regelungen zu Abständen zwischen unterschiedlich bewirtschafteten Flächen oder ähnlicher Koexistenzmaßnahmen. Im Widerspruch hierzu lässt der Kommissionsentwurf die Kennzeichnung eines Produktes als „Öko-“ bzw. „Bio-“ bei absichtlicher Verwendung von NGT-1-Pflanzen nicht zu. (DFG/Leopoldina)

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