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Warum es nicht ohne moderne Agrartechniken geht
Neue Nutzen-Kosten-Analyse des chemischen Pflanzenschutzes.Nicht nur die Landwirtschaft, auch die Ernährungswirtschaft, die Verbraucher und die gesamte Volkwirtschaft profitieren vom Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Das zeigen die Ergebnisse einer Nutzen-Kosten-Analyse des chemischen Pflanzenschutzes, die Professor P. Michael Schmitz vom Institut für Agrarpolitik und Marktforschung der Universität Gießen durchgeführt hat. Bei der Vorstellung der Ergebnisse in Frankfurt am Main erklärte Kurt Küsgen, Präsident des Industrieverbands Agrar e. V.: "Die verantwortliche Anwendung moderner Produktionstechniken ist Voraussetzung für eine nachhaltige Landwirtschaft und für hochwertige Nahrungsmittel. Moderne Landwirtschaft liefert Klasse für die Masse." Der Verband hatte die Studie angeregt und unterstützt.
"Wird der Einsatz von Agrarchemie in Deutschland um 75 Prozent reduziert, sinkt das Einkommen der deutschen Landwirte um ca. 4,4 Milliarden DM oder rund 20 Prozent," berichtete Schmitz über seine Untersuchungen. In der Ernährungswirtschaft würden steigende Kosten und der Verlust von Marktanteilen das Einkommen um sieben Milliarden DM verringern. Der Volkswirtschaft insgesamt würden – u. a. durch höhere Belastungen der Verbraucher – knapp 36 Milliarden DM verloren gehen. Das entspricht fast 1 Prozent des Bruttosozialprodukts.
Würde diese Politik auf die gesamte EU übertragen, erwirtschafteten die 15 Mitgliedsländer zusammen knapp 90 Milliarden Mark weniger Bruttosozialprodukt. "Der Nutzen moderner landwirtschaftlicher Betriebsmittel wird häufig unterschätzt, das Risikopotenzial überschätzt," erklärte Schmitz.
Positive und negative Nebenwirkungen
Zu den negativen "externen Effekten" des chemischen Pflanzenschutzes zählen Belastungen der Gewässer, die Verringerung der Artenvielfalt sowie Gesundheitsgefahren für Anwender und Verbraucher. Es gibt aber auch positive externe Effekte: die Anwendung des chemischen Pflanzenschutzes trägt zur Ernährungssicherung bei, ein positiver Gesundheitsbeitrag ist das große Angebot von preiswertem Obst und Gemüse durch chemischen Pflanzenschutz, ein positiver Umweltbeitrag der geringere Landverbrauch bei intensiver Landwirtschaft.
Die Nutzen-Kosten-Analyse bewertet diese Wirkungen. Sie liefert damit wichtige Entscheidungshilfen für die Politikgestaltung. Nutzen-Kosten-Analysen sind in den USA bei allen wichtigen Politiken und öffentlichen Projekten vorgeschrieben. "Sie sollten auch in Deutschland mehr als bisher für politische Entscheidungen genutzt werden", forderte Schmitz.
Der Wert von Qualität und Sicherheit
Der Gießener Wissenschaftler hat in seiner Untersuchung auch die verminderten Einkommensrisiken der Landwirte durch den chemischen Pflanzenschutz bewertet und auf 1,8 bis 2,6 Milliarden DM pro Jahr beziffert. Diese Summe muss den oben genannten 36 Milliarden hinzugefügt werden. Die bessere Produktqualität schlägt Schmitz zufolge mit einem Zusatznutzen von ca. 2,3 Milliarden DM zu Buche.
Durch Innovationen im Pflanzenschutz dürften negative externe Effekte von gut vier Mrd. Mark abgebaut werden.
Die genannten statischen Wohlfahrtsgewinne bringen Wettbewerbsvorteile für Deutschland, die sich auf Forschung, Entwicklung, Investitionen und das Wirtschaftswachstum allgemein auswirken. Eine Beschränkung des Agrarchemieeinsatzes wäre deshalb mit einem Verzicht auf dynamische Wohlfahrtsgewinne der Volkswirtschaft verbunden, die Wachstumsraten von 2 bis 2,5 Prozentpunkten entsprechen. Weltweit schließlich senkt der Einsatz von Agrarchemie den Flächenverbrauch um 14 bis 25 Prozent. Er trägt damit maßgeblich zum Erosions- und Klimaschutz bei.
"Partnerschaft von Politik und Wirtschaft"
Um die Vorteile aus dem chemischen Pflanzenschutz zu erhalten und potenzielle negative externe Effekte zu verringern oder zu vermeiden, schlägt Schmitz eine Partnerschaft von Politik und Wirtschaft vor. Die Wirtschaft ist dabei verantwortlich für die Entwicklung und den Einsatz neuer Wirkstoffe, neuer Technologien und innovativer Verfahren sowie für die Schulung der Anwender.
Die Politik schafft hierfür geeignete Rahmenbedingungen und gestaltet ihre Instrumente nach den Prinzipien der Subsidiarität, der fiskalischen Äquivalenz und der ökologischen Effizienz. "Symbolhafte pauschale Ökosteuern im chemischen Pflanzenschutz sind wegen der geringen ökologischen Lenkungswirkung als politische Instrumente ungeeignet", erklärte Schmitz. Auf Leitbilder und einseitige Fördermaßnahmen zugunsten politisch opportuner Landbauformen sollte verzichtet werden. Dagegen sollte öffentliche Forschungs- und Entwicklungsförderung in Kooperation mit privaten Aktivitäten eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft unterstützen. "Wenn Wirtschaft und Politik diese Art‚ Public-Private-Partnership’ eingehen, muss man sich um die Zukunft der Landwirtschaft, um die Umwelt und um die Gesundheit der Menschen beim Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel keine Sorgen machen," sagte der Wissenschaftler.
Industrie: Marktorientierung ist Verbraucherorientierung
IVA-Präsident Küsgen plädierte für eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Nahrungsmittelkette. Durch intensive Information und Beratung der Anwender will die Industrie zum sicheren und umweltverträglichen Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln beitragen. Durch offene Kommunikation und Transparenz der Produktionsprozesse soll das Vertrauen der Verbraucher in die moderne Landwirtschaft wieder gefestigt werden. Wirkungsvoller Verbraucherschutz, so Küsgen, setzt jedoch voraus, dass Entscheidungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen und Nutzen und Risiken von Produkten und Verfahren sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Zur Agrarpolitik erklärte Küsgen: "Es ist nicht Aufgabe des Staates, bestimmte Wirtschaftsweisen zu privilegieren oder zu diskriminieren. Erzeuger und Verbraucher sollen selbst entscheiden, wie Lebensmittel erzeugt und vermarktet werden." Eine marktorientierte Agrarpolitik garantiere auch eine verbraucherorientierte Produktion. Küsgen zeigte sich überzeugt, dass sich eine leistungsfähige und unternehmerisch denkende Landwirtschaft in Europa auch bei weiteren Liberalisierungsschritten, wie sie im Gefolge der WTO-Verhandlungen und der Osterweiterung zu erwarten sind, im internationalen Wettbewerb behaupten kann. (IVA)
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