Genome Editing: Neue Entwicklungen in der Gentechnik

Vor knapp 25 Jahren trat das Gentechnikrecht in seiner jetzigen Fassung in Kraft. Seitdem hat es in der Gentechnik viele Entwicklungen gegeben. Der wissenschaftliche Fortschritt birgt sowohl für die Risikobewertung als auch für das behördliche Handeln kontinuierliche Herausforderungen.

Anzeige

BVL-Symposium beschäftigt sich mit Auswirkungen für Wissenschaft, Wirtschaft und Behörden
Vor knapp 25 Jahren trat das Gentechnikrecht in seiner jetzigen Fassung in Kraft. Seitdem hat es in der Gentechnik viele Entwicklungen gegeben. Der wissenschaftliche Fortschritt birgt sowohl für die Risikobewertung als auch für das behördliche Handeln kontinuierliche Herausforderungen. Darin waren sich alle Referenten auf dem Symposium „Herausforderungen 2015“ einig, welches das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 5. und 6. November im historischen Ambiente des Weltsaals des Auswärtigen Amtes in Berlin veranstaltete.

„Die Gentechnik ist in den vergangenen 30 Jahren Bestandteil des täglichen Lebens geworden“, stellte BVL-Präsident Dr. Helmut Tschiersky in seiner Eröffnungsrede fest. Allerdings stießen die verschiedenen Anwendungsgebiete der Gentechnik auch auf unterschiedliche Akzeptanz. „Ich glaube, viele Menschen sind sich dessen gar nicht bewusst, wo ihnen heuteüberall Produkte begegnen, die durch den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden.“

Der BVL-Präsident machte wie auch Dr. Klaus Heider, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, klar, dass Behörden und Politik eine solide wissenschaftliche Basis für ihr Handeln brauchen. „Wir benötigen Sicherheitsbewertungen, transparente Information und wissenschaftliche Beratung auch im internationalen Kontext, um politische Entscheidungen treffen zu können.“ Dr. Heider wies dabei auf die wichtige Rolle der Zentralen Kommission für die biologische Sicherheit (ZKBS) hin – auch im Bereich der synthetischen Biologie.

ZKBS
Die ZKBS stand im Mittelpunkt des ersten Symposiums-Teils. Die unabhängige Kommission, die Bund und Länder bei der Sicherheitsbewertung von gentechnischen Organismen und Anlagen berät, wird sich nach Einschätzung ihres Vorsitzenden Prof. Dr. Herbert Pfister in den kommenden Jahren verstärkt mit gv-Arbeiten in den höchsten Sicherheitsstufen 3 + 4, mit Arbeiten im Bereich der synthetischen Biologie und mit Grenzfällen in der Gentechnik beschäftigen.

In Hochsicherheitslaboren wird derzeit vor allem an Influenza-A- und Ebola-Viren geforscht. Ziele der Forschungsarbeiten sind beispielsweise Untersuchungen zur Übertragung von Viren zwischen verschiedenen Wirten, um das Auftreten von Pandemien zukünftig besser vorhersagen zu können. Diese Untersuchungen machen Gebrauch von gentechnischen Methoden. Die ZKBS hat deshalb einen Arbeitskreis eingerichtet, der sich speziell mit diesen Influenzaviren beschäftigt.

Synthetische Biologie
Die Vorträge zur synthetischen Biologie machten deutlich, dass diese Technologie in ihren Anfängen steht, sich aber rasant weiterentwickelt. Die Forscher gehen dabei von unterschiedlichen Ansatzpunkten mit Übereinstimmung zu Fragen der Gentechnik aus. Gemein ist ihnen jedoch die Frage, wann von einem „lebenden“ Organismus gesprochen werden kann. Hier fehlen noch Definitionen. Prof. Dr. Steen Rasmussen vom Center for Fundamental Living Technology in Dänemark wies darauf hin, dass das „Leben“ in künstlichen Zellen nicht notwendigerweise auf biochemischen Prozessen beruhen müsse. Auf diesem Gebiet führt die ZKBS seit vier Jahren ein Monitoring durch.

Neue Methoden und Organismen
Auf die Regulierungsbehörden kommen durch die Entwicklungen in der Gentechnik neue Herausforderungen zu. Neben der Anwendung der Gentechnik in weiteren Organismen wie etwa Insekten ist dies die Einführung von neuartigen Techniken zur Veränderung von Genomen und zur Genregulierung. Techniken wie die Oligonukleotid basierte Mutagenese und das Genome Editing sollen Änderungen zielgerichtet in das Genom einbringen. Mittels der RNAi-Technologie können Pflanzen künftig Nukleinsäuren produzieren, die nach Aufnahme in Fraßschädlingen bestimmte Gene ausschalten und so die Schädlinge bekämpfen. Prof. Dr. Andreas Vilcinskas von der Justus-Liebig-Universität Gießen betonte aber auch, dass weitere Forschung zur Risikoeinschätzung der RNAi-Technik nötig sei.

Den Abschluss des ersten Symposiumstages bildete eine angeregte Podiumsdiskussion zur Fragen der Risikowahrnehmung und -kommunikation. Die Teilnehmer Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung, Uwe Moldrzyk vom Berliner Naturkundemuseum, Dr. Joachim Müller-Jung von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Jürgen Stellpflug von der Zeitschrift Öko-Test waren sich einig, dass verschiedene Mechanismen und Rahmenbedingungen sowohl bei der Wissenschaft und den Medien als auch beim Verbraucher für Skepsis gegenüber neuen wissenschaftlichen Entwicklungen sorgen. Verbraucher in Deutschland seien – so die Einschätzung der Diskutanten – kritisch bis überkritisch, vielleicht sogar ängstlich. Das läge an der grundsätzlichen Angst vor dem Unbekannten, auf das man keinen Einfluss hat, sowie an der hohen Wertschätzung der Deutschen gegenüber allem vermeintlich Natürlichen. Bekannte Risiken wie das Rauchen, welches man selber kontrollieren könne, würden eher akzeptiert. Während die Wissenschaft ihre Kommunikation verbessern und professionalisieren müsse, seien Journalisten aufgerufen, ihrer Recherchepflicht nachzukommen. Nur so könnten klare Einschätzungen den Verbraucher erreichen.

Internationale Herausforderungen
Der zweite Tag des Symposiums stand ganz im Zeichen der globalen Vernetzung und der daraus resultierenden Herausforderungen. Viele Länder, die Agrarprodukte exportieren, bauen gv-Pflanzen an, während in den Ländern, die viele Agrarprodukte importieren, eher selten gv-Pflanzen angebaut werden. Dies stellt gerade die Futtermittelwirtschaft vor ein Problem. Es wird trotz strenger Verträge immer schwieriger, zuverlässig nicht gentechnisch veränderte Ware zu importieren. Die Lebensmittelwirtschaft sieht sich vor ähnliche Probleme gestellt. Meinungsumfragen zeigen, dass es in Deutschland eine eher skeptische bis ablehnende Haltung zur Gentechnik im Lebensmittelbereich gibt. Der Lebensmittelhandel vermeidet deshalb Produkte, die als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen. Etwa 60 bis 70% der Lebensmittel kämen jedoch auf unterschiedliche Weise mit Gentechnik in Berührung, so Dr. Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. „Dadurch steigen die Kosten für die Vermeidungsstrategie.“ Für die Überwachungsbehörden sind vor allem neue Züchtungskombinationen von GVO (‚stacks‘) und Spuren von nicht-zugelassenen – meist auch noch unbekannten – GVO in konventioneller Ware ein Problem. „Nicht für alle GVO ist Referenzmaterial vorhanden“, erklärte Dr. Ulrich Busch vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. „Damit wird die Entwicklung neuer Nachweissysteme und ein gesicherter Nachweis im Rahmen der Überwachung erschwert.“

Technisierung der Gesellschaft
Den Abschluss – und auch sicherlich einen Höhepunkt – des Symposiums stellte der Leitlinienvortrag von Prof. Dr. Achim Grunwald dar, Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe und Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Er ging dabei der Frage noch, ob neue Möglichkeiten der Biotechnologie unsere Vorstellung vom Leben verändern. Prof. Dr. Grunwald bejahte das und verdeutlichte dies an Änderungen des Sprachgebrauchs. Immer häufiger würden biologische Sachverhalte mit technischen Begriffen erklärt, so das Hämoglobin im Blut als ‚Fahrzeug‘. „Diese Technisierung in sprachlichen Ausdrücken findet überall statt, auch in den Medien, der Politik und im Alltagsleben.“ Prof. Dr. Grunwald zeigte sich aber der Meinung, dass die Technisierung teilweise notwendig sei, um biologische Abläufe rational zu verstehen. Es werde jedoch zu einem Problem, wenn man das „Leben“ oder den Menschen auf Technik reduziere. „Die Unterscheidung der Perspektive ist das Entscheidende.“ Die Menschen sollten die Technisierung des Lebendigen immer wieder hinterfragen.

Neuen Kommentar schreiben

Kommentare (0)

Bisher sind keine Kommentare zu diesem Artikel erstellt worden.