Gärtnerei Viehweg: Von Kohle auf Holz

Während ihrer fast 70‐jährigen Geschichte hat die Gärtnerei Viehweg so manches erlebt ‐ auch im Energiebereich. Erst Öl, dann Anthrazitkohle und nun Holzhackschnitzel. Veränderungen kennzeichnen den Weg und fordern ständige Anpassungen.

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Während ihrer fast 70‐jährigen Geschichte hat die Gärtnerei Viehweg so manches erlebt ‐ auch im Energiebereich. Erst Öl, dann Anthrazitkohle und nun Holzhackschnitzel. Veränderungen kennzeichnen den Weg und fordern ständige Anpassungen.

Die Entwicklung der Gärtnerei Viehweg aus Issum‐Sevelen liest sich wie ein Klassiker im niederrheinischen Anbaugebiet: 1938 gegründet als Allrounder, Spezialisierung auf Azerca‐Kulturen, schließlich Umstellung auf Topfstauden sowie Beet‐ und Balkonpflanzen. Von den klassischen Azerca‐ Kulturen sind nur noch Callunen und Gaultherien übrig geblieben. Sie bilden heute zu 10 bis 15 % das Umsatzvolumen. Der Anteil an Topfstauden hingegen ist stark gewachsen, ob nun mit eigenen Züchtungen bei Gentiana oder Helleborus oder mit bekannten Marken wie beispielsweise das Herbstzauber‐ und Frühlingsflirt‐Sortiment oder Greenboys bei Hebe.

Heute steht der Betrieb mit Thomas Viehweg in der dritten Generation. Der 41‐jährige Gärtnermeister hat schon so manche turbulente Phase mitgemacht: 1999 Aufbau des neuen Betriebes in Sevelen, 2003 und 2006 Erweiterungen am Standort, 2005 Umstellung der Heizanlage auf Anthrazitkohle, 2007 Übernahme des Betriebes als alleiniger Inhaber. Heute verfügt der Betrieb über eine geschützte Anbaufläche von rund 4,2 Hektar. Dazu kommt eine Containerstellfläche im Außenbereich von gut zehn Hektar. Bei den Gewächshäusern dominiert die Venlo‐Konstruktion mit Stehwandhöhen von 4,50 m und 5,50 m. Ausnahme und zugleich Kuriosität ist ein spezielles Cabrio‐Gewächshaus aus Kanada mit einer Fläche von rund einem Hektar. Dabei handelt es sich um eine Konstruktion mit einer dreilagigen Gitterfolie, die sich (von außen über Motoren und Antriebswellen) komplett aufrollen lässt. "Ein ideales Klima für Stauden zum Verfrühen" meint Thomas Viehweg. "Das Haus wird frostfrei gehalten, die Folie schattiert zu 25% und erzeugt ein schönes diffuses Licht". Nur Energie lässt sich damit natürlich nicht einsparen – deshalb auch die Nutzung als Kalthaus.

Doppelter Energieschirm
Das ist bei den neuen Venlo‐Häusern anders. Sie besitzen eine Eindeckung aus Diamantglas und sind mit einem doppelten Energieschirm ausgestattet. Für Thomas Viehweg ist das eine ideale Kombination, weil sie ein Höchstmaß an Flexibilität zulässt. Das Glas sorgt dabei für ein Maximum an Licht (Durchlässigkeit 91%, im UV‐B‐Bereich etwa 50%), die zwei Schirme schattieren und minimieren den Energieverlust. Und das alles nach Bedarf bzw. nach Anforderung seitens der Kulturpflanzen. Der hoch transparente Tagesschirm spielt dabei die Rolle des Jokers. Benötigen die Kulturen Licht, bleibt der Schirm auf – ist genügend Licht vorhanden, wird er geschlossen und bleibt durchaus auch den ganzen Tag über zu. Darüber hinaus gibt es dann noch eine Reihe von Zwischenstufen. So bleibt der Tagesschirm morgens länger geschlossen und verhindert nach Öffnung des Energieschirms den Einfall von kalter Luft in den Pflanzenbestand. Ebenso entstehen Sparpotenziale, wenn der Schirm abends früher geschlossen wird. Versuche im Gartenbauzentrum Straelen haben bestätigt, dass ein zusätzlicher Tagesschirm den Energieverlust nachts um 25% und bei Einsätzen tagsüber nochmals um 9 % senken kann.

Für den zweiten Energieschirm (und als Schattieranlage mit 40 %) wählte Thomas Viehweg ein stark luftdurchlässiges Gewebe, um auch bei geschlossenem Schirm ausreichend lüften zu können. Seine Erfahrungen zeigen, dass die dicht gewebten Energieschirme zwar gut die Wärmeverluste minimieren, aber vor allem im Sommer Probleme bei der Klimatisierung verursachen können. Einen weiteren Beitrag zur Energieeinsparung leisten im Betrieb Viehweg die Flügel‐Heizrohre, die darüber hinaus noch mit einer Hebe‐Senk‐Vorrichtung versehen sind. Die Spezialrohre besitzen die gleiche Wärmeabstrahlung wie normale Heizungsrohre, führen aber weniger Wasser. Dadurch mindert sich die zu regelnde Wassermenge, was eine exaktere Steuerung zur Folge hat. Mit der Hebe‐Senk‐Vorrichtung lässt sich die Energie zudem noch exakt in den Pflanzenbestand abstrahlen, was die Verluste um ein Weiteres minimiert. Thomas Viehweg führt noch einen Aspekt an: mit dieser Technik spart er nicht nur die obere Heizung, sondern aufgrund der Thermik auch die Ventilatoren, die sonst zur Vermeidung einer Temperaturschichtung notwendig sind. Das verringert den Aufwand für Energie und Investition.

Darüber hinaus sind alle Häuser mit einer Ebbe‐Flut‐Bewässerung ausgerüstet. Das ist nicht nur aus Sicht der Kulturführung und der Pflanzengesundheit sinnvoll, sondern mindert beispielsweise gegenüber einer Mattenbewässerung den Einsatz an Energie. Verdunstet Wasser, dann entzieht es der Luft Energie. Besser im Sinne einer Energieeinsparung ist daher eine Bewässerungsform, bei der nur kurz geflutet wird, die Pflanzen sich das Wasser nehmen und dann wieder trocken stehen. "Oftmals sind es aber gar nicht die großartigen Techniken oder Investitionen, mit denen sich Energie einsparen lässt", ergänzt Thomas Viehweg. Für ihn ist es inzwischen Routine, vor der Heizperiode einen Wärmecheck durchzuführen, die Energieschirme zu kontrollieren und gegebenenfalls nachstellen zu lassen und Pumpen bzw. Mischer zu kontrollieren. Einige Prozent bringen auch in die Häuser installierte Rollschirme oder Folienwände, die den Raum in Klimabereiche aufteilen. So lassen sich die einzelnen Kulturen exakter steuern oder beim Einräumen werden nur jene Areale geheizt, in denen bereits Pflanzen stehen. Das alles bringt häufig mehr als teure Sparkonzepte, bei denen ja auch immer die Amortisation mit berücksichtigt werden muss.

Wir heizen CO2‐neutral
Aus diesem Grund stand auch der Rechenstift Pate, als die Umstellung des Energieträgers zur Diskussion stand. Flexibel war die Gärtnerei Viehweg in dem Zusammenhang schon immer. Vom Öl ging es vor rund sechs Jahren auf die Anthrazitkohle. Wie in vielen anderen Betrieben auch, ging es hierbei hauptsächlich um die Senkung der Energiekosten, denn Kohle war deutlich preisgünstiger als Öl. Obwohl die hochwertige Anthrazitkohle gegenüber anderen Sorten die Umwelt noch mit am geringsten belastet, steht sie als fossiler Energieträger in der Diskussion. Thomas Viehweg hat sich deshalb (und weil im Zuge der Betriebserweiterung Anpassungen auch am Heizsystem anstanden) nach einem Energieträger umgesehen, der ihm eine thermische Verwertung aus nachwachsenden Rohstoffen garantiert und ist bei Holzhackschnitzeln gelandet. "Damit heizen wir praktisch CO2‐ neutral", erzählt er. Das Heizmaterial besteht aus Wald‐ und Grünholzschnitzeln aus der Forst‐ und Landschaftspflege direkt aus der Umgebung. Damit ist auch eine gewisse Regionalität gewährleisten, was die Ökobilanz noch einmal verbessert. Kernstück seines neuen Energiekonzeptes ist eine Heizanlage, die auf eine Leistung von 2,4 MW ausgelegt ist. Diese ist in der Lage, ohne Leistungsminderung Material mit einer Restfeuchte von 45 % zu verarbeiten. Der gesamte Vorgang läuft relativ wartungsarm ab. So erfolgt die Materialzufuhr vollautomatisch hydraulisch mit ebenfalls automatischer Reinigung der Rauchzüge und automatischen Ascheaustragung. Voraussetzung ist bei Anlagen dieser Art allerdings ein hoher Platzbedarf, allein schon für die Vorratsbunker. Mit dazu gehört ein 500 m³ fassender Wärmespeicher als Sicherheitspuffer.

Auch wenn die Anlage derzeit problemlos läuft und der Nachschub an Heizmaterial gesichert ist – Thomas Viehweg denkt bereits wieder über die Zukunft nach. Und die besteht aus Energiepflanzen (z.B. Miscanthus), die in Zusammenarbeit mit einem Landwirt angebaut werden könnten. Land dafür gäbe es genug. Miscanthus besitzt allerdings das Problem, erst lange Zeit auf dem Feld trocknen zu müssen, bevor es geerntet und (dann in großen Mengen) gelagert wird. Das beansprucht noch größere Lagerkapazitäten als bei der kontinuierlichen Anlieferung mit Holzhackschnitzeln. Deshalb hat sich Thomas Viehweg erst einmal für die Holzhackschnitzel entschieden. Das Thema Energiepflanzen bleibt für ihn allerdings in der Diskussion, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können.

Seitens der Kulturtechnik hat der findige Unternehmer eine weitere Idee, um den Energieverbrauch nochmals zu reduzieren. Er könne sich vorstellen, im Winter seinen Pflanzen nur im Wurzelbereich über eine Bodenheizung Wärme zuzuführen und das Gewächshaus ansonsten frostfrei zu halten. Das geht natürlich nur bei bestimmten Pflanzenarten. Zukünftige Projekte werden zeigen, welche Sorten dafür infrage kommen und wie sich das technisch umsetzen lässt. (Quelle: EP)
 

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