Schweiz: Karotten würden deutlich teurer

Eine Annahme der Trinkwasserinitiative würde den Anbau von Karotten deutlich verteuern. Optionen für Gemüsebaubetriebe wären der Verzicht auf Direktzahlungen und "weiter wie bisher" oder der Umstieg auf Bio.

Biobauer Bernhard Elmiger geht davon aus, dass Kupfer-Einsatz bei Annahme der Initiative verboten würde. Das wäre für verschiedene Kulturen ein Problem. Bild: ep, lid.ch.

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Auf Bio umstellen? "Falls nötig: ja", sagt der Gemüsegärtner Reto Huber aus Sünikon ZH. Er spricht vom Fall, das das Stimmvolk die Trinkwasserinitiative, über die voraussichtlich im November abgestimmt wird, annimmt und das Parlament den Initiativtext so auslegt, das im Biolandbau zugelassene Pflanzenschutzmittel erlaubt bleiben. Doch daran zweifelt Huber: "Wenn die Initiative wortgetreu umgesetzt wird, dann werden sämtliche Pflanzenschutzmittel verboten." Und für diesen Fall sehe er definitiv schwarz für den einheimischen Gemüseanbau - egal ob biologisch oder herkömmlich. Doch daran mag er trotz allem nicht so recht glauben. Er hofft, das die Bevölkerung die Problematik eines totalen Verbotes erkennt, wenn sie ehrlich informiert wird.

Pflanzenschutz bereits angepasst

Reto Huber produziert jährlich auf rund 100 Hektaren konventionell mehr als 20 verschiedene Gemüse, davon sind rund ein Drittel Karotten. Wie würde sich eine Annahme der Initiative bei ihm auf den Karottenanbau auswirken? Ein Teilverbot von Pflanzenschutzmittel erfolgte ja bereits mit dem Rückzug diverser Wirkstoffe in den letzten Jahren. Schon das machte technische Anpassungen im Anbau nötig. Einen Wendepunkt bildete insbesondere das Verbot des Herbizides Linuron, welches in früheren Jahren das Unkraut auf und zwischen den Karottendämmen zuverlässig abräumte. Bereits als sich der Zulassungsstopp abzeichnete, schaffte sich der Gemüsegärtner ein Rollhackgerät an. Mit ihm bekämpft er das Unkraut nun vermehrt mechanisch, was durchaus auch Vorteile hat, weil so mehr Luft in den Boden kommt. Auf den frisch geformten Karottendämmen lässt er zuerst während ein paar Tagen ein sogenanntes falsches Saatbeet zu, bis das Unkraut auskeimt. Dieses behandelt er gleich nach der Aussaat mit einem Vorauflaufherbizid. Dieses habe aber im Gegensatz zu Linuron nur eine Teilwirkung, sagt Huber. Wenn die Karotten 8 bis 10 cm hoch sind, erfolgt ein erster Hackdurchgang mit der Rollhacke auf den Dammseiten, die dann wiederum mit dem Dammformer nachgehäufelt werden müssen. Dieser Arbeitsgang war im Linuron-Zeitalter noch nicht nötig. Bis das Karottenkraut das Unkraut genug abdeckt, ist mindestens ein zusätzlicher Feldgang mit der Hacke nötig, bei dem manuell gejätet wird. Gegen den in Karotten oft auftretenden Alternaria-Pilz braucht es außerdem zwei bis drei Fungizidbehandlungen. "Hier mit Schadschwellen zu arbeiten ist schwierig", erklärt Huber. Wenn der Pilz sichtbar werde, sei es in der Regel schon zu spät.

Biomarkt kommt in Bedrängnis

Bernhard Elmiger aus Ermensee LU baut Biokarotten an. Wie Reto Huber lässt er auf seinen Dämmen zuerst ein falsches Saatbeet wachsen, die Keimlinge flammt er dann mit dem Gasbrenner ab. Danach kommt mehrmals das Hackgerät zum Einsatz so lange die Pflanzen noch nicht allzu groß sind. Danach wird zwischen den Karotten von Hand gejätet, je nach Jahr und Unkrautbefall sind das bis zu 300 Arbeitsstunden pro Hektare. "Hier besteht ein großer Kostenfaktor im Vergleich zum konventionellen Anbau", erklärt Elmiger. Gegen Alternaria setzt er je nach Situation nur wenn nötig ein kupferhaltiges Pflanzenschutzmittel ein. Die Möhrenfliege hat er soweit im Griff, er benutzt wie Huber kein Insektizid. Inwiefern wäre also Elmiger von einer Annahme der Initiative betroffen? "Ich gehe davon aus, das beispielsweise Kupfer verboten würde", sagt er. Bei den Karotten sei das zwar mit Schwierigkeiten verbunden, aber irgendwie wohl verkraftbar. "Bei Kulturen wie Kartoffeln würde es aber sehr anspruchsvoll." Doch vor allem befürchtet er, das viele konventionelle Gemüseproduzenten bei einer Annahme der Initiative in die Bioproduktion umsteigen würden. "Und das wäre fatal für den Markt und die Preise", sagt er.

Ohne Pflanzenschutzmittel steigt der Preis

Als Vorkultur bevorzugt Huber Getreide und nicht Kulturen, die viel organische Maße und damit potentielle Keime auf dem Feld übrig lassen, wie beispielsweise Kohlkulturen. Huber sät zudem nur alle vier Jahre Karotten auf dem gleichen Feld aus, obwohl eine engere Fruchtfolge erlaubt wäre. Vielleicht auch deshalb hat er kaum Probleme mit der Möhrenfliege, welche bei anderen Gemüseproduzenten regelmäßig große Schäden verursacht. Eine Studie von Agroscope zeigte, das bereits ab einem Möhrenfliegen-Befall von 15% massive Ertragsausfälle entstehen, bis hin zum Totalverlust. Wenn überhaupt, kann in diesem Fall nur eine Insektizidbehandlung mit Pyrethroiden die Ernte retten. Was unter Trinkwasserinitiativen-Bedingungen aber nicht mehr möglich wäre. Bei einer Annahme der Initiative rechnet Reto Huber mit mehr Arbeitsaufwand für das Jäten und höheren Ernteausfällen, weil Alternaria nicht mehr effektiv bekämpft werden könnte. Die Kosten für die Karottenproduktion wären bei ihm also deutlich höher, die Abnahmepreise müssten deutlich steigen. Mit skeptischem Blick fragt Huber: "Ist der Konsument wirklich dazu bereit?"

Ausstieg aus Direktzahlungen ist eine Option

Eigentlich müssten erst recht die Biogemüsegärtner gegen die Initiative sein, findet Reto Huber. "Sie verlieren auf jeden Fall". Denn: Folge ein Totalverbot für Pflanzenschutzmittel, sei auch der Bio-Gemüseanbau mehr oder weniger am Ende. Blieben die Biomittel erlaubt, würde der Biomarkt wegen den zusätzlichen Mengen von den Umsteigern wohl kollabieren, glaubt er. Der Bioanteil in der Schweiz beim Frischgemüse betrug im letzten Jahr flächenmäßig gerade einmal 17%. In wüchsigen Jahren besteht bereits heute ein Überangebot, weil der Markt zu klein ist. Vor allem große Gemüsebaubetriebe lassen aber durchblicken, das für sie vor allem ein Ausstieg aus dem Direktzahlungssystem im Fall einer Annahme der Initiative eine realistische Option sei, weil dann Pflanzenschutzmaßnahmen im bisherigen Rahmen für sie erlaubt blieben. Das gilt auch für Reto Huber: "Letztlich bestimmen aber die Konsumenten, welche Produkte sie wollen." Gemüsegärtner sind bekannt dafür, das sie sich immer nach dem Markt richten. Sollte dieser tatsächlich mehr deutlich teurere Bioprodukte verlangen - was er nicht so richtig glauben kann -, würde er sich sogar danach richten, sagt er. Huber stellt aber klar: "Ich bin überzeugt, das nur eine Landwirtschaft mit einem optimierten, modernen Pflanzenschutz unter Einsatz von neuen Technologien unsere Bevölkerung langfristig ernähren kann." (lid.ch)

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