Schweiz: Das Feld als bunte Farbpalette

Christoph Johner produziert in Kerzers mehr als 65 verschiedene Gemüsesorten. Über Marktstände, kleine Läden und Restaurants gelangt die Gemüsevielfalt an die Kundschaft - dank findigen Ideen auch zu Zeiten des Lockdowns.

Das Zusammenstellen von verschieden farbigem Gemüse macht Christoph Johner viel Freude. Bild:as.

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Mit großen Schritten eilt Christoph Johner über ein Gemüsefeld im freiburgischen Kerzers. Alle paar Meter reißt er ein paar Karotten mitsamt dem dekorativen Grün aus der Erde. Was er am Schluss in der Hand hält, ähnelt einem frühlingshaften Blumenstrauß: Jeder Kartottenbund hat eine andere Farbe, ein Hochgenuss fürs Auge. „Köchen kann ich mit solchen Variationen eine riesige Freude machen“, sagt der Gemüsebauer. Und nicht nur seine Karotten sind farbig, sondern auch die Krautstiele, die Cherry-Tomaten und die Salatköpfe. Mehr als zwanzig Sorten Salat in allen Varianten wachsen auf den fruchtbaren Feldern – in einer Farbpalette von dunkelviolett bis hellgrün leuchten die saftigen Salatköpfe um die Wette.

Mehr als 65 Kulturen wachsen bei Christoph Johner auf mehreren Parzellen, die insgesamt 23 Hektar umfassen. Einige Kulturen wie Auberginen in zahlreichen Formen und Farben sowie kunterbunte Chilis wachsen geschützt in Folientunnels, andere Gemüsearten wie zum Beispiel alte Kartoffelsorten, Kräuter, Zwiebeln oder Spargeln im Freiland.

Die Parzellen, die zu Johners vielseitigem Gemüsebetrieb gehören, sind weit herum verstreut, einige davon liegen sogar jenseits der Kantonsgrenze im bernischen Müntschemier.

Vielfalt an Gemüse verlangt Übersicht

„Das ist historisch so gewachsen. Diese Flächen kamen von meiner Großmutter her zum Betrieb dazu“, sagt Christoph Johner. Später ist noch ein kleines Nachbars-"Heimat" von sechs Hektaren als Pachtland dazugekommen. „Trotz der Zerstückelung konnten wir durch eine Güterzusammenlegung schöne, zusammenhängende Parzellen gewinnen“, sagt Johner. Trotzdem ist es nicht immer ganz einfach bei der großen Vielfalt den Überblick zu behalten. Erleichtert wird ihm dies durch eine Fruchtfolgeplanung, die er anfangs Jahr manuell macht, und durch die Mithilfe des rumänischen Paares, Lionel und Maria, das über viele Jahre Erfahrung im Gemüsebau in Spanien verfügt und ihn seit Kurzem tatkräftig auf dem Betrieb unterstützt.

Nebst Gemüse und Kräutern produziert Christoph Johner auch Getreide wie Gerste, Weizen oder Mais. In diesem Bereich verpflichtet er sich den strengeren IP-Suisse-Richtlinien, bei denen auf den Einsatz von Fungiziden und Insektiziden verzichtet wird.

Zur Markt gehen ist Familiensache

Da durch die vielen unterschiedlichen Kulturen auch viel Arbeit anfällt, versucht Christoph Johner, wann immer es geht, maschinell zu arbeiten. Außer einem Mähdrescher und einer Maschine mit welcher die Dämme bei den Karotten angelegt werden, besitzt er alle Maschinen selber. Darunter befinden sich auch mehrere Setzmaschinen sowie Maschinen der Marke Eigenbau. Was er nicht selber im Maschinenpark hat, mietet er bei einem Lohnunternehmer in der Nähe. Die Maschinen bedient er dann jedoch selber. Ein Nachbar ist Landmaschinenmechaniker und hilft ihm bei Reparaturen oder Wartungsarbeiten weiter.

Bei einigen Arbeiten, die auf dem Betrieb ebenfalls anfallen, hilft Christophs Vater, mittlerweile 76 Jahre alt, noch immer gerne mit. So chauffiert er heute Vormittag beispielsweise frisch geerntete Auberginen in die nahegelegene Landi und geht am Nachmittag aufs Feld, um lästige Placken zu stechen.

Christophs Frau Therese arbeitet mit einem 40%-Pensum als Pflegefachfrau, kümmert sich um den Haushalt und die neunjährigen Zwillinge. "Am Dienstag und Samstag betreiben wir einen Marktstand in Bern, am Samstag zusätzlich einen in Ostermundigen", sagt Johner. Sein Vater, ein Cousin und Christophs Schwester helfen dort ebenfalls tatkräftig mit. "Der Marktbetrieb ist bei uns eine Familienangelegenheit. Da hilft man einander gerne aus", sagt Johner. Die beiden Marktstände seien eine gute Art, um mit den Kundinnen und Kunden in persönlichen Kontakt zu treten.

Vom Büro aufs Feld

Dazu kommt ein Hofladen in Kerzers, der ebenfalls über eine treue Stammkundschaft verfügt. Der Rest des Gemüses und der Kräuter fließt in die Gastronomie, an Pflegeheime, Kitas oder wird über kleinere Läden, Bäckereien oder Metzgereien vertrieben. "Mein Vater hat hier noch Milchwirtschaft und Schweinemast betrieben. Heute ist unser Betrieb jedoch viehlos", sagt Johner, der den Betrieb bereits in fünfter Generation führt.

Sein beruflicher Weg hat mit einem Bürofachdiplom und anschließender kaufmännischer Lehre in der Landi Gümmenen seinen Anfang genommen. Nach einer kurzen Zeit als LKW-Chauffeur, hat er sich entschieden in Yverdon eine Lehre zum Gemüsegärtner zu absolvieren. Da ihm diese Ausbildung leichtfiel, entschied er sich die Betriebsleiterschule sowie die Meisterprüfung anzuhängen. Heute ist er zudem als Präsident der SVP Kerzers sowie als Vize-Präsident der örtlichen Bewässerungsgenossenschaft im Einsatz.

Bei so vielen Engagements bleibt nicht viel freie Zeit übrig. Trotzdem nimmt er sich immer wieder Zeit für Experimente. So wächst im Folientunnel zum Beispiel Ingwer und am Rande des Zwiebelfeldes sollen bald Erdnüsse geerntet werden.

Kreativ durch die Krise

Im Frühling und Sommer runden jeweils bunte Blumen wie Stiefmütterchen oder Tulpen das Angebot von Christoph Johner ab. Das war auch in diesem Frühling so, doch dann kam Corona. „Zuerst habe ich schon etwas Panik gehabt, denn von einem Tag auf den anderen fielen 60 bis 70% meines Umsatzes weg“, sagt Johner. So konnte er weder die Gastronomie-Betriebe oder Kitas weiter beliefern, noch seine beiden Marktstände betreiben. Nachdem die erste Panik vorbei war, begann er jedoch, nach alternativen Lieferwegen zu suchen. „Zuerst wollte ich Kurz-Arbeit anmelden, doch dann kam mir die Idee mit einem Bestell-Service“, sagt er.

So konnten die Kundinnen und Kunden anhand von Produktelisten online Gemüse-Bestellungen aufgeben und die Kistchen an zwei verschiedenen Orten selbständig abholen. Bereits nach einigen Tagen lief der Service richtig gut und Christoph Johner konnte einen Teil seines Verlustes auffangen. „Ich glaube, man muss halt manchmal wirklich kreativ werden und sich bewegen“, sagt Johner im Rückblick.

Die Rechnungen habe er bei den Gemüsekisten einfach dazu gelegt. „Das hat wirklich gut funktioniert. Die Zahlungsmoral war überraschend gut. Auch unser Hofladen lief besser als sonst und die Landi Seeland hat mir ebenfalls Gemüse abgenommen“.

Nachwirkungen noch spürbar

Einzig der Jungpflanzen- und Blumenverkauf fiel ganz weg. „Ich musste in diesem Segment einiges liquidieren und viel Arbeit vom Herbst war umsonst“, sagt Johner. Doch insgesamt hat er die Krise ganz gut gemeistert. Aktuell herrsche bezüglich Gastronomie noch immer kein Vollbetrieb, das merke er gut.

Viele Restaurants würden erst gerade wiedereröffnen. Und bei den Marktständen habe er wegen Covid Maßnahmen umsetzen müssen: So arbeiten nur noch zwei Personen gleichzeitig am Stand und die Kunden müssen sich in zwei separaten Schlangen einreihen – unter Einhaltung der Abstandregeln. So können zwar ein paar Kundinnen und Kunden pro Tag weniger bedient werden, aber das neue System habe sich mittlerweile gut eingespielt.

„Ich habe den Eindruck, dass die Leute aufgrund von Corona gemerkt haben, dass es die Schweizer Landwirtschaft wirklich braucht und wie wichtig es ist, dass der Selbstversorgungsgrad nicht noch weiter sinkt“, sagt Christoph Johner. Wie nachhaltig diese Erkenntnis ist, wird sich in den kommenden Monaten erst noch zeigen. (lid)

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