Lottorf: Bundesminister Özdemir besucht Moor-Photovoltaik-Park

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir besuchte am 8. Juni eine Moor-PV-Anlage und eine Agri-PV-Anlage in Klein Rheide der ARGE Netz in Schleswig-Holstein.

Besuch innovativer Photovoltaik-Projekte in Schleswig-Holstein, v.l.n.r.: Jess Jessen, Osterhof, Bundesminister Cem Özdemir, René Nissen, Wattmanufactur, Stephan Frense, CEO ARGE Netz GmbH & Co. KG, Bild: GABOT.

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Um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, bedarf es erheblicher Kraftanstrengungen. Sonnenenergie muss anteilig stärker auch auf Freiflächen genutzt werden. Damit dabei keine landwirtschaftlichen Flächen verloren gehen, können sogenannte Agri-PV-Anlagen gebaut werden, um die landwirtschaftliche Fläche weiter zu nutzen. Kombiniert man diese Anlagenform mit der Wiedervernässung von Mooren, können Landwirtinnen und Landwirte weiter Einkommen generieren. Damit ergibt sich eine interessante Perspektive, denn immerhin werden derzeit 5,4% der Treibhausgasemissionen durch entwässerte Moore verursacht und sind dadurch die größte Einzelquelle für Treibhausgase außerhalb des Energiesektors. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir überzeugte sich am 8. Juni vor Ort auf einer Moor-PV-Anlage und einer Agri-PV-Anlage in Klein Rheide der ARGE Netz in Schleswig-Holstein wie sektorübergreifender, effektiver Klimaschutz in der erneuerbaren Energieerzeugung und in der Landnutzung gelingen kann. „Denn ich bin überzeugt, dass Agri-PV eine große Zukunft vor sich hat. Mehrfachnutzung von Flächen ist das Rezept und wir müssen schauen, dass es praktikabel ist“, so der Minister vor anwesenden Politiker:innen und Journalist:innen.

Photovoltaik im Einklang mit extensiver Landwirtschaft

Im 30 ha umfassenden Solarpark Lottorf (westlich und östlich entlang der Bahnstrecke Flensburg-Neumünster gelegen) steht nicht mehr die intensive Landwirtschaft im Vordergrund, sondern die Erzeugung erneuerbarer Energien in Kombination mit der Wiedervernässung der vorhandenen Moorfläche. Die extensive landwirtschaftliche Nutzung auf dem ehemaligen Niedermoor erfolgt durch die Osterhof ökologisches Flächenmanagement GmbH & Co. KG.

Auswirkungen des Moor-PV-Parks auf Grund und Boden

Der Bau eines PV-Parks erfolgt möglichst umweltverträglich und bodenschonend. Die Untergestelle für die PV-Module wurden nur über Rammpfosten mit dem Boden verbunden, Betonfundamente kamen nicht zum Einsatz. Die Zuwegungen zu den Anlagen sind in offenporiger Bauweise angelegt. Hierdurch wurde der Versiegelungsgrad auf ein Minimum begrenzt. Der technologische Einsatz einachsiger, drehbarer (nachgeführter) Module im Vergleich zu festaufgeständerten PV-Anlagen bietet dem Boden weiterhin einen vollflächigen Lichteinfall und maximiert die Beregnungsmöglichkeit der gesamten Solarpark-Fläche. Dies ist für den Bodenschutz eine wichtige Tatsache. Da ein Moorboden aus statischer Sicht kein tragfähiger Boden ist, mussten die Gestellpfosten bis in den festen Untergrund getrieben werden. In Lottdorf wurden die Pfosten bis zu fünf Meter in den Boden gerammt (andernorts reicht oft die Hälfte), da erst in dieser Schicht eine Tragfähigkeit für die Gestelle erreicht werden konnte.

Photovoltaik im Einklang mit Klima- und Naturschutz

Gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde wurden Maßnahmen im Bebauungsplan verankert, die ein Austrocknen der Fläche verhindern sollen. So wurden verschlammte Tonrohr-Drainagen nicht durch funktionsfähige ersetzt, bei den Rammvorgängen wurden gezielt Drainagerohre zerstört oder an den Grabenausgängen verschlossen, um eine Wiedervernässung der Fläche gezielt zu fördern. Durch die Extensivierung der Flächennutzung, den Wegfall von Düngung und Pflanzenschutz wird von einer Verbesserung des Gewässer- und Bodenzustandes ausgegangen.

Auf den nicht mit Solarmodulen bebauten Flächen des Solarparks wird Wiesenvogelschutz betrieben, so dienen diese Flächen vor allem für Feldlerchen als Brutgebiet. Auf den nicht überschirmten Flächen werden regelmäßig artenreiche Blühstreifen ausgesät, die als Nahrungsangebot für Insekten dienen. Bereits in den Wintermonaten 2022 und 2023 überfluteten starke Regenfälle die Fläche des Solarparks Lottorf großflächig. Dieses Wasser gilt es langfristig in der Fläche zu halten und den Bewuchs hin zu einer moortypischen Vegetation zu verändern, um Moorschutz zu betrieben. Die wiedervernässte Fläche wird weiterhin extensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet.

Wissenschaftliche Erkenntnisse durch weitere Forschungsprojekte erwartet

Seit Anfang 2022 werden regelmäßig Grundwasserstände und Wetterdaten ermittelt, die die Auswirkungen der bisherigen Wiedervernässungsmaßnahmen überprüfen sollen. Die Abbteilung Graslandwissenschaften der Uni Göttingen wirkt seit dem Frühjahr 2023 an der Weiterentwicklung des Moor-PV-Projektes mit. Untersucht werden die Auswirkungen der unterschiedlichen Lichtbedingungen auf die Vegetationszusammensetzung und -qualität und die Bodenfeuchte, um Erkenntnisse zu erlangen, unter welchen Bedingungen eine Veränderung hin zu moortypischen Pflanzenkulturen möglich ist. Daraus sollen Rückschlüsse auf die zukünftige landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Fläche unter Einbeziehung des Moorschutzes gezogen werden. Ebenfalls geplant ist ein Forschungsprojekt zur Optimierung einer möglichen Schafbeweidung von nassen Moorböden mit Hilfe moderner Weidetechnologien (Geofencing). Über Verbundpartner soll künftig eine Flora-und-Fauna-Begleitforschung und eine Treibhausgas- und Verdunstungsmessung erfolgen.

Solarpark Klein Rheide im Einklang mit der Artenvielfalt

Auf relativ kleinem Raum ist eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume und Strukturen ausgebildet, es gibt sowohl trockene als auch nasse Bereiche und die damit verbundenen wertvollen Übergangsbereiche (Ökotone). So finden sich auf der 27 ha großen Fläche der in den Jahren 2015-2019 entstandenen Agri-PV-Fläche zahlreiche Rote-Liste Arten, wie z.B. die Kreuzkröte oder der Wiesenpieper, Feldlerche, Baumpieper, Mehlschwalbe und Rauchschwalbe. Im Bereich des vorhandenen Kleingewässers wurde die in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohte Zitzen-Sumpfbinse nachgewiesen. Die wechselfeuchten Uferbereiche sind Lebensraum der beiden in Schleswig-Holstein stark gefährdeten Pflanzenarten Liegendes Johanniskraut und Sumpfquendel. Höher gelegene, magere Bereiche sind von niedrigwüchsiger, blütenreicher Gründlandvegetation bewachsen (z.B. Rauer Löwenzahn), aber auch Heide-Nelke und Sand-Strohblume sind hier zu finden.

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