- Startseite
- BUGA Mannheim 2023: 3. Hallenschau
BUGA Mannheim 2023: 3. Hallenschau
Mit Tobias Niefenecker und Michael Liebrich haben sich gleich zwei Floristmeister eines Themas angenommen, das seine Spannung durch unterschiedliche Aspekte und teilweise deutliche Gegensätze gewinnt. In der Hallenschau „In Real Life“ geht es um die „Generation Z“ – diejenigen also, die zwischen Mitte der 1990er Jahre und 2010 geboren wurden. Junge Menschen, die mit dem Smartphone aufgewachsen und in der virtuellen Welt zu Hause sind und die reale Welt retten wollen. Die „Generation Z“ gilt als Technik-affin und leistungsorientiert. Gleichzeitig wird sie mit so vielen Informationen überschüttet, dass es ihr oft schwerfällt, Entscheidungen zu treffen und alles richtig abzuspeichern. Konversationen beschränken sich oft auf ein „Like“ in sozialen Netzwerken. Stimmungen werden durch Emojis wiedergegeben. Außerdem – oder vermutlich gerade deshalb – setzt diese Generation auf Geborgenheit in der Familie und knüpft mit Schlaghosen, dem Recyceln von alten Songs, aber auch Zimmerpflanzen, Makramee oder Kränzen aus Strohblumen an ein Stück heile Welt in unsicheren Zeiten an. Die Generation Z ist umwelt- und gesundheitsbewusst. Werte wie Freiheit, Freundschaft und Gerechtigkeit kennzeichnen sie ebenso wie die Angst vor der Zukunft angesichts von Klimakrise und Kriegen weltweit.
Einen weiter Bogen also, den Niefenecker und Liebrich in den jeweils von ihnen gestalteten Hallenabschnitten schlagen und floristisch umsetzen. Zimmerpflanzen, Schnitt- und Trockenblumen haben die beiden jungen Gestalter für die Umsetzung ebenso verwendet wie Stoffe, Metall, Holz, Glas, Draht oder Kohle und Papier. Die Gestaltung der Hallenschau „In Real Life“ lässt sich unter den Schlagworten „Natur-Inspired“, „Protestkunst, Cartoon Illustration“, Emoji Design und Digitale Welt“ zusammenfassen. Florale Bilder, ein bisschen Pop- und Streetart, aber auch Blumenkunst, um Themen wie die Sorge um Umwelt und Klima sowie Flucht aufzugreifen. In der Hallenschau findet sich auch Werbung für den eigenen Berufsstand wieder. Marketing in eigener Sache, ganz real und nicht virtuell, wenngleich die Generation Z sich in Sachen Berufsorientierung wenig überraschend primär auf Apps und Internetportale konzentriert.
Während Michael Liebrich für die szenische und räumliche Gesamtgestaltung seines Hallenteil die Große Goldmedaille der Deutschen Bundesgartengartenschau-Gesellschaft (DBG) erhielt, wurde Tobias Niefenecker mit zwei Ehrenpreisen des Fachverbands Deutscher Floristen auszeichnet. Die Experten beurteilten sein Werkstück „Sinn des Lebens“, das aus vier aus Kohlestückchen „gebundenen“ Kränzen besteht und in kräftiges Lila getaucht ist, als besonders einmalig. Niefenecker beschreibt seine Intention im Begleittext zum Objekt wie folgt: „Die Generation Z macht sich viele Gedanken um ihre Mitmenschen, die nach ihnen kommen. Die Kränze, welche zugleich Symbol für Unendlichkeit sind, wurden mit Frischblumen gearbeitet, welche übergehen zu Trockenblumen. Dies soll das Leben und Vergänglichkeit widerspiegeln.“
Ausgediente Getränkedosen aus Blech, Kunststoffblumentöpfe, Wachsreste und ein Corona-Schutzschild aus Plexiglas hat Niefenecker mit Frischblumen und Zweigen arrangiert und für dieses aus vier ganz unterschiedlichen Elementen bestehende Werkstück ebenfalls einen Ehrenpreis des Fachverbands deutscher Floristen erhalten. Über diese beiden Würdigungen hinaus erhielt der Floristmeister aus München von der Jury drei Silber- und drei Bronzemedaillen für seine Werkstücke, darunter auch „Gefängnis“, ein filigranes und lebensfrohes Arrangement aus weißen Schnittblumen wie Gerbera, Anthurien und Lilien, die ein Drahtzaun gefangen hält.
Im von Michael Liebrich gestalteten Hallenteil wurde ein Ehrenpreis der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verliehen. Darüber freuen darf sich die Kurz blumen GmbH aus Korntal-Münchingen, die dem Gestalter für seine Werkstücken Schnittblumen in besonderer Qualität zur Verfügung stellte: Schleierkraut (Gypsophyila ‘Discovery‘) als Cloud-Wolke, denn „ohne Speicher ist für diese Generation kein digitales Leben möglich“, heißt es im Begleittext. Auch dem in der Ausschreibung geforderten Aspekt der Protestkunst hat Liebrich sich gestellt. Explizit greift er das Thema „Flüchtlingsbewegung auf“ und hat dafür Anthurien in Cognac-Tönen verschiedenster Schattierungen verwendet. In sein großes Werkstück „Ablenkung!?“ richtet Liebrich die Frage an die Betrachter*innen, wovon diese ihren Blick lenken lassen. Erleben wir das Schöne um uns herum mit eigenen Augen, oder wird unser Bild von einem Medium gefangen gehalten? Für diese Umsetzung hat er ein wahres Farbfeuerwerk an Schnittblumen aus spinnenblütigen Gerbera, Nelken (Dianthus) und Levkojen (Matthiola) gezündet. Über die Große Goldmedaille der DBG für die Gesamtgestaltung hinaus wurden die von Liebrich gestalteten Werkstücke vom Fachverband Deutscher Floristen mit einmal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze ausgezeichnet.
Sowohl Liebrich als auch Niefenecker beziehen die Besucher*innen an einigen Stellen auch direkt mit ein. In Niefeneckers „Wunschwald“ beispielsweise liegen Zettel und Stifte, sodass man Wünsche notieren und diese an eine Pflanze heften kann. Liebrich fordert an seinem ebenso filigranen wie kraftvollen Werkstück mit den roten Nelken (Dianthus grandsole), die durch ihre Farbe Protest und Warnung gleichermaßen sein sollen, dazu auf, Sorgen und Ängste aufzunotieren und sie an den Stamm zu pinnen. Weil es kaum einen Tag ohne Emojis gibt, hat er zudem ein komplettes Werkstück unter diesem Namen gestaltet. Smileys unterschiedlicher Stimmungslage fallen kaskadenartig von oben herab, die Besucher werden aufgefordert, ihren momentanen Gefühlszustand zu zeichnen oder aufzuschreiben und an die Wand zu kleben und sich als Erinnerung an die Hallenschau ein Emoji mit nach Hause zu nehmen.
Demzufolge wird diese kleine, aber feine und thematisch spannende Hallenschau ihr Gesicht etwas verändern und zum Ende am 7. Mai anders aussehen als zu Beginn. Neben den Expert*innen ist auch das Publikum der BUGA Mannheim 2023 gefragt: Direkt am Halleneingang kann der Wettbewerbsbeitrag mit Gold, Silber und Bronze bewertet werden.
Kommentare (0)
Bisher sind keine Kommentare zu diesem Artikel erstellt worden.