Permakultur: Landwirtschaft mit Zukunft?

Auf dem Auenhof in der Schweiz demonstrieren die Betreiber von einen Pionerprojekt, dass die Permakultur funktionieren kann.

Die verschiedenen Pflanzen unterstützen sich gegenseitig in ihrer Entwicklung. Bild: LID.

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Noch ist die Permakultur in der Schweiz kaum bekannt. Ein Pionierprojekt in Feldbach bei Rapperswil ZH soll dies ändern: Auf dem Auenhof demonstrieren die Betreiber, dass Landwirtschaft auch ganz anders funktionieren kann.

Brennnesselstauden, Johannisbeeren und Wilde Möhren wiegen sich sanft im Sommerwind. Neugierig herunterblickende Geissen roden ein mit Brombeeren zugewachsenes Stück Land. Maisstauden und Sonnenblumen scheinen miteinander zu tanzen. Schon die Zufahrt zum Auenhof nahe Feldbach ist ein Erlebnis. Hier wachsen wortwörtlich "Chrut und Rüebe" durcheinander. Doch was wie ein wunderschönes Chaos aussieht, ist ganz bewusst so gestaltet. Die unglaubliche Fülle und Vielfalt an Pflanzen, Farben und Düften ist das Ergebnis des ersten halben Jahres Permakultur auf dem Lern- und Demonstrationshof der Akademie für Permakultur-Gestaltung über dem Zürichsee.

Marcus Pan ist international tätiger Permakultur-Planer, Lehrer und Berater - und Initiant des Projektes. "Weltweit ist diese Art der Landwirtschaft schon seit rund 40 Jahren bekannt", sagt er, "in der Schweiz kennt sie noch kaum jemand." Das will er, zusammen mit Mitinitiantin, Lebens- und Geschäftspartnerin Trix Barmettler, ändern. Denn auf dem Auenhof wird nicht einfach "anders" Landwirtschaft betrieben, hier wird auch gelehrt und demonstriert. Was ist Permakultur überhaupt? "Es ist die nachhaltigste Art und Weise der Landwirtschaft", sagt der Pionier. "Das Zusammenleben von Mensch, Tier und Pflanze wird so kombiniert, dass es zeitlich unbegrenzt funktioniert."

Entwicklungshilfe unter Nachbarn

In der Permakultur wird versucht, die in sich geschlossenen Ökosysteme miteinander interagieren zu lassen. Weltweit gibt es bereits mehr als 1000 solcher Betriebe. "In der Schweiz ist dies der erste Permakultur Lern- und Demonstrationshof", sagt Trix Barmettler. Es geht um Mischkulturen und Biodiversität. Das heisst konkret, dass möglichst viele verschiedene Pflanzen - ein- und mehrjährige - strukturiert gepflanzt werden. "Es soll ja auch effektiv zu beernten sein", erklärt Pan. So werden diverse Obstbäume neben Beeren und Getreide angebaut. Bohnen teilen sich mit Mais und Kürbis ihren Platz. Dazu kommt Gründünger, das sind bodenregulierende Pflanzen wie Luzerne, Leindotter und Erbsen. Die Pflanzen unterstützen sich gegenseitig bei ihrer Entwicklung.

Als Dünger kommen auf dem Auenhof nur natürliche Pflanzenstärkungsmittel wie Kompost und Jauche aus Brennnesseln zum Einsatz. "Wir wollen Erde herstellen, die auch in hunderten von Jahren noch fruchtbar ist", sagt Pan. Mit Hilfe der Gestaltungsgrundsätze der Permakultur wollen die Betreiber auf dem 3 Hektar großen Hof ein System aufbauen, das zeigt, dass Nachhaltigkeit auch Produktivität bedeuten kann.

Ambitionierte Ziele

Von Anfang an war klar, dass der Auenhof ein gemeinschaftlich betriebenes Projekt werden soll. "Wir sind 24 Genossenschafter", erklärt Trix Barmettler. Sie und Marcus Pan sind die Inhaber und fungieren als Präsident und Vizepräsidentin. "Es ist unsere Verantwortung, dass wir den Hof so aufbauen, dass er wirtschaftlich funktioniert", sagt die ehemalige Grafikerin. "Mit Hilfe der Genossenschafter." Ab 10.000 Franken können Interessierte einsteigen. Zwei festangestellte Mitarbeiter teilen sich 110 Stellenprozente. In zwei Jahren wollen sie auf dem Auenhof schwarze Zahlen schreiben. Direktzahlungen beziehen sie keine. Ist das nicht ein zu hoch gestecktes Ziel? "Hätten wir nur den Ertrag von unserem Gemüse, den Kräutern und dem Honig, wäre es das tatsächlich", sagt die 46-Jährige, "doch wir versuchen, mehrere Ertragsstandbeine aufzustellen."

Die Haupteinnahmequelle sind aktuell noch die Kurse und Workshops, die sie auf dem Lern- und Demonstrationshof anbieten. Dort kann man zum Beispiel einen dreitätigen Grundkurs für 380 Franken belegen. Seit das Projekt im Februar dieses Jahres gestartet wurde, ließen sich bereits über 100 Teilnehmer in die Geheimnisse der Permakultur einführen. Neben Bankern, Sozialarbeitern, Gärtnern, Eishockeyspielern und Rechtsanwälten besuchen immer mehr Bauern die Kurse.

Permakultur auf dem Balkon

"Wir wissen, dass Permakultur funktioniert und Landwirtschaft für Generationen ist", sagt der Pionier, "aber wer das nicht weiß, dem können wir es hier zeigen." Jeder könne jederzeit etwas ändern, dazu brauche es keinen eigenen Hof: "Starten kann man auch auf dem Balkon." In den Kursen sollen die Menschen etwas sehen, womit sie auch tatsächlich etwas anfangen können. Lernen wie man einen Kompost richtig aufschichtet, zum Beispiel. Manche der Kursteilnehmer schicken Fotos ihrer kleinen Projekte oder kommen wieder für einen weiterführenden Kurs. Für Trix Barmettler, die sich künstlerisch betätigt, ist auch Permakultur Kunst: "Sie ist poetisch, kreativ und kunstvoll." Die Hühner und Ziegen kommen von Pro Specie Rara und das Gemüse stammt ebenfalls von alten, schon fast vergessenen Sorten.

Gemeinschaft ist gefragt

Von den 3 Hektar sind derzeit erst 500 Quadratmeter bepflanzt. Neben Gemüse und Blumen gibt es Beete mit Medizinalkräutern und mediterranen Pflanzen wie Olivenbäumen. Die Bestellung der Felder ist arbeitsintensiv. "Darum braucht es für Permakultur Gemeinschaften", betont Pan. Das könne wie in ihrem Fall eine Genossenschaft sein, oder Nachbarn oder mehrere Generationen. A propos Nachbarn: Wie reagieren denn die "normalen" Landwirte im Dorf? "Sie sind interessiert", sagt Trix Barmettler, "wir tauschen uns aus und mit dem einen oder anderen könnte es sogar zu einer Zusammenarbeit kommen."

Mit all ihren Kräften wollen sie den Auenhof rundum zum Funktionieren bringen und rechnen damit, dass dies mindestens 4 bis 5 Jahre dauern wird. Noch haben sie nur wenige Kunden, die ihren Hofladen frequentieren. Doch sie hoffen auf die Mund- zu-Mund-Propaganda und darauf, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema Permakultur auseinandersetzen. "Wenn wir umdenken und unsere Landschaft nach den Grundsätzen der Permakultur umgestalten", betont Marcus Pan, "dann gibt es für uns alle auf diesem Planeten genug."

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