Im Interview: Werner Thielen

Der Vorsitzende des Landesverbands der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünproduzenten Rheinland-Pfalz, Werner Thielen, spricht im Interview über die Entwicklung des Weihnachtsbaumanbaus in Deutschland.

Betriebsgründer Peter Thielen (rechts) 1977 an seinem Verkaufsstand in Leverkusen. Bild: Michael Fillies/IGW.

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Werner Thielen wohnt mit seiner Frau im Eifelkreis Bitburg-Prüm, im Dorf Euscheid, in dem er auch dem Gemeindrat angehört. Er hat den Forstbetrieb Thielen von seinem Vater übernommen, um Flächen in Belgien und Luxemburg erweitert und 2019 seinem Sohn Roman übergeben. 1998 war er Mitbegründer des Landesverbands der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünproduzenten Rheinland-Pfalz, den er seither führt.

Herr Thielen, Sie gelten als ein Pionier des Weihnachtsbaumanbaus in Deutschland und haben den Forstbetrieb Thielen zur heutigen Größe aufgebaut. Wie waren die Anfänge?

Unser Hauptgeschäft war und ist Tannengrün – damit hat mein Vater (Peter Thielen, d. Red.) 1948 angefangen. Tannengrün für Grababdeckungen, aber auch Kränze. Die stärkste Nachfrage herrscht zu Allerheiligen. In den 1950er Jahren fragten die Großhändler im Rheinland außerdem nach Weihnachtsbäumen, aber damals nur Fichten. 1959 hat mein Vater selbst einen Weihnachtsbaumstand in Leverkusen eröffnet. So lief dieser Geschäftszweig langsam an. Aber das Tannengrün ist das Hauptgeschäft geblieben, zu 70 bis 80%. Wir liefern nach Vorbestellung das ganze Jahr über an einem festen Wochentag aus. Unser Plus dabei ist, neben der Qualität, unsere Zuverlässigkeit, das schätzen unsere Stammkunden.

Als eine Besonderheit stellt Ihr Betrieb selbst die Stroh-Rohlinge für Kränze her.

Ja, Römer fertigen wir seit den 1970er Jahren das ganze Jahr über. Die Bezeichnung geht übrigens tatsächlich auf die Römer zurück. Da habe ich mal nachforscht.

War der Weihnachtsbaumanbau von Beginn an eine reine Erfolgsgeschichte oder gab es auch Rückschläge?

Die Fichten wurden anfänglich einfach je nach Bedarf aus Wald und Flur geholt. Erst später wurden gezielt Weihnachtsbäume gepflanzt. Dabei ist ein 20-Jahres-Zyklus festzustellen: Sind die Preise niedrig, pflanzt keiner. Deswegen übersteigt bei der Ernte nach acht bis zwölf Jahren die Nachfrage das Angebot, und die Bäume werden teuer. Wenn sie teuer sind, pflanzt jeder Weihnachtsbäume, und die Preise fallen nach zehn Jahren wieder in den Keller. Wir wirtschaften daher antizyklisch. Man muss ja auch etwas aus der Geschichte lernen. (lacht) Ich kann das 50 Jahre zurückverfolgen.

Gab es Ereignisse, nach denen Sie vielleicht gesagt haben, das hat keinen Zweck mehr?

Ja, als Folge der Orkane Lothar (Dezember 1999) und Kyrill (Januar 2007) lief der Handel ganz schlecht – viel zu viele Bäume aus dem Sauerland. Die Kollegen dort haben zum Beispiel nach dem Windbruch durch Kyrill 2800 Hektar mehr Weihnachtsbäume angepflanzt . . . Und die kamen auf den Markt! Die Preise brachen ein.

Wie entwickelte sich das Weihnachtsbaumgeschäft in Deutschland?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde überall stark aufgeforstet, hauptsächlich schnell wachsende Fichten. Und der Waldbesitzer war froh, wenn dann für den Weihnachtsbaumhandel etwas ausgelichtet wurde. Anfang der 1960er Jahre nahmen wir die Douglasie als Edelbaum dazu. Mein Vater hat die Bäume auf dem Stock abgeschnitten und dafür dem Waldbesitzer pro Stück zwölf D-Mark bezahlt. Weiterverkauft wurden sie für 20 bis 30 D-Mark. Die Rechnungen von 1959 habe ich noch. Mein Vater kaufte 1961 sein erstes Auto, einen VW-Käfer-Jahreswagen, einen 1200er in Vollausstattung. Das Fahrzeug könnte man heute mit einem Golf vergleichen. Der Wagen kostete 3900 D-Mark. Wenn ich das umrechne, hat er also für 325 Bäume im Wald einen Käfer bekommen. Versuchen Sie mal heute, für 325 schöne Bäume ein Auto zu bekommen! Das waren die guten Zeiten!

Wie ging das dann weiter?

1963 kaufte mein Vater zum ersten Mal Blautannen aus dem Sauerland dazu, auch für zwölf D-Mark, 150 Stück insgesamt. Das war viel Geld für ihn, und er war unsicher, ob die Bäume zu verkaufen sind. Und dann kamen die Leute in Scharen auf den Verkaufsstand in Leverkusen und wollten unbedingt diesen Edelbaum. Nach drei Tagen waren die Blautannen ausverkauft trotz des hohen Preises, und wir fragten uns warum. Ich war als Zehnjähriger dabei. Die Antwort für den Erfolg der Blautannen war, dass die Frauenzeitschriften sie als Edeltanne empfohlen hatten. Seither ist mir die Bedeutung der Presse für das Kaufverhalten bewusst.

Fichte, Douglasie und Blautanne sind aber heute nicht mehr in Mode, oder?

Ja, Ende der 1980er Jahre begann ich, Nordmann-Tannen für 36 D-Mark in Süddeutschland und Österreich zu verkaufen. Da war diese Baumart in Nordrhein-Westfalen noch gar nicht bekannt. Auf die Sorte war ich schon früher gekommen: Ich habe Florist gelernt, und in der Ausbildung hat mir das glänzende, saftige Nordmann-Grün besser gefallen als das Blau oder Grau der Blau- oder Nobilistanne. Außerdem ähnelt die Nordmann-Tanne der Fichte am meisten, die für viele immer noch der eigentliche Weihnachtsbaum ist. Heute sind etwa 80 Prozent aller Weihnachtsbäume Nordmann-Tannen.

Was waren für den Forstbetrieb die wegweisenden Entscheidungen, die Sie getroffen haben?

Auf Nordmann zu setzen, als noch keiner daran dachte, war eine solche Entscheidung. Ich war überzeugt davon und habe Anfang der 1970er Jahre mit dem Pflanzen begonnen. Nach und nach habe ich 70 Hektar Land gekauft in Luxemburg, Belgien und Deutschland. Darunter 1984 einen Steilhang mit 2,74 Hektar in Luxemburg, auf dem ein ungepflegter, 1959 entstandener Laubwald stand. In dem Stück entdeckte ich etliche sehr schön gewachsene Nordmann-Tannen. Hier waren noch nie Weihnachtsbäume geerntet worden. Da kam mir der Gedanke: Die muss man hegen und pflegen und das Saatgut gewinnen! Dreimal habe ich den Bestand durchforstet und die besten Bäume selektiert, also die mit dem schönsten Wuchs und die erst spät im Frühjahr austreiben und deswegen besser gegen Frostschäden geschützt sind. Von den Mutterbäumen gewinnen wir die Zapfen mit genetisch getestetem, hochwertigem Saatgut. Das ist ein sehr guter Geschäftszweig geworden, aber 20 Jahre hatte ich mit dem Wald kein Geld verdient. Vergangenes Jahr hatte Roman (Werner Thielens Sohn, seit zwei Jahren Inhaber des Forstbetriebs, d. Red.) eine Bombenernte gehabt.

Der Weihnachtsbaumanbau ist fast noch mehr witterungsabhängig wie die Landwirtschaft oder der Gartenbau. Warum?

Weihnachten ist am 24. Dezember – egal, was für ein Wetter Sie davor hatten. Da geht die Ernte nach dem Kalender, nicht nach dem Wetter. Der Bauer erntet sein Getreide, wenn es passt, aber der Weihnachtsbaum muss am 24. im Wohnzimmer stehen, danach ist er nichts mehr wert. Und wenn Sie einen Hagelschaden haben, einen schweren, dann haben Sie zwölf Jahre umsonst gearbeitet! Hagel ist das schlimmste, was uns passieren kann. Eine Weihnachtsbaumfläche kostet über die Standzeit der Bäume richtig viel Geld, das ist dann auf einen Schlag alles weg. Wir rechnen für die Feldvorbereitung, die Pflanzen und die Pflanzung mit 10.000 Euro pro Hektar, bis die Bäumchen 30 Zentimeter hoch stehen. Auch Maifröste verursachen Ausfälle, und sogar wenn die abgefrorenen Stellen nachwachsen, werden das nie mehr 1a-Bäume.

Wie geht man mit dem Risiko um?

Nie zu viel Bäume in einem Jahr anbauen, verschiedene Standorte auswählen, antizyklisch pflanzen. Wenn wir saisonal Kulturen zukaufen, dann nicht im Herbst, sondern im Frühjahr, damit sie von uns den letzten Schliff bekommen.

Hatten Sie selbst schon schwere Rückschläge verkraften müssen?

Wir hatten einmal einen großen Hagelschaden, zehn Hektar, die Bäume waren nicht mehr brauchbar, sogar die Rinde war aufgeschlagen. Man konnte höchstens noch Tannengrün gewinnen – ein Wertverlust von 90%! 2012 hatten die Anbauer europaweit erhebliche Frostschäden. Weil die Südseite des Baums zuerst austreibt, frieren die Triebe dort ab; dann wächst der Baum asymmetrisch. Das wird ein Ei. Da hilft nur noch, die Äste schnell und stark zurückzuschneiden.

Im Rückblick: Wie hat sich der Weihnachtsbaumanbau entwickelt, wie die Preise und die Qualität?

Die Weihnachtsbaumproduktion hat sich in den vergangenen 20 Jahren komplett geändert. Früher wurde gepflanzt, der Baum freigestellt und dann geerntet. Heute werden Bodenproben genommen für eine gezielte Düngung, dazu kommen ständige Pflegemaßnahmen wie Triebkürzung und Formschnitt. Der Pflegeaufwand ist viel größer geworden, aber man bekommt das auch bezahlt.

Wie wird sich der Weihnachtsbaumanbau weiterentwickeln?

Ich denke, dass die Profis am Ball bleiben werden. Die Laien aber werden es immer schwerer haben. Außerdem rechne ich damit, dass der Nobilis-Anbau zulasten der Nordmann-Tanne zunehmen wird. Die Nobilis hat einen schönen Wuchs, die Äste stehen etagenförmig, sie duftet angenehm, und mein Eindruck ist, dass sie trotz ihres hohen Preises immer mehr in Mode kommt.

Sie haben den Forstbetrieb 2019 Ihrem Sohn Roman übergeben. Wie verbringen Sie Ihren Ruhestand?

Meine Frau und ich haben eine Weihnachtsbaumkultur behalten. Das ist unser Taschengeld. Ansonsten ist alles genau gerecht geregelt, weil wir zwei Kinder haben. Beim Roman arbeite ich noch so gut mit wie ich kann und möchte, weil es mir Spaß macht. Es gibt nichts Schöneres, als seinen Kindern zu helfen. In meinem Leben habe ich nie zuerst ans Geldverdienen gedacht. Mein ältester Bruder sagte einmal zu mir: „Du hast Dein Hobby zum Beruf gemacht.“ Und wenn einem die Berufung Spaß macht, ist der Erfolg meistens da.

Zu Weihnachten haben Sie selbst einen Baum?

Ja, natürlich, immer! Wir hatten schon mal vier Bäume im Haus, und wir schmücken auch immer sehr viel grün. Meine Frau und meine Schwiegertochter machen das gern. Mein Vater, der nach dem Tod meiner Mutter allein wohnte, wollte immer einen Weihnachtsbaum, auch mit 83 Jahren noch. (Michael Fillies/IGW)

Vielen Dank!

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