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Im Interview: Frank Bechstein
1985 gründete er seinen eigenen Betrieb, der mittlerweile 25 Mitarbeiter*innen beschäftigt. Derzeit wird seine Arbeit durch den fortschreitenden Klimawandel vor immer neue Herausforderungen gestellt.
Herr Bechstein, welche speziellen Auswirkungen haben durch den Klimawandel begünstigte Wetterextreme auf Bäume in den letzten Jahren gehabt?
Die anhaltenden und zunehmenden Trockenperioden führen allerorts zu Wassermangel. Der schwächt massiv die Vitalität der Bäume und führt dann zu Blattvergilbung, vorzeitigem Laubabwurf und abgestorbenen Ästen und Rindenrissen. Langfristig können diese Trockenheitsschäden zu einer erhöhten Anfälligkeit für Schädlinge und Krankheiten führen, wie beispielsweise dem Borkenkäfer bei Nadelbäumen. Die durch Überschwemmungen verursachte Staunässe lässt die Wurzeln absterben, da es infolgedessen einen Sauerstoffmangel im Wurzelbereich gibt. Das beeinträchtigt dann die Wasser- und Nährstoffaufnahme. Außerdem können bei starken Regenfällen Bodenerosionen, Wurzelfreilegungen und Sturmschäden auftreten.
Welche Veränderungen haben sich durch die Wetterextreme und die daraus resultierenden Folgen für die Bäume in der Baumpflege ergeben?
Statt flach wässern wir in Trockenperioden regelmäßig und vor allem tiefgründig. So erreichen wir auch tatsächlich den Wurzelbereich und bringen das Wasser direkt in die Wurzelzone. Auch Bewässerungssäcke bei Jungbäumen haben sich mittlerweile etabliert. Diese geben langsam und kontinuierlich die Flüssigkeit ab. Damit bei heißen Temperaturen der Boden nicht zu stark erwärmt und die Bewässerung nicht verdunstet, tragen wir fünf bis zehn Zentimeter dicke organische Mulchschichten auf. Natürlich wird aber auch die Pflanzenauswahl an die Wetterbedingungen angepasst: Bei der Neupflanzung werden eher widerstandsfähige und trockenheitstolerante Baumarten, wie Eichen oder Gleditschien, bevorzugt. Um Monokulturen zu vermeiden, werden besonders Mischbaumarten empfohlen. Diese sind weniger anfällig für spezifische Schädlinge oder Krankheiten. Bei der Baumkontrolle setzen wir neben der „visuellen Kontrolle“ auf verschiedene Methoden: die Baumringanalyse, Schalltomographie und Resistographen. So können wir Vitalität und Stabilität bewerten.
Welche Gefahren ergeben sich durch geschwächte und instabile Bäume bei der Baumpflege?
Abgestorbene Äste und brüchige Kronenbereiche sind sehr gefährlich für Baumpfleger*innen und Passant*innen, da sie brechen und herunterfallen können. Deshalb müssen geschwächte Bäume öfter geschnitten werden. Brüchige Kronenbereiche werden mit Kronensicherungen mit Gurtsystemen und Kronenstützen verstärkt. Auch das Zusammenspiel der Wetterextreme belastet die Stabilität der Bäume: Trockenstress erhöht die Gefahr, dass die Wurzeln dem Baum nicht mehr ausreichend Halt bieten. Kommen dann Starkregen und hierdurch Bodenerosionen hinzu, sind die Bäume stark umsturzgefährdet. Die aufgeweichten Böden können im schlimmsten Fall nachgeben und der ganze Baum umkippen. Leider sind verborgene Schäden an der Wurzel oder dem Stamm äußerlich nicht sofort erkennbar. Deshalb sind regelmäßige Schulungen von Baumpfleger*innen hierzu enorm wichtig. Auch die konsequente Anwendung von regelmäßigen Baumkontrollen durch gut ausgebildetes Fachpersonal zur Risikoabschätzung ist essenziell.
Was kann man als Laie, besonders an heißen Sommertagen, für den städtischen Baumbestand tun?
An heißen Tagen können Menschen in der Nachbarschaft beim Wässern unterstützen, indem sie – am besten morgens oder abends, um Verdunstung zu vermeiden – die Bäume gießen. Denn je nach Größe benötigt ein Baum pro Woche circa zehn bis 200 Liter Wasser. Außerdem ist es besonders wichtig, nicht auf den Baumscheiben zu parken, um eine Bodenverdichtung zu vermeiden. Viele Städte bieten auch Programme zur finanziellen Unterstützung der Baumpflege in Form von beispielsweise Baumpatenschaften an.
Wie sinnvoll ist es, Bäume im eigenen Garten neu zu pflanzen?
Bäume sind ein langfristiger Beitrag zur Biodiversität, zur Verbesserung des Mikroklimas und zum Klimaschutz. Deshalb ist es sehr sinnvoll, privat einen oder mehrere Bäume zu pflanzen. Besonders hitze- und trockenresistente Baumarten sind zukunftsweisend. Der Herbst, Oktober und November, ist ideal zur Neupflanzung, da der Boden noch warm ist und der Baum sich vor dem Frühling akklimatisieren kann.
Was müssen Menschen mit Garten bei der Auswahl einer Baumart und eines Standorts beachten?
Bei der Auswahl der Baumart gibt es einige Kriterien zu berücksichtigen. Der Baum sollte trockenheitstolerant und frosthart sein und entsprechend seiner Wuchsform ausreichend Platz haben. Außerdem müssen natürlich die individuellen Bodenansprüche – Sand-, Lehm- oder Kalkböden – berücksichtigt werden. Der Standort sollte nach Lichtbedarf des jeweiligen Baums, einem ausreichenden Abstand zu Gebäuden, Grenzen und Versorgungsleitungen sowie Vermeidung von Staunässe gewählt werden.
Besonders junge Bäume sind anfällig für Wetterextreme, da sie noch nicht so tief verwurzelt sind. Wie können Gartenbesitzer*innen neu gepflanzte Bäume schützen?
Junge Bäume sollten mit Baumpfählen oder Spiralankern stabilisiert werden. Um das Wurzelwachstum weiter anzuregen, entfernt man diese am besten nach drei Standjahren wieder. Eine regelmäßige und angepasste Bewässerung durch Bewässerungssäcke oder selbstgebaute Tropfschläuche in den ersten drei Jahren ist extrem wichtig. Zum Schutz vor Hitze sind Schattierungen oder Mulchen angebracht. Das hält die Bodentemperatur niedrig. Bei Jungbäumen kann man außerdem einen weißen Stammanstrich aufbringen. Gegen Frost und Austrocknung im Winter ist es sinnvoll, die Baumscheibe mit Reisig oder Jute abzudecken.
Bei bereits bestehendem Baumbestand im eigenen Garten: Welche Pflegemaßnahmen empfehlen Sie?
Eine regelmäßige Prüfung auf Schäden, Krankheiten und Schädlinge! Außerdem sollte Totholz entfernt und die Kronenstruktur durch einen lockeren Kronenaufbau optimiert werden. Bei Bedarf ist die Düngung des Bodens mit Kompost oder organischem Dünger hilfreich – am besten nach einer vorherigen Bodenanalyse. Und natürlich gilt: durchdringendes Wässern an heißen Tagen! Außerdem ist es bei Arbeiten im Wurzelbereich, wie Abgrabungen oder Aufschüttungen, wichtig, Baumfachleute vorher zu Rate zu ziehen, um spätere irreversible Schäden am Baum auszuschließen.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bäume in den nächsten Jahren ein?
Heimische Baumarten könnten verdrängt werden, während wärmeliebende Arten dann besser gedeihen. Noch mehr Trockenperioden, Stürme und Starkregen werden die Vitalität der Bäume stressen. Dadurch werden die Herausforderungen durch Schädlinge und Krankheiten zunehmen. In der Zukunft werden eine intensivere Pflege und Forschung an klimaresilienten Baumarten nötig werden. Es wird unverzichtbar sein, neue Strategien in der Pflanzplanung und Baumpflege zu etablieren. Das ist gerade in Städten und Gemeinden essenziell, um die urbanen Ökosysteme zu erhalten. (BGL)
Vielen Dank!
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