Grüne Stadt: Mehr Grün mit weniger Input?

Nach jüngeren Meldungen werden in Deutschland pro Jahr rund 350.000 neue Wohneinheiten gebraucht. Dieser Bedarf tritt nicht gleichmäßig auf das ganze Land verteilt auf, sondern konzentriert sich auf die wachsenden Groß- und Universitätsstädte und deren Umland.

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Nach jüngeren Meldungen werden in Deutschland pro Jahr rund 350.000 neue Wohneinheiten gebraucht. Dieser Bedarf tritt nicht gleichmäßig auf das ganze Land verteilt auf, sondern konzentriert sich auf die wachsenden Groß- und Universitätsstädte und deren Umland. Christine Hannemann, Professorin für Architektur- und Wohnsoziologie am Institut für Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart stellt fest: „Wenn es einen Trend gibt in der Bevölkerungsentwicklung, dann ist es der: Weg vom Mehrpersonenhaushalt hin zum Ein-, Zweipersonenhaushalt. Das führt wiederum dazu, dass die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Wir waren bei 43 qm, sind jetzt bei 45 qm pro Kopf." Der bundesweit hohe Bedarf an bezahlbaren Wohnungen ist nicht allein Folge des Flüchtlingszustroms. Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks: „Wir müssen unsere Anstrengungen für die Schaffung neuer Wohnungen für alle Menschen verstärken - jene, die schon immer hier leben und jene, die neu zu uns kommen."

Mehr Grün gewünscht
Der anhaltende Trend erhöht den Druck auf die Freiräume. Neben Baubrachen und möglichen Konversionsflächen werden auch Aufstockungen als geeignetes Instrument für die urbane Nachverdichtung erprobt, dennoch sehen sich viele Städte und Kommunen gezwungen, auch Grünflächen aufzugeben. „Dies ist umso problematischer, als gleichzeitig der Bedarf nach Freiräumen für die Bewohner wächst", betont Wolfgang Groß, Mitglied des Vorstands der Stiftung DIE GRÜNE STADT. Er verweist auf eine Forsa-Untersuchung aus 2014, in der in zwölf deutschen Großstädten die Zufriedenheit mit dem urbanen Grün abgefragt wurde. Es zeigten sich erhebliche Unterschiede, dennoch gaben im Durchschnitt 82% aller Befragten an, mit dem Angebot an Parks und Grünflächen in ihrer Stadt zufrieden zu sein. Allerdings hielten auch rund ein Viertel fest, dass sich die Situation in den Parks und Grünanlagen ihrer Stadt verschlechtert habe. Groß: „Hier zeigt sich die Folge des anhaltenden Sparzwangs in den kommunalen Grünhaushalten. Viele Städte haben seit Jahren Personal abgebaut, umstrukturiert, Grünetats reduziert." Diese Entwicklung hat auch die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) mehrfach reklamiert. Im Frühjahr 2014 wurde ein neuer Arbeitskreis Stadtentwicklung bei der GALK gegründet.

Demografische Einflüsse
Heiner Baumgarten, Vorsitzender des GALK-Arbeitskreises Stadtentwicklung: „Die Kommunen stehen vor der Herausforderung, trotz knapper werdender Ressourcen die Städte lebenswerter zu gestalten. Durch Innenverdichtung werden Städte kompakter, so dass auf weniger Freiflächen ein grüner Ausgleich zu schaffen ist. In die wachsenden Städte sollen vor allem junge Familien und Fachkräfte gezogen werden. In schrumpfenden Regionen soll Urbanes Grün dazu beitragen, die Bevölkerung in den Quartieren zu halten. Die Stadtgesellschaft wird älter, vielfältiger und vereinzelter. Damit verändern sich die Anforderungen an Freiräume und städtische Strukturen. Nicht zuletzt erfordert der Klimawandel verstärkte Anstrengungen, um die Städte an zunehmende extreme Wetterlagen anzupassen und dabei noch attraktiv zu gestalten." Bundesweit werden neue Konzepte und Strategien erprobt, um dem Dilemma zwischen wachsenden Ansprüchen an das öffentliche Grün einerseits und den strukturellen Engpässen in den Grünetats andererseits etwas entgegen zu setzen.

Beispiel Bonn
Auch in der Bundesstadt Bonn stehen aus budgetären Gründen Erhalt und Pflege vieler kommunaler Flächen auf dem Prüfstand. Auf der Website der Stadt wird ausgeführt, dass die Grünanlagen eine zentrale Bedeutung haben und zur Wohnzufriedenheit der Bevölkerung beitragen. Die Stadt hat ein neues Konzept zur Grünflächenpflege erarbeitet und im Dezember 2015 beschlossen. "Eine immer größer werdende Schere zwischen der zunehmenden Bedeutung von öffentlichen Grünflächen im urbanen Raum als weicher Standortfaktor (...) und der prekären Haushaltslage macht es erforderlich, sich intensiv mit der vorhandenen Struktur, Funktion und Nutzerorientierung der städtischen Grünflächen auseinanderzusetzen", hieß es zu Anfang der bereits im April 2015 vorgelegten Beschlussvorlage. Das Amt für Stadtgrün beklagte einen unzureichenden Pflegezustand bei vielen Grünflächen und wies auf Substanzverluste hin, die auch zu zunehmenden Beschwerden durch Bürger führten. Das neue Konzept ist das Ergebnis einer Begehung und Bewertung aller rund 2.600 Park- und Grünanlagen, Spielplätze, Kindergärten, Schulen, öffentlichen Gebäude und Verkehrsgrünflächen. Sämtliche Grünflächen sind nun jeweils einer von vier Pflegeklassen zugeordnet. Somit ist klar definiert, welche Pflegearbeiten dort wie häufig durchgeführt werden und wie viel Personal und welche Geräteausstattung dafür notwendig sind.

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