Forschung: Pflanzenphysiologie - Komplizierte Beziehungen

Die Biologen der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigen, dass es keine einfachen und universellen Lösungen gibt, um Pflanzen künstlich auf den Klimawandel einzustellen.

Biologen der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigen die Schwierigkeiten des Klimawandels für Pflanzen auf. Bild: GABOT.

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Der Klimawandel bedeutet gerade für Pflanzen Stress, weil sie ortsgebunden sind. Die Temperaturen schwanken, die zunehmende Trockenheit in vielen Regionen der Erde setzt ihnen zusätzlich zu. Pflanzen sind empfindliche und höchst komplexe Systeme. Schon ohne Klimawandel beeinflussen etwa Lichtschwankungen das Wachstum und den Ertrag. So aktivieren Pflanzen beispielsweise bei hoher Lichtintensität gezielt Schutzmechanismen, welche die Photosynthese drosseln können. Lichtenergie wird dann nicht biochemisch genutzt, sondern als Wärme abgestrahlt.

Eine Schlüsselrolle bei diesem Anpassungsprozess spielen drei Proteine, abgekürzt nennen Wissenschaftler sie V, P und Z. In einer viel beachteten Arbeit hatten amerikanische Forscher diese Proteine bei Tabakpflanzen überexprimiert, so dass die Pflanze mehr davon produzierte. In der Folge wuchsen diese sogenannten VPZ-Linien unter Feldbedingungen schneller, was als universelle Lösung zur Ertragsverbesserung reklamiert wurde. Die LMU-Biologen Antoni Garcia-Molina und Dario Leister konnten nun zeigen, dass in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) diese drei Schlüsselproteine wie beim Tabak ebenfalls die Photosynthese drosseln und sich die Pflanze auch rascher an wechselnde Lichtverhältnisse anpassen konnte - sogar schneller als bei Tabakpflanzen. Allerdings fanden die Biologen heraus, dass diese Ackerschmalwand VPZ-Pflanzen aber nicht schneller wuchsen – ganz im Gegenteil. „Wir konnten damit klarstellen, dass es nicht so einfach ist, verbesserte Pflanzen herzustellen, wie andere Gruppen selbstbewusst behaupteten“, sagt Leister. „Möglichweise stört der erhöhte Schutz gegen Lichteinstrahlung sogar andere für die Pflanze wichtige Mechanismen.“

Leister sieht seine Arbeit vor allem als Hinweis darauf, dass die Anpassung von Pflanzen an sich ändernde Klimabedingungen ein überaus vielschichtiger Vorgang ist, bei dem man nicht einfach an einer einzigen Stellschraube drehen kann, um sie etwa an zunehmende Trockenheit oder schwankende Lichtintensitäten anpassen zu können. „Die Zusammenhänge in einer Pflanze sind hochkomplex“, sagt Leister. „Wenn man irgendwo an einem Rädchen dreht, ist es erst mal unvorhersehbar, was rauskommt.“ In seiner Forschungsgruppe arbeitet der LMU-Biologe daher systembiologisch, gewissermaßen „ganzheitlich“, wie er sagt. Für den Fall der gezielten Steigerung der Photosynthese muss man beispielsweise schauen, ob die so freiwerdende Energie auch von der Pflanze gezielt genutzt werden kann, etwa um zu wachsen. Eine bessere Photosynthese sorgt im Prinzip für mehr Energie und mehr Stoffwechselprodukte. Aber es muss auch ein Abnehmer da sein. Fehlt dieser, kann eine erhöhte Photosynthese für Pflanzen durchaus von Nachteil sein.

Solche komplizierten Beziehungen analysiert Leister im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereichs TR175. Die Forscher untersuchen dort gezielt auf Ebene aller in einer Pflanze messbaren Moleküle, wie Pflanzen auf veränderte Umweltbedingungen wie Trockenheit, Licht oder Temperatur reagieren. Daraus wollen sie Modelle entwickeln, um Schlüsselkomponenten der Anpassung zu identifizieren. Gleichzeitig muss man vor allem bei den für die Ernährung wichtigen Kulturpflanzen beachten, dass der Ertrag nicht nur von Wachstum und Zuwachs an Biomasse abhängt. „Der Gedanke im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist, dass wir Pflanzen dann mit Hilfe gezielter Genveränderungen so anpassen können, dass sie sich besser auf veränderte Umweltbedingungen einstellen“, sagt Leister. Die Forscher nennen das „assisted evolution“. „Erst wenn man die Anpassung der Pflanzen an veränderte Umweltbedingungen systematisch angeht, besteht die realistische Aussicht, dass wir nachhaltige Lösungen anbieten können“, sagt Leister. Es gibt hier Hoffnungsträger wie bestimmte Algenarten, die sich wegen ihrer kurzen Generationendauer ganz schnell anpassen können. Bei ihnen will Leister gezielt nach Genveränderungen suchen, die man dann auf Pflanzen übertragen kann. (LMU)

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