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Im Interview: Alex von Hettlingen
Alex von Hettlingen hat den PRIX CLIMAT mitinitiiert, um genau das zu zeigen: Echte Lösungen, gelebte Visionen und Betriebe, die mutig vorangehen. Im Interview spricht er über die Ursprünge der Initiative, die Wirkungskraft des Wettbewerbs und warum Kommunikation genauso wichtig ist wie CO₂-Reduktion.
Herr von Hettlingen, was ist die Idee hinter dem PRIX CLIMAT?
Die Idee entstand Ende der 2010er-Jahre unter dem Eindruck der Pestizidinitiative. Die Landwirtschaft wurde scharf angegriffen, die Bauernvertreter waren in der Defensive und es wurde polarisiert.
Meine Wahrnehmung war, dass die meisten Bäuerinnen und Bauern sich sehr wohl bewusst waren und sind, dass es nicht so weitergehen kann, dass sie etwas machen müssen, dass etwas passieren muss – oftmals wissen sie halt nicht was. Sie sind besorgt um die Veränderungen in den Böden und der Erosion, die fehlenden Insekten und Bestäuber, die immer mehr auftretenden Resistenzen von vielen Pflanzenschutzmitteln. Das Problem ist komplex und es gibt keine einfachen Lösungen dafür – und insbesondere keine schnellen.
Wir möchten mit dem PRIX CLIMAT ein differenzierteres Bild vermitteln und zeigen, dass ein Wille da ist und dass es viele Leute gibt, die gute Ideen haben und die diese bereits umsetzen. In den Videoportraits über die Nominierten vermitteln wir einen positiven Approach zum Thema Klima und zeigen, dass die Landwirtschaft nicht nur ein Problem darstellt, sondern eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten für eine lebenswerte Zukunft bietet.
Wie haben Sie die Entwicklung und Resonanz seit der ersten Idee, der Umsetzung dieser Videokampagne bis hin zur ersten offiziellen Verleihung des PRIX CLIMAT im Jahr 2022 erlebt?
Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gegenüber der Land- und Ernährungswirtschaft als Teil der Lösung hat sich stark verändert in den letzten fünf bis sechs Jahren.
Noch 2022 haben wir mit der ersten Ausgabe des PRIX CLIMAT die breite Öffentlichkeit nicht erreicht: Das Timing mit dem Ende der Coronaviruspandemie war nicht ideal und wir hatten die Ressourcen nicht, um einen großen Teil der Bevölkerung zu erreichen. Das war aber auch zu erwarten, da es die erste Ausgabe war, viel im Hintergrund gelaufen ist und wir halt mit den Mitteln arbeiten mussten, die wir hatten.
Trotzdem haben wir doch einige Diskussionen angestoßen – nicht nur in der Landwirtschaft, sondern in der ganzen Ernährungswirtschaft. Vom Handel über die Verarbeitung bis hin zu den NGOs haben wir positive Rückmeldungen erhalten und konnten mit den Videos und dem Preis also doch etwas erreichen.
Aus der Landwirtschaft haben wir zweierlei Feedback erhalten: Die einen sagten, ein guter Teil der gezeigten Projekte seien idealistisch und realitätsfern – sie seien in der Breite nicht wirklich umsetzbar. Auf der anderen Seite haben wir Rückmeldungen von Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter erhalten, die inspiriert wurden und für ihre Betriebe neue Perspektiven entdeckt haben und ganz grundsätzlich Neues gelernt haben.
In diesem Jahr haben sich 32 Betriebe beworben – was hat die fünf nominierten Projekte besonders ausgezeichnet?
Ein Ziel unserer Kampagne ist es, verschiedene Aspekte zu zeigen und eben ein breites Bild zu malen. Wir bilden auch dieses Jahr verschiedene Ansätze ab – vom Bodenaufbau über Agroforst bis zu Herden- und Züchtungsstrategien. Was die Nominierten verbindet, ist, dass sie alle ein gesamtbetriebliches Vorgehen haben, dass sie mit einer Leitvision für ihren eigenen Betrieb arbeiten und dass eine Ernsthaftigkeit vorhanden ist, diese auch umzusetzen.
Die Nominierten haben standortspezifische Lösungen entwickelt, um ihre Betriebe widerstandfähiger gegen die Klimaveränderungen zu machen und einen Beitrag an den Klimaschutz zu leisten und deren Umsetzung haben sie dann auch wirklich in Gang gesetzt.
Und was besonders wichtig ist: Sie möchten das, was sie auf ihrem Betrieb erprobt und erreicht haben, einer breiteren Öffentlichkeit zeigen. Skalierbarkeit und Multiplizierbarkeit spielen eine sehr wichtige Rolle und dieser Aspekt steigert das Potential – trotz der doch sehr standortangepassten Lösungsansätze – zur Nachahmung auf anderen Betrieben.
Beim PRIX CLIMAT geht es also darum, sichtbar zu machen, was getan wird und was es für Ideen gibt sowie darum, zu inspirieren – zuletzt ist es aber doch ein Preis und jemand gewinnt. Nach welchen Kriterien wird bewertet?
Bei der Lancierung des ersten PRIX CLIMAT haben wir mehrere Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft, NGOs und dem Schweizer Bauernverband durchgeführt, in denen wir darüber diskutiert haben, wie man so etwas bewertbar machen könnte.
Wir waren uns schnell einig, dass wir auf quantitative Kriterien verzichten, weil das zu komplex und aufwändig und für das Ziel der Kampagne und des Preises nicht gerechtfertigt wäre.
Wir haben ein Set von qualitativen Kriterien zusammengestellt: Dazu gehört unter anderem die gesamtheitliche Vision des jeweiligen Projektes, dass die Maßnahmen nach dem aktuellen Wissensstand Wirkung auf das Klima und die Klimaresilienz haben, dass die Projekte innovativ sind und eine erneuerbare Kraft haben, dass die Maßnahmen sichtbar und auch zielführend und dass die Maßnahmen multiplizierbar und skalierbar sind. Aus den verschiedenen Kriterien haben wir einen Schlüssel entwickelt und die Jury diskutiert nach diesen Kriterien, um die Preisträger zu wählen.
Daneben gibt es auch einen Publikumspreis. Welche Wirkung erwarten Sie sich von diesem öffentlichen Voting? Welche Reaktionen erhoffen Sie sich von Konsumentinnen und Konsumenten, die im November abstimmen dürfen?
Der Publikumspreis ist ein gewisses spielerisches Element. Die Betriebe haben die Chance, sich selbst zu bewerben und ihre eigene Community zu mobilisieren.
Auf der anderen Seite bewirkt die Bewertung durch das Publikum, dass die Videos der nominierten Personen und Betriebe nicht nur konsumiert werden, sondern dass die Leute über die verschiedenen Lösungsansätze, die ihnen in den Videos präsentiert werden, nachdenken.
Welche Rolle spielt Kommunikation, wenn es darum geht, den gesellschaftlichen Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz sichtbar zu machen?
Die Nominierten stehen in den Videoportraits selbst vor ihre Projekte hin, zeigen und erklären sie – das schafft Authentizität.
Landwirtinnen und Landwirte, die diese Videos sehen, fühlen sich von der einen oder anderen Idee vielleicht angesprochen und werden dazu inspiriert, auf ihrem Betrieb ähnliche Projekte umsetzen. Auf der Seite der Konsumierenden schafft diese Form der Kommunikation mehr Verständnis und Solidarität für die Herausforderungen, welche die bäuerliche Bevölkerung im Spannungsfeld zwischen effizienter Lebensmittelproduktion und aufwändigem Umwelt- und Klimaschutz zu meistern hat.
Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft, damit klimafreundliche Landwirtschaft nicht nur anerkannt, sondern auch gezielt gefördert wird?
Die Landwirtschaft ist wie gesagt ein Teil der Lösung der Klimaproblematik. Die konkrete Umsetzung ist jedoch nicht billig und erfordert Risikobereitschaft und oft Aneignung von neuem Knowhow. Die Landwirtinnen und Landwirte können das nicht alles selbst stemmen – und noch mehr staatliche Vorschriften will auch niemand. Ich wünsche mir deshalb insbesondere, dass die verarbeitenden Unternehmen und der Handel die Anstrengungen ihrer Lieferanten proaktiv unterstützen und sich an den Kosten und Risiken beteiligen, die eine Transformation zu einer klimafreundlichen Lebensmittelproduktion für die Landwirtinnen und Landwirte mit sich bringt.
Die zukünftige Agrarpolitik soll ja entsprechend ausgerichtet werden – dass Land- und Ernährungswirtschaft entlang der ganzen Wertschöpfungskette entwickelt und ausgerichtet wird. Zumindest sind das die Bestrebungen bei der Erarbeitung der Agrarpolitik 2030+, allerdings gibt es Zweifel, ob sich alle genug zusammenraufen können, um dies mitzutragen und auch erfolgreich umzusetzen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Das wird schwierig, keine Frage – die Interessen und Meinungen klaffen weit auseinander. Wenn der PRIX CLIMAT mit den gezeigten konkreten Lösungen und Informationen aus der bäuerlichen Praxis einen Beitrag an eine klimawirksame Agrar- und Ernährungspolitik leisten kann, ist unser Ziel erreicht.
Vielen Dank!

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