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Im Interview: Philip Testroet
Herr Testroet, auf der IPM hat der Industrieverband Garten (IVG) zusammen mit 11 anderen Verbänden ein Positionspapier zur „Harmonisierung der Ziele zur Torfreduktion“ vorgestellt. Wie kam es zu diesem gemeinsamen Schritt?
Dafür muss ich etwas weiter ausholen: Zwei Leitlinien der Bundesregierung, namentlich der Klimaschutzplan 2050 aus dem Jahr 2016 sowie das Klimaschutzprogramm 2030 aus dem Jahr 2019, fassten aus Klimaschutzgründen (für <0,2% der deutschen Emissionen) erstmals deutliche Torfreduktionsziele ins Auge. Die deutsche Substratbranche hat im Jahr 2020 mit einer Selbstverpflichtung zur Torfreduktion reagiert und branchenweite, verbindliche, aber auch erreichbare und realistische Ziele gesteckt. Im Jahr 2022 folgte die Torfminderungsstrategie aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, die unabgestimmt mit der Grünen Branche freiwillige, aber sehr ambitionierte Torfreduktionsziele festlegte. Von diesen Torfreduktionszielen wird im medialen Kontext teilweise inkorrekt angenommen, sie seien per Gesetz festgelegt.
Generell schaut die deutsche Substratbranche seit Ende 2022 neidvoll in die Niederlande, wo es gelungen ist, an einem Runden Tisch den sogenannten „Covenant“ auszuhandeln, der eine erreichbare und ambitionierte Torfreduktion vertraglich festlegt und auch von den betroffenen Ministerien, dem Handel und vielen weiteren Stakeholdern der Wertschöpfungskette unterzeichnet wurde.
Mit diesem Vorbild im Hinterkopf, aber auch dem Wissen, dass in Deutschland in einigen Punkten andere Rahmenbedingungen und Vorzeichen zu finden sind, arbeitet der Industrieverband Garten (IVG) e.V. schon seit fast zwei Jahren an einer Harmonisierung dieser verschiedenen Zielsetzungen und weist unermüdlich darauf hin, dass nicht ausreichend Torfersatzstoffe in der benötigten Qualität zur Verfügung stehen. Weiterhin gibt es erhebliche Probleme bei der Handhabung und Umsetzung an verschiedenen Punkten der Lieferkette bis hin zu den Endkundinnen und Endkunden.
Da unsere Aufrufe zu einer gemeinsamen Dialogrunde mit der Politik in Sachen Zielsetzungen bei der Torfreduktion weder in Niedersachsen, noch auf der Bundesebene auf fruchtbaren Boden gefallen sind und keine Reaktion hervorgerufen hatten, haben wir im November des vergangenen Jahres zu einem Verbändegespräch in Düsseldorf eingeladen und sind mit verschiedenen Stakeholdern ins Gespräch gekommen bzw. haben diese vertieft und weiterentwickelt. Als Ergebnis entstand das vorliegende Positionspapier. Dieses ruft die Politik erneut dazu auf, sich mit der Torfreduktion konstruktiv und mit dem heutigen Wissen ideologiefrei auseinanderzusetzen.
Inwieweit unterscheidet sich das Papier vom niederländischen Modell, dem „Covenant on the Environmental Impact of Potting Soil and Substrates“?
Der Covenant aus den Niederlanden ist, wie gesagt, nur eine Orientierung. Wesentlich am Niederländischen Weg ist die Beteiligung von Politik und Handel. Wir stehen mit unserem Papier erst ganz am Anfang und haben eine gemeinsame Position der Wertschöpfungskette erarbeitet. Dies ist noch lange kein Pakt, was übersetzt „Covenant“ bedeutet, und es liegt noch viel Arbeit und Diskussion vor uns.
Gemeinsam ist der Ansatz, dass nicht die Torfreduktion im Fokus stehen sollte, die auf Biegen und Brechen erreicht werden muss. Stattdessen sollte es das Ziel sein, dass die Substrat- und Pflanzenproduktionen generell nachhaltiger werden und dabei aber nicht die Qualität und die Wirtschaftlichkeit außer acht gelassen wird. Alle drei Säulen der Nachhaltigkeit müssen gleichwertig Betrachtung finden: Ökologie, Ökonomie und soziale Kriterien.
Bei den Niederländern spielt auch die Fokussierung auf RPP-Torf, also verantwortungsvoll gewonnenen Torf, eine große Rolle. In Deutschland herrschen allerdings bereits jetzt die europaweit höchsten Auflagen für die Genehmigung neuer Abbauflächen. Außerdem haben die Niederländer keinen eigenen Torfabbau mehr und importieren den gesamten Bedarf. Wir möchten diesen Zustand eigentlich nicht erreichen und setzen uns auch für regional, verantwortungsvoll und transparent abgebauten Torf aus Deutschland ein, der Transportemissionen spart, eine externe Klimakompensation vorsieht und zusätzlich wiedervernässte Moorgebiete hinterlässt, nachdem die Abbauflächen saniert wurden.
Wie geht es jetzt weiter? Wie findet das Positionspapier den Weg zur Politik?
Wir sind sehr gespannt. Das Positionspapier ist schon auf verschiedenen Kanälen an die Politik herangetragen und versendet worden. Intern wurde es bereits auf der Grünen Woche durch den Zentralverband Gartenbau an Politikerinnen und Politiker verteilt.
Ein weiteres, starkes Statement war die Erwähnung des Papiers durch den ZVG-Präsidenten Jürgen Merz in der Eröffnungsrede der IPM in Anwesenheit der NRW-Landespolitik. Wir sind nun auch auf eine aufmerksame Landespolitik angewiesen, dieses Thema zum Beispiel über die Agrarministerkonferenz an den Bund zu spiegeln. Die Länder wissen in der Regel sehr gut um die Wichtigkeit und Bedeutung ihrer produzierenden Betriebe Bescheid und sind sicherlich an der Setzung geeigneter Rahmenbedingungen interessiert.
Gerne laden wir auch Politikerinnen und Politiker in die Erdenwerke in ihren Wahlkreisen ein, um sich einen Eindruck von den Prozessen machen zu können. Bundesminister Cem Özdemir würden wir ebenfalls sehr gerne einmal auf einem unserer Mitgliedsbetriebe in der Erdenproduktion thematisch abholen und auf die Notwendigkeiten geänderter Rahmenbedingungen hinweisen.
Im Positionspapier werden längere Übergangsfristen gefordert. Man braucht also viel mehr Zeit, bis man den Status „torffrei“ erreichen kann?
Bisher gibt es keine echten Übergangsfristen, da die Ziele der Bundesregierung freiwillig erreicht werden sollen. Aufgrund des freien EU-Binnenmarktes wäre von einem Deutschen Alleingang zudem abzuraten. Druck gerät jedoch über den Handel in den Markt, der gewisse Anforderungen stellt, ohne dass der Handel in seiner Gesamtheit einen Eindruck davon haben kann, wie dramatisch es auf der Rohstoffseite aktuell aussieht.
Klar ist, die Torfreduktion benötigt wesentlich mehr Zeit als von der Politik vorgesehen. Wie dies konstruktiv im Kompromiss ablaufen kann, bleibt aber an einem Runden Tisch mit Beteiligung aller Stakeholder zu klären und wird im Detail nicht in unserem Positionspapier erwähnt.
Eine komplette Torffreiheit im Gartenbau ist nach heutigem Wissensstand möglicherweise langfristig gar nicht zu erreichen. In einigen Bereichen fehlen schlicht die geeigneten Ersatzstoffe und Kulturtechniken. Auf der anderen Seite gibt es einen starken Rohstoffengpass, der sich natürlich auf die Rohstoffpreise auswirkt. Demnach muss es in den nächsten Jahren gelingen, zusammen mit Wissenschaft, Politik und Landwirtschaft neue regionale und exklusive nachwachsende Rohstoffquellen zu erschließen.
Vielen Dank!
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