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Schweiz: Biokartoffeln werden rar
"Wenn die Ernte einer Kartoffelsorte in einem schwierigen Jahr teilweise oder ganz ausfällt, tut es mir im Herzen weh!", erklärt Bio-Kartoffelbauer Heinz Höneisen im zürcherischen Andelfingen bedrückt. Und der Klimawandel sorgt dafür, dass es in der Landwirtschaft fast nur noch schwierige Jahre gibt.
"2024 hat es von Mai bis Mitte Juli praktisch durchgeregnet", betont Heinz Höneisen bei einer Führung über den Acker. Anfang September sind die Böden immer noch – oder schon wieder – schwer und nass. "Unser Traktor mit dem angehängten Kartoffelroder bleibt im nassen Boden fast stecken", so der Landwirt weiter.
Kartoffelbauer mit Leib und Seele
Seit Generationen wirtschaftet die Familie Höneisen im Zürcher Weinland. 1995 hat sich Heinz Höneisen auf Gemüse spezialisiert und ist zum Kartoffelbauern mit Leib und Seele geworden. 2011 haben Heinz und sein Sohn Martin Höneisen auf Bio umgestellt. Je nach Saison beschäftigt Martin, der den Gemüsebetrieb gerade vom Vater übernimmt, bis 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Der 50 Hektar große Landwirtschaftsbetrieb liegt an bevorzugter Lage. In einem Bogen der Thur hat sich über Jahrhunderte auf einem Sandbett fruchtbares Schwemmland gebildet. Dieser Boden wird im Frühling schnell warm und liefert deshalb gleichzeitig mit dem Tessin und dem Wallis die ersten Frühkartoffeln.
Trotz guten Böden wird der Biokartoffelanbau zur Lotterie
Die Bedingungen auf dem Landwirtschaftsbetrieb von Familie Höneisen sind perfekt. Die Kartoffeln der älteren, aber robusten Sorte "Vitabella" wachsen denn auch 2024 gut. Die Ernte der Sorte "Queen Anne" war aber drei Mal kleiner. "Die Queen Anne wäre eine Kartoffel, wie sie die Konsumentinnen und Konsumenten gerne hätte, aber sie ist nicht resistent", ist die Erfahrung von Heinz Höneisen.
Dabei sind die Erträge bei den Biokartoffeln schon grundsätzlich 25% tiefer als im konventionellen Anbau. Der Grund: Die Biokartoffelbauern verzichten auf chemisch-synthetische Pestizide und synthetische Dünger.
Heinz Höneisen kann seine Biokartoffeln nur mit organischen Kupferpräparaten schützen. Kupfer wird aber bei jedem Regenguss von den Pflanzen abgewaschen – und es ist ein Schwermetall, das sich im Boden über Jahrzehnte anreichert. Heinz Höneisen setzt deshalb auch die Kupferpräparate sehr zurückhaltend ein.
Eine einzige Pflanze mit Kartoffelfäule kann eine Epidemie im ganzen Acker auslösen
"Man kann beim Anbau alles richtig machen, aber wenn die Kartoffelsorte nicht resistent ist, war alles umsonst", sagt Heinz Höneisen. Der Grund ist die Krautfäule. Dieser Parasit verursachte 1845 bis 1849 in Irland eine Hungersnot, durch die eine Million Iren starben und weitere zwei Millionen auswanderten. Irland verlor praktisch über Nacht ein Drittel seiner Bevölkerung.
So schlimm wird es in der Schweiz zum Glück nicht. "Aber trotz langjähriger erfolgreicher Züchtung von robusten Sorten werden 2024 nur halb so viele Biokartoffel geerntet, wie in einem normalen Jahr", erklärt Andreas Bisig, Abteilungsleiter Märkte bei Bio Suisse.
Der Marktanteil von Biokartoffeln im Schweizer Detailhandel beträgt 22,8%. Die Inlandproduktion von 18.500 Tonnen Biokartoffeln für den Frischkonsum auf 1.063 Hektar kann in normalen Erntejahren die Nachfrage decken.
Im "Regenjahr" 2024 müssen aber 13.000 Tonnen Biokartoffeln importiert werden. Nur: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Auch in den Nachbarländern ist die Kartoffelernte ins Wasser gefallen.
Heinz Höneisen zeigt eine befallene Kartoffelpflanze: Durch die Nässe haben die Blätter dunkelbraune Flecken und sind auf der Unterseite mit einem weißen "Schimmel"-Pilz bedeckt. Dieser Pilz befällt die Knollen, die graublaue Flecken und braunes Knollenfleisch bekommen. Schon eine einzige infizierte Kartoffel kann eine Epidemie im gesamten Acker auslösen. Der Ertragsverlust beträgt dann 30 bis 100%.
Jede Saison werden neue, auch robuste Biokartoffelsorten getestet
"Der Anbau von Biokartoffeln funktioniert auch in schwierigen Jahren wie 2024", erklärt Tobias Gelencsér. Dann relativiert der Ackerbauberater am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL: "Aber nur mit besonders robusten Sorten."
Das FiBL führt mit Landwirtinnen und Landwirten und mit Unterstützung der Branche seit 1996 sogenannte "On-Farm" Kartoffelsortenversuche durch. Dafür fährt Tobias Gelencsér mit Kartoffelbauern wie Heinz Höneisen jedes Jahr im November an die "Kartoffeltage" im niederländischen Emmeloord und bringen 40 bis 50 neue resistente Biosorten zurück.
Diese neuen Biosorten werden auf dem Acker, im Lager und in der Küche getestet. Dann müssen "nur noch" die Konsumentinnen und Konsumenten die neue Kartoffelsorte akzeptieren. Was der schwierigste Teil der Aufgabe sei, wie Brancheninsider verraten. Denn die Konsumentinnen und Konsumenten wollen genug große – aber nicht zu große – längliche Kartoffeln, weil sie sich diese leichter schälen lassen, als kleine, runde Kartoffeln.
Der Kartoffelbauer hat "für eine neue Biokartoffelsorte 3.50 Franken pro Kilogramm Pflanzgut bezahlt", so Heinz Höneisen. Für eine einzige Hektare braucht Heinz Höneisen 3.000 Kilogramm Pflanzgut. Da kommt eine große Summe zusammen. Ohne Garantie auf Erfolg, "wenn die neue Sorte resistent ist, aber nicht so viel Ertrag bringt wie andere Kartoffelsorten", erklärt der Landwirt weiter.
Die Suche nach neuen Biokartoffelsorten ist ein Wettlauf gegen die Zeit
Ein Geschäftspartner von Heinz Höneisen ist der große Biogemüsebetrieb Rathgeb Bio im zürcherischen Unterstammheim, der zusammen mit rund 60 eigenständigen Biolandwirtschaftsbetrieben vor allem Coop und Migros beliefert.
Dort baut Andreas Rüsch auf einem eigenen Versuchsfeld verschiedene Biokartoffelsorten an. Der Leiter Anbau und Gewächshausbetriebe bei Rathgeb Bio testet jedes Jahr die 40 bis 50 neue Kartoffelsorten. Darunter auch die besonders resistenten, die Tobias Gelencsér vom FiBL von den "Kartoffeltagen" in den Niederlanden in die Schweiz bringt.
2023 war in ganz Europa witterungsbedingt auch die Ernte von Pflanzkartoffeln sehr schlecht. Andreas Rüsch erhielt deshalb nur von der Hälfte des Pflanzgutes der Versuchssorten, die man eigentlich testen wollte, auch Pflanzkartoffeln. In "normalen" Jahren kann er aber von den 40 bis 50 Versuchssorten ein bis drei neue Biosorten in die eigentliche Produktion übernehmen.
"Die beste Kartoffelsorte im Sinne einer eierlegenden Wollmilchsau gibt es aber nicht", betont Andreas Rüsch, "die Kartoffel ist ein Naturprodukt, dem mehr oder weniger enge Grenzen von Genetik und Umwelt gegeben sind." Und zum Schluss kommt noch der Faktor Zeit hinzu: Die Entwicklung einer neuen Kartoffelsorte dauert von der Kreation bis zur Verfügbarkeit des Pflanzgutes auf dem Markt zehn bis fünfzehn Jahre. (Quelle: lid.ch)
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