Schweiz: Geht es ohne Torf?

Der Abbau von Torf verursacht erhebliche Umweltschäden. Gleichzeitig hat Torf zahlreiche Vorteile. Ein Gespräch mit dem Praktiker-Ehepaar Huber und Gemüsebauberater Philipp Trautzl.

Adrian und Yvonne Huber haben mit dem Torfausstieg 2018 für ihr Gartencenter einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Gemüsebauberater Philipp Trautzl (l.) kennt die Einwände von Produzenten, die nicht auf Torf verzichten möchten. Bild: mg/lid.

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Sogar die Wissenschaft ist sich uneinig, ob und wie eine torffreie Produktion funktioniert. „Ja, es geht“, sagt Adrian Huber vom Gartencenter Huplant. Ein Gespräch mit dem Praktiker-Ehepaar Huber und Gemüsebauberater Philipp Trautzl.

Durch das Zersetzen von Pflanzenteilen im Wasser bildet sich in Mooren ein dunkelbrauner bis schwarzer organischer Boden, der Torf. Weil sein Abbau CO2 freisetzt und sensible Ökosysteme zerstört, ist Torfabbau in der Schweiz seit 1987 verboten. Trotzdem bildet Torf noch immer die Substratgrundlage für die Jungpflanzenanzucht, bei Gemüse und Kräutern gleichwohl wie bei Zierpflanzen. Jährlich werden dafür bis zu 524.000 m3 Torf importiert, der größte Anteil stammt aus dem Baltikum.

Längerfristig müssen nachhaltigere Lösungen her. Kann Torf ersetzt werden? Philipp Trautzl, Gemüsebauberater am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg, hat bisher nur Erfahrungen mit teilweisem Ersatz. Adrian und Yvonne Huber, Inhaber der Huplant Pflanzenkulturen AG in Hirschthal AG, produzieren seit Anfang 2015 torffrei.

Herr Trautzl, wie und wo setzen Gemüsebauern und Gärtner Torf ein?

Philipp Trautzl: Im Gemüsebau werden Jungpflanzen in einem sogenannten Presstopf angezogen. Es handelt sich um einen Würfel aus Substrat, der anschließend an die Anzucht direkt so ins Feld gebracht werden kann. Aufgrund der Pflanztechnik ist es dabei wichtig, dass der Würfel formstabil ist. Torf ist klebrig und daher ein gutes Bindemedium.

Was macht den Torf attraktiver im Gegensatz zu anderen Substraten?

PT: Torf vereint viele chemische und physikalische Vorteile: er enthält keine hohen Salzgehalte und weist einen idealen pH-Wert auf, bindet kaum Stickstoff und besitzt eine gute Wasserkapazität.

Salat-Setzlinge setzt man beispielsweise direkt auf das Feld, ohne sie einzugraben. So ragen die Köpfe weiter vom Boden weg und sind besser vor Verschmutzung geschützt. Salat bildet im Anfangsstadium keinen stabilisierenden Wurzelballen, deshalb würde ein Presstopf aus anderem Substrat auseinanderfallen und ließe sich nicht mehr pflanzen.

Ist es denn überhaupt möglich, torffrei zu produzieren?

PT: Eine komplett torffreie Jungpflanzenproduktion im Gemüsebau ist derzeit aus meiner Sicht und mit der etablierten, durchgängig verbreiteten Pflanztechnik nicht möglich. Gemäß Untersuchungen der ZHAW ist eine maximale Reduktion des Torfanteils auf 50% bei Erdpresstöpfen gerade noch möglich. Dies sollte ein erster Schritt sein. Bei Torfersatzprodukten muss darauf geachtet werden, dass diese in der Umweltbilanz nicht schlechter sind als Torf, wie es z.B. bei Kokosfasern der Fall ist. Weiterhin sollte versucht werden das Volumen der Erdpresstöpfe zu verringern, um insgesamt Substrat einsparen zu können.

Herr Huber, warum haben Sie sich entschieden, den Torf gänzlich außen vor zu lassen?

Adrian Huber: Meiner Meinung nach ist der Torfverbrauch nicht mehr zeitgemäß. Die Branche arbeitet seit 60 Jahren mit Torf, wir müssen etwas finden wo wir die gleichen Pflanzeigenschaften realisieren können.

PT: Gleichzeitig müsste die energetische Bilanz besser sein als beim Torf.

AH: Deshalb setzen wir Papiertöpfchen für Gemüsejungpflanzen ein, welche mit torffreiem biologischem Substrat gefüllt sind. Diese sind ideal für den Endkunden, da er diese einzeln kaufen kann und samt Topf einpflanzen kann.

Yvonne Huber (YH): Für uns passt die torffreie Produktion ausgezeichnet, weil wir an Privatkunden, also Hobbygärtner, verkaufen. Die Papiertöpfe sind für den professionellen Anbau nicht geeignet, weil sie für die maschinelle Verarbeitung auf dem Feld nicht funktionieren und viel zu teuer sind. Eine mögliche Alternative für den professionellen Gemüsebau sind Setzlinge in Platten wie es beispielsweise in Italien praktiziert wird.

Eine Lösung muss her, einverstanden. Aber weshalb machen Sie es nicht wie der Rest der Branche und reduzieren den Torf auf 5% ?

AH: Ich kann bei einem torfreduzierten Substrat nicht kontrollieren, ob der Anteil Torf im Substrat wirklich stimmt. Deshalb gilt für mich: entweder Torf ja oder nein.

YH: Die Pflanze verhält sich mit oder ohne Torf ganz anders, die Düngung und das Wässern müssen komplett unterschiedlich ausgerichtet sein. Torf hat einen riesigen Nachteil: er ist tot und enthält keine Mikroorganismen mehr. Kompost hingegen ist voller Mikroorganismen, die die Pflanze stärken und vitalisieren.

Was verwenden Sie statt des Torfs?

AH: Wir haben zusammen mit unserem Erdlieferanten das dafür ideale Substrat entwickelt . Der Kompost nährt die Pflanze, die Fasern fügen Struktur hinzu. Cocopeat (gewaschen und in Form gepresster Kokosfaserabfall) absorbiert Wasser und Perlit (aufgepufftes Gestein) schützt vor starker Verdichtung. Schafwolle ist der beste Langzeitdünger im Biobereich. Wichtig ist, dass das Wollfett noch dran ist, weil so der Abbau von Nährstoffen noch langsamer geschieht.

Wie läuft die Düngung auf einem torffreien Betrieb ab?

AH: Ein Torfsubstrat lebt nicht. Weil also keine Mikroorganismen die organischen Nährstoffe mineralisieren ("umbauen", Anm. d. Red.), muss ich als Gärtner Dünger reinbringen, der für die Pflanzen sofort verfügbar ist. Wir hingegen arbeiten mit einem lebendigen Substrat, das Mikroorganismen, also Bakterien, Einzeller und Pilze, enthält. Das Substrat hilft der Pflanze, das zur Verfügung zu stellen was sie braucht.

Man kann es gut mit einem Fastfood-Restaurant vergleichen: wenn wir dreimal am Tag dort essen, werden wir schnell fett, weil die Nährstoffe sofort für den Körper verfügbar sind. Gesund ist es aber nicht!

YH: Ein anderer Vorteil ist, dass der Dünger im Vergleich zum Torf nicht ausgewaschen wird.

Das bedeutet, dass Sie als Gärtner weniger Aufwand haben?

AH: Wir sind viel sensibler geworden und achten auf kleinste Zeichen der Pflanze. Mittlerweile kann ich in die Gewächshäuser reinlaufen und ich spüre, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann schaue ich mir die Blätter, Wurzeln und die ganze Pflanze genauer an. Ich beobachte viel mehr.

PT: Mit einem Standardprodukt wie dem Torf kann jeder arbeiten. Ein Standardrezept bei der Düngung genügt, und diese Prozedur kann ständig wiederholt werden. Der Punkt bei der torffreien Produktion ist jedoch, dass die Nährstoffgehalte schwanken können und daher engmaschig überprüft werden müssen.

YH: Der Vorteil bei der torffreien Produktion ist, dass die Pflanze mit dem Boden kommuniziert, sie bilden eine Einheit. So gleichen sich Mängel automatisch und schneller aus, und die Kultur ist insgesamt robuster. Das Leben ist in den Topf zurückgekehrt!

Es scheint, als ob Sie nun Ihre Pflanzen besser kennen würden...

AH: Ja genau. Wir mussten am Anfang lernen, der Pflanze zu vertrauen. Früher haben wir gedacht: "Die Pflanze wird gelb, also braucht sie Dünger", und wir haben gespritzt. Im Grunde könnte die Pflanze auch an einer Überdüngung leiden, das Schadbild ist nämlich dasselbe. Die Umstellung zu torffrei findet zu 90% im Kopf statt. (LID)

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