Rheinischer Obstbau: Regionalität im Fokus

Informationsveranstaltung der rheinischen Obstbauern am 15. Mai 2019 in Wachtberg-Kürrighoven.

Regional erzeugtes Obst ist gelebter Klima- und Landschaftsschutz. Bild: GABOT.

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„Für uns Obstbauern ist es in jedem Jahr wieder ein besonderer Moment, die ersten Früchte der neuen Saison reifen zu sehen“, so der Vorsitzende der Fachgruppe Obstbau Bonn/Rhein-Sieg, Ferdinand Völzgen, bei einer Informationsveranstaltung rheinischer Obstbauern am 15. Mai 2019 in Wachtberg-Kürrighoven. Auch viele Verbraucher freuten sich auf diesen Moment, da Erdbeeren aus der Region für sie etwas Besonderes seien. Eine Studie der Deutschen Landwirtschafts Gesellschaft habe bestätigt, dass Regionalität bei den Verbrauchern das Bedürfnis nach Authentizität, Qualität und Sicherheit bediene. So forderte Völzgen eine eindeutige Kennzeichnung regional erzeugter Lebensmittel mit einem Qualitätssiegel.

Völzgen wies darauf hin, dass regional erzeugtes Obst gelebter Klima- und Landschaftsschutz sei. So belegten wissenschaftliche Studien, dass heimische Produktion nicht nur die Verkehrswege entlaste, sondern auch klimaschädliches CO2 einspare. „Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern man schmeckt es auch. Denn heimisches Obst kann aufgrund der kurzen Wege genussreif geerntet werden“, so Völzgen. Allerdings hätten die regionalen kleinstrukturierten Obstbauern zunehmend Schwierigkeiten, gegen global agierende multinationale Konzerne zu konkurrieren. Zwar setzten große Handelsketten auf regionale Erzeugnisse, aber immer öfter würden die regionalen Produkte durch Früchte aus Osteuropa, Südeuropa, Peru, Marokko und China verdrängt. Diese Ware würde häufig unter niedrigeren Sozial- und Umweltstandards produziert, äußerte Völzgen die Sorgen der Obsterzeuger.

„Wenn der Obstanbau verschwindet, werden diese Flächen landwirtschaftlich genutzt werden. Sehr sicher werden dann auf diesen Flächen Energiepflanzen wachsen“, so Völzgen. Statt Obst würde Mais angebaut.

Auch der NABU schreibe Regionalität groß, so Monika Hachtel vom NABU Bonn und NRW. „Die Vorteile für Natur- und Umweltschutz liegen auf der Hand: weniger Verkehr und Energieverbrauch durch kurze Fahrwege, Erhalt unserer Kulturlandschaft, Förderung kleiner und mittlerer Betriebe und damit der sogenannten „bäuerlichen Landwirtschaft“, so Hachtel. Da „regional“ kein geschützter Begriff sei, bekämen die Käufer nicht immer das, was sie sich vorgestellt hätten. So forderte Hachtel bei der regionalen Vermarktung möglichst konkret zu werden. Für den NABU gehöre saisonal und regional zusammen. Er ermutige seine Zielgruppen, mit dem Einkaufskorb abzustimmen.

Auch wenn der NABU Regionalität und Saisonalität am liebsten mit Bio verbinde, suche man aktiv den Kontakt zur konventionellen Landwirtschaft, da man durch Regionalität auch bei konventionellen Produkten punkten könne. „Perfekt wäre ein regionaler Anbau, der mit kleineren Strukturen, vielfältigen Lebensräumen, abwechslungsreicher Landschaft und einer Grundachtsamkeit gegenüber der Natur aufwartet und sich von der industriellen Landwirtschaft abhebt“, so Hachtel. Hierzu dienten eine Vielzahl von Naturschutzmaßnahmen, die die Artenvielfalt förderten.

Für Friedel Mirbach, Vorsitzender des Kreisimkerverbandes Bonn und Mitglied der Vereinigung der Bestäubungsimker Deutschland, bilden Bienen und der regionale Obstanbau eine Symbiose fürs Leben. „Für die Produktion von Honig brauchen Honigbienen das große Blühen im Frühjahr, große Plantagen mit z. B. Süßkirsch- oder Apfelblüten“, so Mirbach. Der Honigüberschuss aus der Obstblüte werde zum Aufbau der Bienenvölker und als Wintervorrat gebraucht. Durch das Sammeln der Pollen käme es zur Bestäubung der Obstblüten. Gerade in diesem Jahr würde deutlich, wie wichtig die Obstblüte zum Überleben der Bienen sei. „Der Nektar, der im April von den Bienen als Vorrat eingetragen wurde, wird von den Völkern seit Anfang Mai zum Überleben dringend benötigt“, stelle Mirbach fest.

Für das Netzwerk Junger Obstbauern stellte Christiane Mager, Bio-Obstbäuerin aus Alfter, fest, dass die jungen Obstbauern für ihren Beruf brennen und mit viel Leidenschaft am Werk seien. „Doch um Freude am Obstbau zu haben und ihn entwickeln zu können, muss man auch Geld verdienen“, so Mager. Stillstand bedeute auf lange Sicht das Ende eines jeden Betriebes. Heute stünden die Betriebe vor ganz anderen Herausforderungen als vorherige Generationen. So arbeite man nach hohen Standards, habe einen Mindestlohn und versuche Naturschutz und Artenvielfalt in die Betriebe einfließen zu lassen. Auch der Klimawandel stelle vor neue Herausforderungen. Verbraucher und Politik erwarteten und forderten Sicherheit und Standards von den deutschen Produzenten, aber oft wolle niemand dafür bezahlen. So stellten sich die Fragen, ob der heimische Obstbau weiter bestehen solle und die jungen Obstbauern noch eine Zukunft hätten.

Gerade beim Verkauf über den Lebensmitteleinzelhandel hätten die Obstbauern nur eine Zukunft, wenn Verbraucher und Lebensmitteleinzelhandel ein klares Ja zur Regionalität äußern und auch so handeln. „In vielen Supermärkten liegen bereits regional gekennzeichnete Früchte aus, doch dies muss deutlicher und umfangreicher sein, damit der Verbraucher seine Einkaufsentscheidung bewusster treffen kann“, so Mager. Die deutschen Obstbauern könnten nicht mit der günstigen Ware aus anderen Ländern mithalten. Es stellten sich aber die Fragen, was hinter den billigen Preisen stecke, ob Erntehelfer angemessen entlohnt würden und wie es bezüglich des Umweltschutzes aussehe. Gerade im Zeitalter der Globalisierung bestünde diesbezüglich eine große Verantwortung.

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