Nitrat: Viele Messstellen überschreiten Grenzwert

Ein Viertel der 665 Nitrat-Messstellen in Deutschland überschritten in 2020 den in der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG (GWRL) für Grundwasser europaweit einheitlich festgelegten Schwellenwert von 50 mg Nitrat je Liter. Damit hat sich die Anzahl der Überschreitungen an den Messpunkten gegenüber dem Vorjahr zwar weiter verbessert ( -7 Prozent), aber es gibt auch neue Höchstwerte zu beklagen.

Ein Viertel der Messstellen überschreiten in 2020 den EU-Grenzwert. Grafik: Proplanta.

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Proplanta hat die aktuellsten Daten von 2020 jetzt ausgewertet und die Entwicklung der Nitratbelastung im Grundwasser auf einer interaktiven Karte visualisiert. Sämtliche Messwerte stehen nun für den Zeitraum 2016-2020 zum Abruf bereit und zeigen zudem die regionalen Entwicklungen auf.

Absoluter Spitzenreiter in 2020 ist mit einem Nitratwert von 247,91 mg/l der Kreis Viersen (Nordrhein-Westfalen), gefolgt vom Landkreis Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) mit 204 mg/l, die kreisfreie Stadt Wolfsburg (Niedersachsen) mit 181,50 mg/l und der Landkreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) mit 133,77 mg/l. Mit einem Nitrat-Messwert von 127,68 mg/l weist der Landkreis Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) im 5-Jahresvergleich einen Rekordwert auf. Verglichen mit 2017 (41,66 mg/l) hat sich der Nitratgehalt im Grundwasser mehr als verdreifacht. Insgesamt wurden an 166 Messstellen Überschreitungen festgestellt. Einen stark rückläufigen Wert verzeichnete hingegen der Landkreis Bergstraße (-45%) in Hessen sowie Borken (-30%) in Nordrhein-Westfalen.

Die Ursache für den positiven Trend seit dem letzten Nitratbericht in 2020 ist insbesondere auf die Weiterentwicklung des Grundwassermessnetzes zurückzuführen. Während das alte Nitrat-Messnetz sich noch auf Messstellen bezog, die bereits stark mit Nitrat belastet waren und zudem bis 2012 lediglich 162 Probestellen umfasste, besteht das aktuelle Messnetz für das Grundwassermonitoring des Umweltbundesamts (UBA) aus nunmehr 696 Gütemessstellen.

Die Berichterstattung zur EU-Nitratrichtlinie erfolgt alle vier Jahre - letztmals im Jahr 2020 - und gibt Auskunft, in welchem Umfang Deutschland diese Richtlinie umgesetzt hat und wie stark die im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie ergriffenen Maßnahmen zu einer Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers aus der Landwirtschaft geführt haben. Sofern Werte im Grundwasser überschritten werden, sind fristgerechte Gegenmaßnahmen zur Reduzierung der Einträge einzuleiten. Ansonsten drohen Deutschland horrende Strafzahlungen in Höhe von 857.000 Euro täglich.

Mit dem Urteil vom 21. Juni 2018 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Deutschland die Nitrat-Richtlinie verletzt hatte. Der Verstoß lag darin, dass die Bundesrepublik im September 2014 keine weiteren zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkte Aktionen zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus der Landwirtschaft ergriffen habe, obwohl deutlich gewesen sei, dass die bis dahin ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren.

Wegen des andauernden Verstoßes erhielt Deutschland gemäß Artikel 260 des Vertrags von Lissabon seitens der EU-Kommission am 25. Juli 2019 ein Mahnschreiben zur Umsetzung des EuGH-Urteils. Bereits 2013 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ein und verurteilte diese schließlich, da die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grundwassers vor Nitrateinträgen nicht ausreichend umgesetzt wurden. Nach erneuter Strafandrohung durch die EU-Kommission musste die 2017 verabschiedete Düngeverordnung nachgebessert werden.

Im März 2020 konnten jedoch die Strafzahlungen aufgrund einer umfassenden Düngenovellierung nochmals in letzter Minute abgewendet werden. Mit der am 1. Mai 2020 in Kraft getretenen Düngeverordnung (DüV), dem geänderten Paragraph 38a WHG zur Begrünung von Randstreifen an Gewässern (Änderung am 30. Juni 2020 in Kraft getreten) und der allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) des Bundes zur DüV (3. November 2020) ist Deutschland nun einen großen Schritt vorangekommen, die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie endlich einzuhalten.

Anlässlich der Corona-Pandemie wurde mit der EU-Kommission vereinbart, dass die vorgesehene Neuausweisung der sogenannten roten Gebiete (besonders mit Nitrat belastet) nach bundeseinheitlichen Kriterien bis Ende des Jahres zu erfolgen haben und die neuen, strengeren Regeln in den roten Gebieten erst ab dem 1. Januar 2021 greifen sollen.

Anfang 2021 äußerten niedersächsische Landwirte ihren Unmut über die einschneidende, neue Düngeverordnung, da sie Zweifel an korrekt funktionierenden Grundwasser-Messstellen in ihrer Region hätten. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Naturschutz (NLWKN) dementierte jedoch diesen Vorwurf. Die aus Sicht der Landwirte fachlich schlecht begründete Ausweisung der roten Gebiete, die erhebliche Beschränkungen beim Düngen zur Folge haben, nämlich 20% unter Bedarf (d.h. 170 kg/ ha N organischer Dünger gilt pro Schlag als Obergrenze), ist Ursache der bis heute anhaltenden Klagewelle und Proteste.

Umweltverbände übten 2021 anlässlich der geplanten Landesdüngeverordnung in Niedersachsen scharfe Kritik. Die in der Verordnung vorgesehene Gebietsausweisung sei in dieser Form nicht mit den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie vereinbar. Sie bemängelten vor allem die Verkleinerung der roten Gebiete von ursprünglich 60% der Landesfläche auf 39% in 2020 und 30% im Januar 2021. Aufgrund heftiger Bauernproteste sei es sogar zu einer weiteren Reduzierung auf 24,5% gekommen. Auch in vielen anderen Bundesländern verhält es sich analog.

Indes ist in einem Musterverfahren das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald die Düngeverordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern am 05.11.2021 gekippt worden. Wegen der Corona-Pandemie und des Lockdowns hatte das OVG die Verhandlung zunächst verschoben. Klagende Landwirte bemängelten diesmal u.a. eine Messstelle in unmittelbarer Nähe eines Klärwerks, statt auf dem Feld. Da das Gerichtsurteil laut dem Landwirtschaftsministerium aber noch aussteht, ist eine Revision auch noch nicht zugelassen. Insofern kann das Land sobald das Urteil rechtskräftig ist mittels Nichtzulassungsbeschwerde dagegen vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen.

Eine steigende Nitratbelastung im Grundwasser schlägt sich besonders in der Trinkwasserqualität und den Trinkwasserpreisen nieder, da die Aufbereitung von verschmutztem Grundwasser durch Gülle & Co. deutlich aufwendiger und damit teurer wird. Bis zu 60% könnten die Preise nach Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nach oben schnellen. (Quelle: Proplanta)

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