Forschung: Transportprozesse in Nutzpflanzen steuern

Spuren von Schwermetallen in pflanzlichen Grundnahrungsmitteln haben unterschiedliche gesundheitliche Auswirkungen. Cadmium kann den Organismus erheblich schädigen, Zink hingegen ist für den Stoffwechsel unerlässlich. Die molekulare Pflanzenforschung an der Universität Bayreuth befasst sich daher intensiv mit dem pflanzlichen Metallhaushalt.

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Spuren von Schwermetallen in pflanzlichen Grundnahrungsmitteln haben unterschiedliche gesundheitliche Auswirkungen. Cadmium kann den Organismus erheblich schädigen, Zink hingegen ist für den Stoffwechsel unerlässlich. Die molekulare Pflanzenforschung an der Universität Bayreuth befasst sich daher intensiv mit dem pflanzlichen Metallhaushalt. Die in internationalen Fachzeitschriften veröffentlichten Ergebnisse können dazu beitragen, Getreide, Reis und andere Grundnahrungsmittel zu optimieren. Seit kurzem werden die Bayreuther Forschungskompetenzen durch Dr. Shimpei Uraguchi, einen der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Reisforschung, verstärkt.

Gesundheitliche Risiken durch cadmiumhaltige Grundnahrungsmittel
In vielen Regionen der Erde enthalten pflanzliche Grundnahrungsmittel – beispielsweise Reis, Kartoffeln oder Hartweizen – Spuren von Cadmium. Das giftige Schwermetall gelangt über Düngemittel und Industrieemissionen in den Erdboden, wo es von den Pflanzenwurzeln aufgenommen wird. Häufig wird es bis in die oberen, für die Nahrungsmittelproduktion verwendeten Pflanzenteile weitertransportiert. Die daraus resultierenden Risiken sind, so das Ergebnis zahlreicher Studien der letzten Jahre, beträchtlich. Denn wenn der Organismus jahrzehntelang einer ständigen Cadmium-Zufuhr ausgesetzt ist, steigt die Anfälligkeit für Funktionsstörungen der Nieren, Osteoporose, Krebs und Erkrankungen der Herzgefäße.

Internationale Gesundheitsorganisationen, darunter auch die European Food Safety Authority (EFSA), setzen sich deshalb verstärkt mit dieser Problematik auseinander. Einer 2009 veröffentlichten EFSA-Studie zufolge sind Grundnahrungsmittel auch in Europa flächendeckend mit Cadmium belastet. Die durchschnittliche tägliche Cadmiumaufnahme liegt nahe an der – von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) neu definierten – Schwelle für gesundheitliche Risiken.

Molekulare Pflanzenforschung:
ein Schlüssel zur Senkung von Gesundheitsrisiken
An der Universität Bayreuth erforscht der Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Clemens die molekularen Prozesse, die den Transport des Cadmiums aus den Böden in die Pflanzen steuern und damit auch die Cadmiummengen bestimmen, die sich in Wurzeln, Stielen und Blättern anlagern. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Trends in Plant Science" berichtet ein internationales Forschungsteam um Clemens über die bisherigen Forschungsergebnisse und definiert zugleich die vorrangigen Ziele der weiteren Forschung.

"Es hat sich herausgestellt, dass innerhalb zahlreicher Pflanzenarten erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Cadmiumaufnahme bestehen. Deshalb ist es eine zentrale Forschungsaufgabe, diejenigen Getreide- und Reissorten zu identifizieren, bei denen relativ wenig Cadmium in die für die Nahrungsmittelproduktion verwendeten Pflanzenteile gelangt", erklärt Clemens. "Zudem ist die Forschung heute nicht mehr weit davon entfernt, neue Pflanzensorten zu entwickeln, die vergleichsweise geringe Mengen an Cadmium aufnehmen. Je besser wir die molekularen Grundlagen pflanzlicher Transportprozesse verstehen, desto zielgenauer können solche Pflanzensorten gezüchtet und für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden." Derartige Maßnahmen sollten ergänzt werden durch die Züchtung und den gezielten Anbau von Pflanzensorten, die dem Boden große Cadmiummengen entziehen und dadurch einen hohen Cadmiumgehalt in nachfolgend angebauten Nutzpflanzen verhindern.

Auf dem Weg zu neuen cadmiumarmen Reissorten
Die Bayreuther Kompetenzen auf diesem Forschungsgebiet werden seit kurzem verstärkt durch Dr. Shimpei Uraguchi, einen der international führenden Wissenschaftler, die sich speziell mit dem Schwermetalltransport in Reispflanzen auseinandersetzen. Von der Universität Tokio ist er mit einem Forschungsstipendium nach Bayreuth gekommen. Hier will er gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Clemens noch tiefer in die molekularen Grundlagen des pflanzlichen Schadstofftransports vordringen. Von besonderem Interesse ist dabei die Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri), eine Pflanze, die auf schwermetallbelasteten Böden wächst und Cadmium in großen Mengen in den Blättern akkumulieren kann. Bereits im letzten Jahr ist es Uraguchi gelungen, das Gen OsLCT1 zu identifizieren, das den Weg des Cadmiums in die Reiskörner reguliert. Derartige Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für die Züchtung neuer Reissorten, die deutlich weniger Schwermetalle absorbieren.

"Das Bewusstsein für die Gesundheitsrisiken, die von Cadmium in der täglichen Nahrung ausgehen, ist in Ostasien heute viel stärker ausgeprägt als noch vor zehn Jahren", berichtet Uraguchi und verweist auf eine Untersuchung in Japan aus dem Jahr 2004. Danach stammen durchschnittlich 44 Prozent des Cadmiums, das in den menschlichen Körper gelangt, aus Reis. Seiner Auffassung nach werden sich die am Reis gewonnenen Erkenntnisse zumindest teilweise auf andere pflanzliche Grundnahrungsmittel übertragen lassen.

Lebensbedrohlicher Zinkmangel:
eine weitere Herausforderung für die Pflanzenforschung
Die derzeitigen Forschungen an der Universität Bayreuth knüpfen nicht zuletzt an die Ergebnisse des Forschungsprojekt PHIME an, das von 2006 bis 2011 von der Europäischen Union gefördert wurde. Im Zentrum dieses Projekts standen die Aufnahme und die Akkumulation von Schwermetallen in Pflanzen sowie die daraus resultierenden Langzeitfolgen für breite Bevölkerungskreise. Zusammen mit 30 weiteren Partnern nahm auch der Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie an diesem europäischen Großprojekt teil. Die Bayreuther Forschungsinteressen richteten sich dabei nicht nur auf das giftige Cadmium, sondern auch auf das Zink: ein Schwermetall, das für den Stoffwechsel im menschlichen Organismus unentbehrlich ist. Gerade weil Reis und zahlreiche Getreidesorten nur geringe Zinkmengen enthalten, ist Zinkmangel eines der wichtigsten Krankheitsrisiken in vielen Entwicklungsländern; auch kann die geistige und körperliche Entwicklung von Kleinkindern durch Zinkmangel erheblich behindert werden. Umso größer ist das Interesse an Nutzpflanzen, die imstande sind, größere Mengen von Zink aus dem Boden aufzunehmen und zu speichern.

Ein Bayreuther Team um Dr. Ulrich Deinlein hat nun vor wenigen Monaten in der Hallerschen Schaumkresse ein Gen identifiziert, das die Produktion von Nicotianamin steuert. Dieses Molekül ist in der Lage, große Mengen von Zink aus den Wurzeln bis in die Blätter der Schaumkresse zu transportieren. Es ist auch in der Gerste und im Reis enthalten, wird aber in diesen Nutzpflanzen weniger stark gebildet. Ein attraktives Forschungsziel ist deshalb die Entwicklung von Getreide- und Reissorten, in denen Nicotianamin ein funktionstüchtiges Vehikel für die Zinkmoleküle aus dem Boden darstellt. Nahrungsmittel, die auf solchen Nutzpflanzen basieren, wären ein wesentlicher Beitrag, um den täglichen Zinkbedarf zu decken.

"Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Ergebnisse aus der molekularbiologischen Grundlagenforschung oft sehr rasch in konkrete anwendungsorientierte Projekte einmünden können", meint Prof. Dr. Stephan Clemens. "Deshalb wollen wir die vielfältigen Kompetenzen, die in Bayreuth auf dem Gebiet der molekularen Pflanzenphysiologie entstanden sind, in ein künftiges Profilfeld 'Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften' an der Universität Bayreuth einbringen."  

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