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Forschung: Rätsel um Ursprung der europäischen Kartoffel gelöst
Lange Zeit bestand unter Gelehrten verschiedener Nationen Uneinigkeit darüber, woher sie eigentlich kommt, die europäische Kartoffel. Die einen meinten Chile, die anderen waren sich sicher, die Kartoffel stammt aus den Anden. Eine neuartige Genanalyse der Autoren der Studie, Hernán Burbano und Rafal Gutaker, zeigt nun: beide Lager haben Recht. Die Ursprünge der europäischen Kartoffel lassen tatsächlich auf beide Regionen in Südamerika schließen.
Genetische Kartierung von über 350 Jahre alten Pflanzen
Bis zu 350 Jahre alt sind die Kartoffeln, die zur genetischen Bestimmung herangezogen werden konnten, von modernen Sorten bis zu historischen Exemplaren aus Herbarien. Darunter auch Pflanzen aus einer Sammlung Darwins, die er im Jahr 1834 von seiner Expedition auf der HMS Beagle, ein Vermessungsschiff der Britischen Marine, nach Europa mitbrachte. Für ihre Untersuchungen studierten die Autoren die Erbanlagen von 88 unterschiedlichen Proben. Die älteste stammt aus dem Jahr 1660, aufbewahrt im Sir Hans Sloane Herbarium des Londoner Naturhistorischen Museums. Nach Angaben der Wissenschaftler handelt es sich dabei um die älteste pflanzliche Probe überhaupt, deren Kern-DNA entziffert werden konnte.
Die ersten von Europäern im 16. Jahrhundert in Südamerika gesammelten Kartoffeln stammen demnach aus den Hochlagen der äquatorialen Anden. Als sie nach Europa kamen, entwickelten sie zunächst nur im Spätherbst die nahrhaften Knollen, da sie sich in den Anden über viele Generationen hinweg an kurze Tageslängen angepasst hatten. Dadurch aber blieb den Knollen nur wenig Zeit zum Wachstum, bevor sie vom ersten Frost überrascht wurden.
Moderne landwirtschaftliche Kultivierung im 19. Jahrhundert
"Die Knollen der ursprünglichen Kartoffelpflanzen aus den Anden Perus waren nach unserer heutigen Vorstellung sehr klein. In Streifen geschnittenen wären Pommes Frites kürzer als Streichhölzer entstanden", kommentiert Rafal Gutaker vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. Insofern war ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg der Kartoffel in Europa, einen Ausweg aus ihrem zeitlich begrenzten Knollenwachstum im Spätherbst zu finden.
Die aktuelle Studie hat dies mit der Einfuhr chilenischer Sorten im 19. Jahrhundert in zeitlichen Zusammenhang gebracht, was auch mit der Ausweitung der Kartoffel in Europa zusammenfällt. So war die Kartoffel nach einem zögerlichen Start im 18. Jahrhundert schon Mitte des 19. Jahrhunderts das landwirtschaftliche Haupterzeugnis in Irland.
"Es gibt nur wenige erhaltene Exemplare der ursprünglichen Kartoffelsorten aus Südamerika. Ohne die Sammlungen Charles Darwins wäre es uns unmöglich gewesen, auch die chilenischen Wurzeln unserer heute in Europa heimischen Kartoffelsorten zu bestimmen", kommentiert Beverley Glover, Professorin an der Universität Cambridge und zugleich Kuratorin der Sammlungen Darwins. "Denn die heutigen chilenischen Kartoffelsorten sind den europäischen sehr ähnlich, und weichen stark von ihren chilenischen Ahnen ab, auch von denen aus den Sammlungen Charles Darwins."
Zentrale Säule globaler Ernährung
Die in zwei Phasen erfolgte Einführung der Kartoffel, erst aus den Anden und dann aus Chile, ist aber noch nicht das Ende der Geschichte. Zwischen 1846 und 1891 erlebten die Ursprungssorten aus den Anden wieder eine Renaissance, was mit der breitflächigen Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule, und der damit einhergehenden großen Hungersnot in Irland zwischen 1845 und 1847 zusammenfällt. Dies lässt vermuten, dass Bauern in dieser Zeit wieder auf die alten Sorten zurückgegriffen haben. Auch können die Max-Planck-Forscher aus ihren Genanalysen erkennen, dass nach dieser Zeit begonnen wurde, wilde Kartoffelarten in die amerikanischen Nutzpflanzen einzukreuzen, um eine bessere Resistenz gegen Krankheitsbefall zu erzielen.
"Kartoffeln gehören heute zu den zentralen Säulen weltweiter Nahrungssicherung. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, unterschiedliche Sorten sowie verwandte Arten aus wilden Beständen zu erhalten, um für widrige Umstände im Zuge des Klimawandels oder der Ausbreitung neuer Krankheitserreger gewappnet zu sein", so Hernán Burbano vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. (Max-Planck-Institut)
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