Forschung: Deutscher Arzneipflanzenanbau soll wettbewerbsfähiger werden

Das Julius Kühn-Institut richtet eine Nachwuchsforschergruppe zum Arzneipflanzenanbau ein. Das Bundesagrarministerium fördert die Forschung an den Nischenkulturen mit knapp 1 Million Euro.

Johanniskraut ist eine der bedeutendsten Arzneipflanzen in Deutschland. Bild: Frank Marthe/JKI.

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Das Julius Kühn-Institut richtet eine Nachwuchsforschergruppe zum Arzneipflanzenanbau ein. Das Bundesagrarministerium fördert die Forschung an den Nischenkulturen mit knapp einer Mio. Euro.

Deutschland ist ein bedeutender Verarbeiter von Arzneipflanzen. Doch die dafür verwendeten Rohstoffe werden größtenteils aus dem Ausland importiert. Nur 12 bis 15% der verwerteten Arzneipflanzen stammen aus deutschem Anbau. Eine neu etablierte Forschergruppe am Julius Kühn-Institut (JKI) soll die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Arzneipflanzenanbaus stärken und zugleich den akademischen Nachwuchs in dieser wichtigen Nischendisziplin sicherstellen.

Der Anbau von Arzneipflanzen steht auf dem Weltmarkt unter starkem Preisdruck. „Deutsche Hersteller können nur schwer mithalten. Sie punkten aber auf anderen Gebieten wie bei Qualität, Versorgungssicherheit und einer transparenten Produktion“, erklärt JKI-Arzneipflanzen-Experte Dr. Frank Marthe. Er initiierte das Projekt gemeinsam mit Vertretern aus Anbau und Forschung des Deutschen Fachausschusses für Arznei- Gewürz- und Aromapflanzen (DFA). Die Gruppe will sich vor allem mit der Optimierung ökonomisch relevanter Merkmale bei Johanniskraut und Anis befassen. Dazu zählt etwa der Gehalt an pharmakologisch wirksamen Stoffen wie ätherischen Ölen bei Anis oder Hypericinen, Hyperforin und Flavonoiden, die dem Johanniskraut seine mild antidepressive Wirkung verleihen.

Gleichzeitig werden für unterschiedliche Arten drängende phytopathologische Fragestellungen behandelt. So sollen Erreger von Krankheiten wie der Rotwelke beim Johanniskraut untersucht, Tests für den Nachweis der Erreger entwickelt und Ansätze für die Züchtung resistenter Sorten gesucht werden. In einem weiteren Schwerpunkt gilt es, sekundäre Inhaltstoffe der Pflanzen darauf zu prüfen, ob sie beispielsweise gegen schädliche Pilze wirken. Sie könnten dann im biologischen Pflanzenschutz angewendet werden. Ein anderer Teil der Gruppe soll in den Pflanzen nach neuen, pharmakologisch interessanten Substanzen suchen.

„Aber auch die Forscherinnen und Forscher selbst sind ein Produkt des Projekts“, sagt Dr. Marthe. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert eine Leitungsstelle, vier Doktorandenstellen und eine Assistenz. Das JKI zahlt aus Eigenmitteln eine weitere Doktorandenstelle. „Nach Auslaufen des Projekts werden diese Personen als Experten und Multiplikatoren in Wissenschaft und Wirtschaft ganz sicher ihren Platz finden“, so Marthe. Er ist zuversichtlich, dass sich dadurch die spezialisierte Arzneipflanzensparte belebt.

Hintergrund Nachwuchsforschergruppe Arzneipflanzen

Für die Leitung des Projekts „Nachwuchsforschergruppe Arzneipflanzen – praxisorientierte Forschung für die Konsolidierung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Arzneipflanzenanbaus und Förderung des akademischen Nachwuchses (NWG Arzneipflanzen)“ ist eine Postdoc-Stelle mit dem Ziel der Habilitation vorgesehen. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) des BMEL finanziert darüber hinaus vier Promotionsstellen für Doktorandinnen und Doktoranden. Eine weitere Doktorandenstelle wird aus JKI-Mitteln ergänzt. Die Finanzierung für drei Jahre ist mit knapp einer Mio. Euro durch die FNR sichergestellt. Es besteht die Option einer Verlängerung um zwei Jahre.

Das Projekt ist in drei Themenfelder gegliedert: Themenfeld 1, JKI-Fachinstitut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen, Quedlinburg: Aufbau und Leitung der Nachwuchsforschergruppe und pflanzenzüchterische Merkmalsverbesserung anbautechnologischer, inhaltsstofflicher und phytopathologischer Merkmale bei Johanniskraut (Hypericum perforatum) und Anis (Pimpinella anisum). Themenfeld 2, JKI-Fachinstitut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Braunschweig: Pilzliche Schaderreger (samenbürtige und blattpathogene) an Arzneipflanzen – Nachweis und Bekämpfungsverfahren Themenfeld 3, JKI-Fachinstitut für Ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Berlin: Alternative Nutzungsstrategien sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe und biobasierter Pflanzenschutz.

Informationen Arzneipflanzenanbau in Deutschland

Arzneilich genutzte pflanzliche Rohstoffe, sogenannten Drogen, gehören zu den nachwachsenden Rohstoffen und zählen damit zur Bioökonomie. Insgesamt bauen derzeit rund 750 Betriebe in Deutschland auf knapp 13.000 Hektar etwa 120 verschiedene Arzneipflanzen-Arten an. Zum Vergleich: Die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland umfasst rund 16,7 Mio. Hektar. Die größte Bedeutung haben Kamille, Lein, Mariendistel, Pfefferminze, Sanddorn, Fenchel, Johanniskraut und Wolliger Fingerhut. Viele dieser Pflanzen stammen aus Familien wie den Doldenblütlern, Korbblütlern oder Lippenblütlern, die landwirtschaftlich kaum genutzt werden. Damit trägt ihr Anbau zur Biodiversität in der Landwirtschaft bei, auch weil die häufig mehrjährigen Pflanzen vielen Insekten als Habitat und Nahrungsquelle dienen. 2009 hat die Bundesregierung das Ziel definiert, wegen des hohen Wertschöpfungspotenzials die Anbaufläche von Arzneipflanzen bis 2020 auf 20.000 Hektar zu steigern.

Genutzt werden Arzneipflanzen vor allem für Phytopharmaka z. B. gegen Befindlichkeitsstörungen oder Probleme mit Magen und Darm, als Nahrungsergänzungsmittel und in Tees. Ein Großteil der in Deutschland verarbeiteten Pflanzen wird importiert. (Julius Kühn-Institut)

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