BMEL: Gespräch mit dem Handel im Kanzleramt

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier haben am 03. Februar Vertreter des Handels und der Lebensmittelindustrie zum Gespräch im Kanzleramt getroffen.

Bundesministerin Julia Klöckner. Bild: CDU Rheinland-Pfalz.

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Das Treffen war eines der Ergebnisse des Agrargipfels von Kanzlerin Merkel und Bundesministerin Klöckner Ende des vergangenen Jahres. Die Wertschätzung von Lebensmitteln sowie faire Preisgestaltung und Lieferbedingungen bei Lebensmitteln mit Blick auf Erzeuger und Handel standen im Mittelpunkt. Die Politikerinnen betonten die Verantwortung des Handels bei der Preisgestaltung und Dumpingangeboten mit Lebensmitteln. Dauerhafte Tiefstpreise für manche Lebensmittel - mit denen Kunden in die Läden gelockt werden – sind ein fatales Signal für die Wertschätzung von Lebensmitteln. Aggressive Preisgestaltung im Handelswettbewerb gehe letztlich auch zu Lasten der Erzeuger.

Julia Klöckner: „Der Handel steht im Wettbewerb. Dieser darf aber nicht einseitig auf dem Rücken unserer Bauern ausgetragen werden. Nahrungsmittel für wenige Cent anpreisen und gleichzeitig immer höhere Standards einfordern, das kann nicht zusammengehen. Wie sollen Bauernfamilien davon leben? Es fehlt an Wertschätzung. Verbrauchern wird mit Lockangeboten aus dem Werbeprospekt suggeriert, dass Lebensmittel jederzeit billig zu haben sind. Die Supermarktketten haben hier eine ethischmoralische Verantwortung. Wenn wir weiter regionale Erzeugung, mehr Tier- und Umweltschutz wollen, müssen Preise fair sein. Bezahlbar für jeden Geldbeutel - auskömmlich für unsere Landwirte.“

In der Runde thematisiert wurde zudem, dass landwirtschaftliche Anbieter aufgrund des Marktungleichgewichts unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt sind - die vier größten Handelsketten verfügen über eine große Marktmacht von über 85%. So kommt es etwa vor, dass sich Bauern Liefertermine kaufen oder einen Geldbetrag spenden müssen, um in neuen Filialen gelistet zu werden. Kurzfristig können zudem verderbliche Waren storniert werden, auf denen die Bauern dann sitzen bleiben, oder sie bekommen für verkaufte Ware erst nach drei Monaten ihr Geld. Hiergegen werde das Bundesministerium ordnungsrechtlich vorgehen, so die Ministerin: „Hartes Verhandeln, das gehört dazu - die Prinzipien des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ sollten dabei immer selbstverständliche Leitlinie sein. Das scheint im Alltag jedoch leider nicht immer der Fall zu sein. Die Beispiele, die uns genannt wurden, sind zahlreich. Um einen Großteil dieser unlauteren Handelspraktiken zukünftig zu verhindern, werden wir die so genannte europäische UTP-Richtlinie sehr bald in nationales Recht umsetzen. Es muss ein faires Miteinander geben.“

Das Gespräch habe hierfür wichtige Impulse und Anregungen gegeben – „es ist der Start eines Prozesses“. Im Bundeslandwirtschaftsministerium wird es Folgetreffen geben, auch unter Beteiligung der Erzeugerseite, um verschiedene Themenbereiche zu vertiefen.

Folgende Gesprächsergebnisse wurden festgehalten:

1. Umsetzung der UTP-Richtlinie
Die europäische Richtlinie, die dem Schutz der Landwirte dient, wird zeitnah einszueins in nationales Recht umgesetzt. Die rechtliche Möglichkeit, bis Ende 2021 damit zu warten, wird nicht ausgeschöpft.

Praktiken der so genannten „schwarzen Liste“ werden damit verhindert. Konkret wird verboten:

  • dass der Käufer Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln kurzfristig storniert;
  • dass Händler einseitig die Lieferbedingungen, Qualitätsstandards und Zahlungsbedingungen ändern;
  • dass später als dreißig Tage für verderbliche Lebensmittel gezahlt wird;
  • dass der Käufer geschlossene Liefervereinbarungen schriftlich auf Verlangen des Lieferanten nicht bestätigt;
  • dass die Käufer Geschäftsgeheimnisse von Lieferanten rechtswidrig erwerben und nutzen;
  • dass der Käufer mit Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art droht, wenn der Lieferant von seinem vertraglichen oder gesetzlichen Rechten Gebrauch macht;
  • dass Käufer Entschädigungen vom Lieferanten für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden verlangen, ohne dass ein Verschulden des Lieferanten vorliegt.

2. Handelspraktiken der „grauen Liste“
Über die UTP-Richtlinie hinaus gibt es problematische Handelspraktiken der so genannten „grauen Liste“. Diese Praktiken sind erlaubt, wenn sie vorher ausdrücklich und eindeutig zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Zum Beispiel,

  • die Rückgabe nicht verkaufter Erzeugnisse an den Lieferanten ohne Zahlung des Kaufpreises;
  • wenn der Käufer eine Zahlung für die Listung oder Lagerung oder für Werbung der Erzeugnisse verlangt;
  • wenn der Käufer eine Übernahme der Kosten für Preisnachlässe im Rahmen von Verkaufsaktionen fordert.

Diese Praktiken könnten mittels einer Selbstverpflichtung des Handels abgestellt werden. Die Diskussion darüber soll fortgesetzt werden, da vielen Erzeugern häufig keine Wahl bleibt, als diesen Forderungen des Handels zuzustimmen – wollen sie nicht ausgelistet werden.

3. Einigung auf Einrichtung einer ‚Meldestelle für unlautere Handelspraktiken und Dumpingpreise‘ beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Erzeuger sollen konkrete Beispiele unlauterer Handelspraktiken aus der Praxis und auffällige Dumpingpreise an diese Stelle melden. Diese Informationen sollen dann - gegebenenfalls anonymisiert - an die betroffenen Handelsketten weitergegeben werden. Diese haben zugesagt, Beschwerden, die sie betreffen, nachzugehen, sie abzustellen und Bericht zu erstatten

4. Vertieftes Arbeitstreffen von Handel und Erzeugern unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit folgenden Schwerpunktthemen:

  • a. Stärkung regionaler Konzepte – Die Erzeuger sollen mit ihren heimischen Produkten sichtbarer werden.
  • b. Kommunikationsallianz von Erzeugern und Handel zur Wertigkeit von Lebensmitteln entwickeln.
  • c. Möglichkeit eines fairen Risikoausgleichs bei Miss- und Minderernten. Vor dem Hintergrund zunehmender Wetterextreme muss über die Risikoverteilung gesprochen werden.
  • d. Umgang mit höheren, über den gesetzlichen Anforderungen liegen - den Standards des Handels für die Lebensmittelproduktion und deren Vergütung (z.B. hinsichtlich der Rückstandswerte von Pflanzenschutzmitteln).

5. Die Ergebnisse der vertieften Gespräche werden in einem Dreivierteljahr im Kanzleramt ausgewertet.

Hintergrund – UTP-Richtlinie:

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die europäische UTP-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken im vergangenen Jahr zustande gekommen ist. In Deutschland wird sie in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt. Die Ressortabstimmung zu diesem Gesetz wird in Kürze eingeleitet. Die Kabinettsbefassung ist für das Frühjahr 2020 vorgesehen. Nach dem parlamentarischen Verfahren könnte das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie bereits im Herbst 2020 in Kraft treten - auch wenn es einen europäischen zeitlichen Spielraum bis Ende 2021 gibt. (BMEL)

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