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Bienengesundheit: Erkenntnisaustausch
Zusammen mit den Experten des Versuchszentrums Laimburg fand ein länderübergreifender Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch statt. Im Pflanzenschutz können verschiedene Produkte mit unterschiedlichen Wirkstoffen in Tankmischungen eingesetzt werden. Bestimmte Kombinationen von Insektiziden und Fungiziden können zu additiven oder sogar zu synergistischen Wirkungen führen. Das bedeutet, dass eigentlich bienenungefährliche Pflanzenschutzmittel durch die Kombination mit bestimmten Fungiziden plötzlich eine überproportionale Wirkungssteigerung erfahren und dadurch eine Gefahr für die Bienengesundheit darstellen können. Um diese Problematik ging es im Vortrag des Bienenexperten Jens Pistorius vom Julius-Kühn-Institut, dem deutschen Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Pistorius erläuterte den aktuellen Kenntnisstand, informierte über neue Erkenntnisse aus aktuellen Risikobewertungsverfahren, differenziert kritische und unkritische Kombinationen und zeigt Möglichkeiten sowie Maßnahmen für eine bienensichere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf.
Wie kann man die Bienen schützen?
„Man kann nicht pauschal sagen, dass alle Tankmischungen zu einer Gefährdung der Bienen führen“, erklärte Pistorius. „Es ist genau darauf zu achten, welche Wirkstoffe und in welchen Kombinationen man mischt. Bei 350 Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in der EU und angesichts der Vielzahl an Kombinationen, die oft spezifisch je Region und in Abhängigkeit von dort angebauten Kulturen und der Präsenz von Schadorganismen eingesetzt werden, ist es nicht möglich alle Mischungsmöglichkeiten systematisch zu prüfen. Bei Tankmischungen sollte die Anzahl der Mischungspartner möglichst gering gehalten werden.“ Generell sei ein wachsamer Umgang mit Pflanzenschutzmitteln zu empfehlen und es gelte Auflagen und Anwendungsbestimmungen einzuhalten. Bei kombinierter Ausbringung sollte die Anwendung spät am Abend, also nach dem Bienenflug, durchgeführt werden, betonte der Experte. Denn so könne die Exposition, also das Ausgesetztsein, deutlich verringert werden und die Bienen kommen frühestens am nächsten Morgen in Kontakt mit eventuellen Rückständen. Auf diese Weise bestehe die Möglichkeit durch Auflagen die Ausbringung der Pflanzenschutzmittel zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch den Schutz der Bienen zu gewährleisten.
Der Vortrag von Jens Pistorius fand im Rahmen der „Series of lectures“ statt, einer Veranstaltungsreihe zu den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, die gemeinsam von der Freien Universität Bozen und dem Versuchszentrum Laimburg organisiert wird.
Mit vereinten Kräften für die Bienengesundheit
„Bienen leisten durch ihre Bestäubungsarbeit einen unschätzbaren Beitrag für das gesamte Ökosystem. Als Forschungsinstitution für die Südtiroler Landwirtschaft ist darum auch die Forschung zum Thema Bienengesundheit von großer Bedeutung“, betonte der Leiter des Instituts für Pflanzengesundheit am Versuchszentrum Laimburg Klaus Marschall. Um gegenseitig Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen, stehen die Experten des Versuchszentrums Laimburg in engem Kontakt mit Kollegen aus dem In- und Ausland. Besonders wichtig dabei ist der fachliche Austausch mit dem im Jahr 2016 gegründeten Fachinstitut für Bienenschutz des Julius-Kühn-Instituts in Braunschweig (Deutschland). „Im Rahmen des Aufenthalts von Jens Pistorius in Südtirol konnten wir Erfahrungen und Erkenntnisse zu verschiedenen bienenrelevanten Themen austauschen sowie die Situation der Biene in Deutschland und Südtirol vergleichen“ berichtet Manfred Wolf, Leiter der Arbeitsgruppe Entomologie am Versuchszentrum Laimburg, und fügt hinzu: „Unser Anliegen war es mit diesem Vortrag allen im Umfeld des Südtiroler Imkereiwesens agierenden Verbänden und Behörden sowie allen am Thema Bienen und Imkerei Interessierten neue Forschungsergebnisse zu präsentieren.“
Untersuchungen zum Thema Bienengesundheit am Versuchszentrum Laimburg
Das Versuchszentrum Laimburg beschäftigt sich in mehreren Tätigkeiten und Projekten mit Themen der Pflanzengesundheit und des Bienenschutzes:
Apistox I
Welche Auswirkungen kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau auf Bienenvölker haben? Diesen und anderen damit in Verbindung stehenden Fragen ist das Forschungsprojekt Apistox nachgegangen, das vom Landesamt für Landwirtschaft und vom Südtiroler Apfelkonsortium finanziell unterstützt wurde; wichtige Ressourcen wurden auch vom Südtiroler Imkerbund über dessen Mitglieder eingebracht. Die Ergebnisse des Projekts zeigten, dass außerhalb der Verbotszeiten für den Einsatz bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel, d.h. vor allem nach der Blüte, eine erhöhte Sterblichkeitsrate von Bienen im Stockbereich zu beobachten ist, die auf die Kombination dreier Faktoren zurückgeführt werden kann: die Nachblütebehandlungen im Obstbau, das Trachtangebot nach der Apfelblüte und das Verhalten der Sammelbienen: Da diese nach der Obstblüte wieder verstärkt zurück in die Obstanlagen fliegen, können sie im blühenden Unterwuchs in Kontakt mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln kommen. Sammelbienen legen weit längere Distanzen zurück als angenommen. Auf der Suche nach Nahrung fliegen sie von höheren Lagen in tiefere Lagen aus, wo Spritzungen eventuell noch im Gange sind, und kommen auf diese Weise in Kontakt mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln. Im Verlauf der dreijährigen Untersuchungen haben die Experten des Versuchszentrums Laimburg an drei von 13 jährlich untersuchten Standorten einen Zusammenhang zwischen der im Stockbereich erhobenen Sterblichkeit und der Entwicklung der Völker festgestellt; dies gilt jedoch ausschließlich für das Jahr 2015.
Apistox II
Als Folgeprojekt von Apistox I befasst sich Apistox II mit den Auswirkungen des Pflanzenschutzes im Apfelanbau auf Bienenvölker während des Frühjahrs. Ziel des Projekts ist es, die Dynamiken des Wirkstoffeintrages besser zu verstehen, die Einflussgrößen zu beschreiben und damit neue Ansätze für verbesserte Schutzmaßnahmen für die Bestäuber zu entwickeln. Dazu untersuchen die Experten neben der Sterblichkeit von Bienen im Stockbereich und der Volksentwicklung auch den Eintrag von Wirkstoffen aus dem Apfelanbau. Vegetationskundliche Erhebungen sollen Aufschluss darüber liefern, welche Pflanzenarten während des Frühjahrs und speziell ab der Nachblüte präsent und damit für Bienen attraktiv sind.
Bekämpfung der Varroa-Milbe
Die Milbe Varroa destructor befällt als Parasit Bienenvölker und gilt als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit. Zur Bekämpfung der Varroa stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, wobei in vielen Gebieten Europas bereits Resistenzen der Varroa destructor gegenüber herkömmlich eingesetzten Varroaziden festgestellt wurden. Bei den Versuchsvölkern des Versuchszentrums Laimburg wird der natürliche Milbenfall im Zeitraum vor und nach der Behandlung der Völker beobachtet und die Befallsstärke jedes einzelnen Volks genau erfasst. Während der Sommermonate wird dann an den Versuchsvölkern eine Varroa-Behandlung mit verschiedenen Wirkstoffen durchgeführt. Im Rahmen einer Mittelprüfung erfassen und beschreiben die Experten über mehrere Jahre hinweg die Wirkungsweise der verschiedenen Wirkstoffe. Dabei wird auch überprüft, welche Rückstände nach einer Behandlung noch im eingelagerten Bienenbrot feststellbar sind und wie lange sich diese in welchen Konzentrationen halten. Parallel führen die Experten auch Beobachtungen zur Volksentwicklung und zur Sterblichkeit von Flugbienen im Stockbereich der behandelten Völker durch, welche durch eine genaue Dokumentation der Varroa-Behandlungen ergänzt und weiter komplettiert werden.
Palyn – Vegetationskundliche Erhebungen, pollenkundliche Untersuchungen im Zusammenhang mit der Sammeltätigkeit der Honigbiene
Als einzige Eiweißquelle, die einem Bienenvolk zur Verfügung steht, spielt der Pollen eine wichtige Rolle für die Ernährung der Bienen. Im Projekt „Controlbee“ konnten neben Daten zur in den Stock eingetragenen Pollenmenge verschiedene Belastungen der von Bienen gesammelten Pollen und des eingelagerten Bienenbrotes mit Wirkstoffen von Pflanzenschutzmitteln festgestellt werden. Ziel des vom italienischen Landwirtschaftsministerium und vom Landesamt für Tierzucht finanzierten Projekts „Palyn“ ist es das Angebot an blühenden Pflanzen in den bewirtschafteten Kulturanlagen (Kultur und Unterwuchs) und in deren Umgebung (Wildblüher in nahegelegenen Wäldern) und damit das den Bienen zur Verfügung stehende Pollenangebot umfassend zu erheben. Zudem führen die Experten neben pollenkundlichen auch chemische Analysen durch, um herauszufinden, von welchen Pflanzen die Bienen tatsächlich ihren Pollen sammeln und dann eintragen. „Das Blütenangebot ist eine unserer zentralen Fragestellungen, denn der Jahreseinfluss wirkt sich vermutlich auf die Zusammensetzung und die Gesamtmenge des durch die Bienen im Unterwuchs der Apfelanlagen gesammelten Pollens aus“, erklärt Projektmitarbeiter Benjamin Mair.
Vereinbarung zum Bienenschutz
Ein wichtiger Schritt zum Wohle der Imkerei stellte die Vereinbarung zum Bienenschutz dar, die am 24. Januar 2017 von Südtiroler Bauernbund, Südtiroler Imkerbund, Julius-Kühn-Institut, Südtiroler Apfelkonsortium, Konsortium Südtiroler Wein, Beratungsring für Obst- und Weinbau, Beratungsring für Berglandwirtschaft (BRING), Versuchszentrum Laimburg und dem Landesamt für Obst- und Weinbau unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung sieht die Errichtung einer permanenten technischen Arbeitsgruppe vor, die die Gesundheit der Südtiroler Bienenvölker monitorieren und Vorschläge für Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit und der Verbesserung der Bedingungen für die heimische Imkerei erarbeiten soll.
Jens Pistorius, international gefragter Bienenexperte
Dr. Jens Pistorius ist Wissenschaftler und leidenschaftlicher Imker und leitet das Institut für Bienenschutz des Julius-Kühn-Instituts am Standort Braunschweig. Er arbeitet seit vielen Jahren mit Bienen und ist im Bereich Bienenschutz tätig. In seiner Dissertation beschäftigte sich Pistorius mit den Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Honigbiene (Apis mellifera L.). Als ausgewiesener Bienenexperte ist er international sehr gefragt. Im Jahr 2017 wurde er für seine besonderen Verdienste um die Imkerei, die Bienenkunde und verwandte Fachgebiete vom Verein zur Förderung der Bienenkunde der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen APIS e. V. mit der Auszeichnung „Apisticus“ geehrt. „Jens Pistorius erhält diesen Ehrenpreis, weil er es geschafft hat, zwischen deutschen und europäischen Zulassungsbehörden, chemischer Industrie, Prüflaboren, Landwirtschaft und Imkerschaft, seriös, ausgleichend, sachlich und mit Empathie aber nie emotional die mehr als unterschiedlichen Interessen und Zwänge zu meistern und ausgleichend zu wirken“, heißt es in der Ehrenurkunde.
Das Julius-Kühn-Institut
Das Julius-Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) mit Hauptsitz in Quedlinburg (Deutschland) vereint unter seinem Dach 17 Fachinstitute und forscht u. a. in den Bereichen Pflanzenbau, Züchtung, Pflanzen-, Bienen- und Vorratsschutz sowie der Pflanzengesundheit. Als Forschungsinstitut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) berät es die Politik. Um Bestäuberinsekten in der Agrarlandschaft und im städtischen Umfeld nachhaltig zu schützen und zu fördern, etablierte das Bundeslandwirtschaftsministerium im Jahre 2016 am JKI das Fachinstitut für Bienenschutz. Die Arbeitsgebiete des Instituts umfassen sowohl die Bienenforschung allgemein als auch die Untersuchung von Bienenvergiftungen sowie die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen laufender Zulassungsverfahren.
Das Versuchszentrum Laimburg
Das Versuchszentrum Laimburg ist die Forschungsinstitution für die Landwirtschaft und Lebensmittelqualität in Südtirol. Das Versuchszentrum Laimburg betreibt vor allem angewandte Forschung mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler Landwirtschaft zu steigern und die Qualität landwirtschaftlicher Produkte zu sichern. Über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten jährlich an etwa 350 Forschungs- und Versuchsprojekten aus allen Bereichen der Südtiroler Landwirtschaft, vom Obst- und Weinbau bis hin zu Berglandwirtschaft und Lebensmitteltechnologie. Das Versuchszentrum Laimburg wurde 1975 gegründet. (VZL)
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