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Autonome Agrarroboter: Warten auf den Durchbruch
Der Vertreter von John Deere ist in seinem Referat gerade bei den Schwarmrobotern angekommen, als die Tür im Saal am Nachmittag aufgeht und eine Gruppe von Aktivisten vor dem verdutzten Publikum ihr Transparent aufspannt: "DES PAYSANS, DES ANIMAUX: PAS DE ROBOTS".
Der Anlass ist bewusst gewählt: Am internationalen Agrarroboter Forum (Fira) in Toulouse traf sich am 11. und 12. Dezember gerade die internationale Gemeinschaft der Agrarrobotik zum fachlichen Gedankenaustausch. Am Vormittag wurde an den Referaten euphorisch über den bevorstehenden Siegeszug von Roboter, Sensorik und künstlicher Intelligenz (KI) in der Landwirtschaft berichtet. AgTech-Experte Marc Vanacht aus den USA hatte sich die Mühe gemacht und die aktuellen Agrarroboter-Projekte weltweit gezählt. Er kam auf über 60 ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie er betonte. Die Roboter analysieren, überwachen, hacken, spritzen oder ernten auf den Feldern. Er stellte aber auch fest, dass nur eine Handvoll tatsächlich im kommerziellen Einsatz steht. Wenn man die über 10.000 Drohnen nicht mitzähle, die in China bereits großflächig Pflanzenschutzmittel versprühten, wie er sagte.
Umweltfreundlich wirtschaften
Man ist sich am Forum einig: die digitale Landwirtschaft wird helfen, die aktuellen Probleme im Pflanzenschutz, den Arbeitskräftemangel und die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern. Genau das bezweifeln die Demonstranten, die sich nun auf der Bühne ausbreiten. Sie sehen in den neuen Technologien die Handlanger der industriellen Landwirtschaft, welche die kleinen Bauern kaputt macht, ein Heer von Arbeitslosen zurücklässt, neue Abhängigkeiten von multinationalen Technologiefirmen schafft und die Umwelt noch mehr auszehrt.
Zwei Stunden vorher sagte Christiane Lambert, Präsidentin der Fédération nationale des syndicats d’exploitations agricoles (FNSEA): "Die industrielle Landwirtschaft kann dank den neuen, präzisen Technologien umweltfreundlicher wirtschaften." Roboter seien sogar sozial, da sie unattraktive, eintönige Arbeiten für den Menschen erledigten. Nur werde das alles von der Gesellschaft noch nicht anerkannt. Wie recht sie damit hatte, zeigt die Aktion der Protestgruppe.
Agrarrobotik das neue "Gentech"?
Nachdem die Hälfte der über 150 Forumsteilnehmer den Saal ebenfalls aus Protest verlassen hat, geben sich die Aktivisten geschlagen und beenden die Aktion. Zurück bleibt minutenlange Konsternation unter den Forumsteilnehmern, denn eigentlich ist man ja überzeugt, dass ihre technischen Lösungen zu einer deutlich besseren Landwirtschaft führen. Journalist und Moderator Vincent Tardieu behält die Fassung, weist das vornehmlich ausländische Expertengremium auf die tatsächlich schwierige wirtschaftliche Lage vieler französischer Landwirte hin. Es sei aber letztlich die gleiche Diskussion wie immer, wenn neue Technologien im Raum stehen, wie beispielsweise bei der Gentechnologie. Dieser müsse man sich stellen.
Auch kleine Bauernhöfe profitieren
Bereits einen Schritt weiter ist man in der Agrarrobotik offenbar in Japan, wie das folgende Referat des japanischen Professors Noburo Noguchi zeigt. In der überalterten Gesellschaft fehlt es zunehmend an Arbeitskräften, was vor allem die Landwirtschaft trifft. Autonom fahrende Traktoren sollen das Problem lösen. Zumindest in Nippon nehmen die Roboter niemandem den Arbeitsplatz weg. Er berichtet von fernüberwachten, selbständig fahrenden Traktoren.
Auf einem Video sieht man einen solchen mit Greifarmen beim Kürbis ernten, zwei andere Traktoren mit Ladewagen übernehmen den Transport. Was im Test funktioniert, soll in zwei Jahren in der Praxis angewendet werden, sagt Noguchi. Irgendwie glaubt man es ihm, vielleicht weil er Japaner ist. Er ist sogar überzeugt, dass vor allem kleine Bauernbetriebe von den neuen Technologien profitieren werden, weil die Technologien ja untereinander geteilt werden könnten. Auch der Japaner dürfte die Anliegen der Demonstranten deshalb nicht verstehen.
Warten auf den Durchbruch
An der Fira zeigte sich, dass die Agrarroboter zwar in den Kuhställen aber noch lange nicht auf den Äckern angekommen sind. Vielleicht mit Ausnahme des kleinen aber mit wenigen Computerchips operierenden, autonomen Hackroboters Oz von der Firma Naïo, die den Anlass in Toulouse übrigens initiierte. Die sonstigen mit Sensoren und Kameras gespickten Hightech-Roboter seien aber immer noch vor allem Spielzeuge von Akademikern und Ingenieuren, monierte ein Podiumsteilnehmer. Tatsächlich sind über die Hälfte aller Agrarroboter-Projekte von öffentlichen Institutionen finanziert. In der Praxis durchgesetzt haben sich bis jetzt nur Hackroboter, die am Traktor angebracht sind und noch auf menschliche Betreuung angewiesen sind.
Kommunikation verbessern
Bei den autonom funktionierenden Geräten sieht es anders aus: Auf die Frage, ob ihr Produkt bereits kommerziell verwendet werde, antworten die Hersteller auf der gleichzeitig an der Fira durchgeführten Produkte-Ausstellung immer ähnlich: Der Prototyp sei ausgetestet, Vorserien würden produziert oder Landwirte würden die Geräte nächstens testen. Nur wirklich verkauft wurde noch nichts. Offenbar ist der Draht von den Start-up-Firmen zur Praxis noch zu dünn. "Ich weiß viel zu wenig von den neuen Technologien", gestand einer der wenigen praktizierenden Bauern auf dem Podium in der Diskussion.
Die Branche scheint allgemein Nachholbedarf bei der Kommunikation zu haben, sowohl bei den Kunden wie bei der übrigen Bevölkerung. Zudem sind die Geräte immer noch sehr teuer. Dazu kommt die Abhängigkeit von Ingenieuren, welche die komplexe Technik verstehen. Weitere Unsicherheiten bestehen auf rechtlicher Ebene: Zurzeit dürfen autonome Traktoren nur in Begleitung einer Person herumfahren.
Noch schwärmen also keine Roboter auf dem Acker aus. Trotzdem spürte man in Toulouse: Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten und wird über kurz oder lang Realität werden. (lid)
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